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Wolff | Liebe machen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Wolff Liebe machen

Roman
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-492-99566-5
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-492-99566-5
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Sternstunden der Popkultur und eine schicksalhafte Liebe Als die zwanzigjährige Dagmar in einer lauen Kölner Nacht im März 1970 aus dem Schlaf hochschreckt, ahnt sie nicht, dass in Hamburg ein junger Mann, Götz, ebenfalls wach liegt und denselben Traum träumt wie sie. Und vor allem ahnen weder Dagmar noch Götz, dass das Schicksal sie füreinander bestimmt hat ... Noch im selben Jahr werden sie sich auf dem Oktoberfest begegnen, sich verlieben - und dann für lange Zeit aus den Augen zu verlieren, ohne zu wissen, wie nah sie sich eigentlich die ganzen Jahre über sind. Moses Wolff ist Autor, Schauspieler und Komiker. Er inszeniert selbstgeschriebene satirische Theaterstücke, ist Gründer der 'Schwabinger Schaumschläger Show' und schreibt für das Satiremagazin 'Titanic'. 2015 erhielt er den Schwabinger Kunstpreis.  Moses Wolffs Blick auf die Dinge ist einzigartig direkt, denn er 'schaut den Leuten nicht nur beinhart aufs Maul, sondern auch ins Maul hinein bis hinunter ins Herz und in den Bauch.' Friedrich Ani

Moses Wolff, geboren 1969, ist Autor, Schauspieler und Komiker. Er schreibt regelmäßig für das Satiremagazin »Titanic« und ist Mitveranstalter der erfolgreichen Münchner Lesebühne »Schwabinger Schaumschläger Show«. 2015 erhielt er den Schwabinger Kunstpreis. Gemeinsam mit Arnd Schimkat hat er den mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle verfilmten Romans »Highway to Hellas« verfasst. Moses Wolff wohnt in der Münchner Isarvorstadt.
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1971


Montag, 5. April 1971


Hamburg, Vormittag

Götz stand an der U-Bahn-Station Jungfernstieg und wartete auf Karen. Sie wollte ihm die Unterlagen bringen, die er bei ihr vergessen hatte und die er für sein Vorstellungsgespräch bei einem Reisebüro für Gruppenreisen dringend benötigte. Karen hätte schon vor zwanzig Minuten ankommen sollen. In fünf Minuten musste er in der Fehlandtstraße sein und wollte nicht komplett abgehetzt dort erscheinen. Seine Nerven lagen blank, er spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Er hörte die nächste U-Bahn einfahren. Die Türen gingen auf – und endlich stieg Karen aus.

»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich hab’s nicht früher geschafft.«

»Das ist wirklich richtig ärgerlich!«, machte er seiner Verstimmung mit übertriebener Unbeherrschtheit Luft. »Ich hab mich drauf verlassen, dass du gleich losfährst.«

Nun platzte ihr der Kragen.

»Du bewirbst dich alle zwei Wochen woanders, nie klappt irgendwas, und jetzt bin ich auch noch schuld, wenn du deine Scheiß-Unterlagen vergisst?«

»In dem Ton redest du nicht mit mir!«

»Ich red mit dir, wie ich will!«, keifte sie ungewohnt angriffslustig. Es hatte sich unverkennbar einiges an Ärger aufgestaut. »Ich hab dir schon oft Stellenangebote für seriöse Jobs gezeigt, die du aber alle nicht angeschrieben hast.«

»Weil ich keinen Bock hab, bei Jungheinrich anzufangen.«

»Und warum nicht?« Sie fletschte die Zähne wie ein Tier. Er hatte sie noch nie so erlebt.

»Weil ich in einer flexiblen Branche arbeiten möchte. Wo ich reisen kann.«

»Damit wir uns NOCH seltener sehen!«

»Mann, ich hab jetzt echt keinen Nerv für Grundsatzdiskussionen.«

»Gut, dann halt nicht.«

Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging zurück Richtung U-Bahn.

»Warte bitte«, rief er ihr nach.

»Warum soll ich warten? Ich führ doch sowieso nur Grundsatzdiskussionen!« Und weg war sie.

Götz machte sich mit einer Mischung aus Selbstvorwürfen und Wut auf den Weg zum Vorstellungsgespräch. Die Firma Lottsieper Reisen befand sich in einem großen, schönen Gebäude aus Backstein. Er fuhr mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock, wo ihn eine freundliche Empfangsdame begrüßte und gleich in ein Besprechungszimmer führte. Nach kurzer Wartezeit kam Herr Lottsieper persönlich herein.

»Moin. Sie kommen wegen der Stelle als Leiter für Bus- und Gruppenreisen?«, fragte er mit ausdrucksloser Stimme.

