E-Book, Deutsch, Band 3, 208 Seiten
Reihe: Monaco-Krimis
Wolff Monaco Horizontale
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-492-99139-1
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Fall für Hans Josef Strauß
E-Book, Deutsch, Band 3, 208 Seiten
Reihe: Monaco-Krimis
ISBN: 978-3-492-99139-1
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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1. Kapitel
Es war ein lauer Dienstagvormittag. Genauer gesagt der 18. April. Hans Josef Strauß war gerade auf dem Nachhauseweg von einem neuen Auftraggeber, Herrn Kovacs. Sein guter Freund und Geschäftspartner Quirin behauptete zwar, dass man als Privatermittler seine Auftraggeber nicht »Auftraggeber« nennt, sondern »Mandanten« oder »Klienten«, aber Hans Josef war das wurscht. Oder, wie er es in seiner schlechten bayrischen Aussprache sagen würde: »wuarcht«. Er sprach »sch«-Laute manchmal wie »ch« aus, es hörte sich so an, wie wenn manche Leute aus dem Saarland oder der Pfalz »Fich« statt »Fisch« sagen. Allerdings war Hans Josef Strauß ja Westfale, da sprach man »sch« wie »sch« aus. Es gab keine Erklärung für diesen kleinen Sprachfehler, der auch nur manchmal vorkam. Jedenfalls beauftragten die Kunden oder Mandanten oder wie auch immer die beiden Detektive mit der Aufklärung mehr oder weniger komplizierter Fälle und bezahlten im Erfolgsfall gutes Geld. Hans Josef überlegte, ob er, um Quirin zu ärgern, künftig von »Kameraden« sprechen sollte. Oder von »Kandidaten«. »Probanden« war auch nicht schlecht. Oder »Drahtzieher«. Nun ja, jedenfalls hatte Herr Kovacs die Detektei Strauß darauf angesetzt, die Machenschaften der mutmaßlich betrügerischen Zahnärztin Dr. Kimberly Grimm aufzudecken, die nachträglich zunächst günstig erscheinende Kostenvoranschläge gefälscht haben sollte. So hatte es wohl für einige ihrer Patienten nach gelungener Behandlung ein böses Erwachen gegeben. Als sie die Rechnung im Briefkasten vorfanden, war der Betrag plötzlich mehrere Tausend Euro höher als angekündigt, und die Versicherungen weigerten sich, diese horrenden Kosten zu übernehmen. Die Patienten hatten nichts in der Hand, da keine Kopien der von ihnen unterschriebenen Kostenvoranschläge existierten – angeblich war immer der Drucker in der Praxis von Frau Dr. Grimm defekt gewesen. Die Polizei hatte Kovacs bei dessen Besuch weggeschickt und die Einschaltung eines Rechtsanwalts empfohlen, da eine Anzeige in den Augen des angesprochenen Polizeibeamten nichts bringen würde. Daraufhin hatte Kovacs herumgefragt und mit den anderen betroffenen und klagebereiten Patienten vereinbart, ebenjene Detektive zu beauftragen und sich deren Honorar zu teilen. Herr Kovacs hatte fabelhaft recherchiert und mehrere Mitstreiter auftreiben können, denen ein ähnliches Schicksal widerfahren war, sodass Hans Josef vermutlich leichtes Spiel haben würde. Er musste lediglich verbindliche Aussagen der Betrogenen herbeischaffen, damit der Fall vor Gericht gehen konnte.
Herr Kovacs wohnte in der Baaderstraße, in der sich viele Lokale befanden. So hatte Hans Josef Strauß sich nach dem Besuch noch einen Espresso im Baader Café und ein frisches Bierchen in der Gaststätte Burg Pappenheim gestattet, was ihm beides vorzüglich bekommen war. Die schwedisch aussehende Dame hinter der Theke im Baader Café kannte großartige Witze, die sie, wenn sie gut gelaunt war, auch gerne und sehr gekonnt erzählte. Diesmal war ihre Stimmung ausgezeichnet gewesen, und sie hatte Folgendes zum Besten gegeben: »Der Bauer und die Bäuerin sitzen beim Abendessen und verzehren Wurst, Käse und Holzofenbrot samt Bier. Da sagt der Mann: ›Morgen früh soll es klares und gutes Angelwetter geben. Ich werde mich schon in aller Früh zu Fuß auf den Weg zum See machen, um zu angeln.‹ Die Bäuerin sagt: ›Von mir aus. Wann wirst du zurück sein?‹ ›Am späten Nachmittag.‹ Gesagt, getan. Um fünf Uhr morgens packt er seine Angelsachen und zieht los. Nach einer halben Stunde beginnt es zu tröpfeln, gefolgt von starkem Regen, Graupelschauern, einem heftigen Gewitter und schließlich einer Art Schneesturm. Der Mann dreht auf dem Absatz um, geht zurück, kommt gegen sieben Uhr wieder daheim an, zieht seine nassen Sachen aus und legt sich zu seiner Frau ins Bett. Die Frau sagt schlaftrunken: ›Uuuuuh, du bist ja total kalt.‹ Der Mann sagt: ›Kein Wunder, draußen tobt ein heftiger Schneesturm.‹ Dann die Frau: ›Hahaha, und mein Mann, dieser Idiot, ist zum Angeln gegangen!‹«
Hans Josef hatte kurz darauf versucht, diesen Witz dem Wirt vom Burg Pappenheim wiederzugeben, war aber gescheitert, weil er sich im Mittelteil verheddert hatte.
Nun stand er an der Haltestelle Baaderstraße vor dem heutigen Patentamt, wo früher das Gefängnis stand, in dem kurze Zeit Oskar Maria Graf inhaftiert war, und wartete auf den Bus, der ihn zurück in die Innenstadt bringen sollte. Von hier fuhren zwei Buslinien ab, eine zum Rotkreuzplatz, die andere angeblich zum Marienplatz, was aber gar nicht stimmte – in Wirklichkeit fuhr der Bus nur zum Viktualienmarkt beziehungsweise zum Rindermarkt. Während er wartete, gelangte Hans Josef mit seinen Gedanken rund um die Verlegung der ursprünglichen Haltestelle und deren verwirrende Umbenennungen wieder mal an einen neuralgischen Punkt. Seit einiger Zeit hatte man sich immerhin auf einen Namen geeinigt, die Haltestelle hieß nun »Marienplatz (Rindermarkt)«. Er musste an ein ähnliches Beispiel denken: den vor ein paar Jahren in Betrieb genommenen Flughafen Memmingen. Irgendein Hanswurst hatte den Betreibern gestattet, ihren Airport »München West« zu nennen, obwohl er weit über hundert Kilometer von München entfernt lag. Als Hans Josef Strauß im vergangenen Frühjahr Freunde aus Mailand erwartete, staunte er nicht schlecht, als diese ihn nach der Landung entnervt anriefen und ihm mitteilten, dass sie fast zwei Stunden mit dem Bus vom Flughafen zum Hauptbahnhof benötigen würden. Weder Hans Josef noch den Besuchern selbst war klar gewesen, dass sie im italienischen Reisebüro zwar »Milano-Monaco/Bavaria« gebucht, aber in Wirklichkeit »Milano-Monaco/Allgäu« erworben hatten. Hans Josef schüttelte den Kopf, als er sich an dieses Erlebnis erinnerte. Er hatte einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und verabscheute Gaunerei und betrügerische Täuschung. Der anrollende Bus riss ihn aus seinen Gedanken, vor allem weil der Fahrer das Fahrzeug steil auf die Bordsteinkante zusteuerte, sodass der Bus nur wenige Zentimeter vom Gehsteig entfernt zum Halten kam. Dabei streifte er den wartenden Detektiv beinahe mit dem rechten Außenspiegel an der Stirn. Die Spiegel waren nämlich genau in Kopfhöhe angebracht – Hans Josef war davon überzeugt, dass viele Fahrer eine kleine interne Wette laufen hatten, wer als Erstes einen Fahrgast mit dem Spiegel ausknockte. Hans Josef stieg ein und versuchte, dem Fahrer mit einem strafenden Blick zu signalisieren, wie verwerflich er dessen Fahrweise fand, doch der Chauffeur blickte gelassen in die andere Richtung aus dem Fenster, als gäbe es dort draußen etwas Interessantes zu beobachten. Hans Josef setzte sich erzürnt in den hinteren Bereich, nachdem er sich an einem halben Dutzend aufgeregt kreischender Schulkinder vorbeigedrückt hatte, von denen jedes etwas sagen wollte und die anderen lieber übertönte, als sie ausreden zu lassen.
Auf dem freien Platz neben Hans Josef lag eine aktuelle Bild-Zeitung. Sie sah nagelneu und virenfrei aus, also nahm er sie und las, um seinen Groll zu verdrängen. Wie immer fand er alles, was in dem Blättchen stand, reißerisch, ja sogar abstoßend. Die Schlagzeile auf der Titelseite lautete: »Irrer tötet sich beim Nutten-Sex.« Das interessierte ihn dann doch ein wenig. Aber vermutlich war es nur wieder eine typische, von sensationsgeilen Redakteuren »frisierte« und halb erfundene Story.
Doch bevor Hans Josef dazu kam, auch nur eine Zeile des Artikels zu lesen, klingelte sein Handy, und zwar in der Melodie von »Lalalalala«, gesungen von Bud Spencer und Terence Hill in der Komödie Zwei wie Pech und Schwefel. Diesen Klingelton hatte Hans Josef vor Kurzem Quirins Telefonnummer zugeordnet, damit er immer wusste, wenn sein lieber Freund und Kollege anrief. Er steckte die Zeitung in die Tasche seines Angermaier-Jankers und ging ran.
»Ja?«
»Servus«, sagte Quirin. »Wo steckstn grad? Is saumäßiger Lärm im Hintergrund.«
»Im Bus. Da sind irgendwelche Kinder und …«
»Rinder?«, rief Quirin. »Bist du auf dem Land?«
»Nein«, sagte Hans Josef, nun etwas lauter. »Kinder!«
»Inder? Äh, bist du beim Mittagessen? Die sind doch aber meistens eher leise beim Essen, die Inder.«
»Kinder«, schrie Hans Josef jetzt. »Hier sind lärmende Kinder!«
»Kinder?«
»Ja, Kinder«, sagte Hans Josef Strauß und warf der lärmenden Gruppe einen genervten Blick zu. »Es sind, glaube ich, ziemlich kindische Kinder.«
»Kindische Inder?«, witzelte Quirin.
»Nein, kindische Kinder!«
»Indische Kinder? Ach so, ist das ein Kindergarten und gar kein Restaurant?«
»Nein, ich bin nicht im Restaurant, sondern im Bus!«
»Imbus? Wo gibt’s denn einen Imbus? Bist du im Baumarkt in der Werkzeugabteilung?«
»Nein, im Omnibus.«
»Im Kombi-Bus?«
»Hokuspokus Fidibus«, brummte Hans Josef Strauß, um den Schmarrn zu beenden.
Hoppla, beinahe hätte er die Haltestelle Viktualienmarkt verpasst. Er schlängelte sich ungeschickt an einsteigenden Fahrgästen vorbei, ohne sein Smartphone vom Ohr zu nehmen.
»Wieso ich anruf«, sagte Quirin. »Mein Friseur ist grad im Urlaub. Zu welchem gehst du denn eigentlich?«
»Wozu brauchst du denn einen Friseur mit deinem Irrenhaus-Haarschnitt? Ich dachte, du schneidest dir selbst die Haare«, stichelte Hans Josef.
»So a Blödsinn. I brauch an guadn Friseur, der ned zu teuer is.«
»Meiner kostet fünfundzwanzig Euro.«
Hans Josef Strauß verglich gerne Preise und führte dabei meist...