»Ja, ich glaube, ich wäre da genau der Richti…«

»Ihre Aufgaben sind Begleitung und Betreuung unserer Gäste im Bus und bei Ausflügen. Sie zeichnen sich natürlich auch verantwortlich für die pünktliche Abfahrt der Fahrzeuge, die Überprüfung, ob alle Gäste anwesend sind, und die Busmoderation während der Fahrt. Außerdem sind Sie Ansprechpartner und Begleiter bei Stadtführungen, auf die Sie sich gründlich nach unseren Richtlinien vorbereiten müssen. Könn’ Sie sich das vorstellen?«

»Ja, im Grunde schon.«

»Dann machen wir doch einfach mal eine unbezahlte Probe-Gruppenreise, dann können Sie sehn, ob Sie da überhaupt das Zeuch zu haben, und wenn ja und unsere Gäste zufrieden sind, sprechen wir über Honorar und Vertrach.«

»Ich habe Ihnen doch noch gar nichts von mir erzählt. Wollen Sie nicht wissen, was ich …?«

»Nee«, meinte Herr Lottsieper, diesmal etwas ungeduldig. »Sie wirken nicht ungepflegt, haben ein freundliches Auftreten, da müssen Sie mir nich Ihre Lebensgeschichte erzählen. Kommen Sie morgen um 7:30 Uhr vormittags hier vorbei, und dann machen Sie Ihre erste Probefahrt nach Travemünde. Hier Ihre Unterlagen zur Vorbereitung.«

Damit überreichte Lottsieper Götz drei zusammengeheftete Blätter mit Informationen über Travemünde und ein loses Extrablatt mit einer kleinen Umgebungskarte, auf der die gewünschte Route von der Bushaltestelle ins Zentrum von Travemünde und zurück eingezeichnet war. Götz fühlte sich zwar mit diesem knappen Vorstellungsgespräch etwas überrumpelt, traute sich die Tätigkeit aber absolut zu.

»Passen Sie auf, guder Mann, ich erzähl ihn noch ’n schön’ Witz«, sagte Lottsieper zum Abschied wieder überraschend redselig. »Da kommt ein Mann frühmorgens nach Hause, möchte aufsberren, aber eine Frau im ersten Sdock sdeckt den Kopf sum Fenster raus und sacht: Mei Jung, wo willsu denn hin? Der Mann kuckt hoch und sacht: Ja, ich will nach Hause. Sacht die Frau: Du wohns aber nich hier.Oh,schuligung, sach der Mann und geht einmal um den kompletten Block. So. Isser fünf Minuten sbäter wieder vor der gleichen Tür und möchte aufsberren. Sach die Frau: Bissu schon wieder da? Er kuckt rauf, sacht: Enschuldiung, und schwankt in die entgegengesetzte Richtung, aus der er gekommen is. Nu geht er andersrum um den Block und landet zum dritten Mal vor der Tür. Die Frau wird allmählich ungehalten und brüllt: Hallo! Du wohns nich hier! Der Mann kuckt rauf und sacht erbost: Aber du wohns überall, oder?«

Montag, 5. April 1971


Köln, Spätvormittag

Dagmar lag neben Hartmut Hahn in einem Hotelzimmer in Köln, das er übers Wochenende gemietet hatte. Nach dem Interview im vergangenen Jahr waren sie noch kurz etwas trinken gewesen und hatten sich ein paar Tage später erneut verabredet. Danach hatten sie sich regelmäßig getroffen und waren ein Paar geworden.

»Ich möchte einen Film am Genfer See drehen«, flüsterte Hartmut in Dagmars Ohr. »Die Geschichte eines im Jahr 563 nach Christus stattgefundenen Erdrutsches.«

»Was du immer für spannende Ideen hast, Hartmut«, flüsterte sie zurück und küsste ihn auf die Stirn, obwohl sie diese Idee eigentlich nicht sehr spannend fand. Der Genfer See schien ihr nicht sonderlich aufregend, aber sie wollte, dass Hartmut zufrieden war, und wusste, was sie sagen musste, damit er sich bestätigt fühlte. Sie hatte neulich eine Radiosendung über den Regisseur Werner Herzog gehört, der einen Film im peruanischen Urwald plante. Dies schien ihr ein wirklich gewagtes und spannendes Projekt zu sein, ganz im Gegensatz zu einem, das die Sicherheit und den Komfort der Schweiz ausstrahlen würde. Herzog hatte im Interview behauptet, sein aktuelles Drehbuch innerhalb weniger Stunden geschrieben zu haben, was Dagmar schwer beeindruckt hatte.

»Weißt du«, sinnierte Hartmut weiter, »ich habe das Bedürfnis, etwas Extremes zu machen, würde gern eine als bürgerlich verschriene Schauspielerin in einer sehr bizarren Rolle inszenieren. Am liebsten würde ich mit Romy Schneider arbeiten.«

»Romy Schneider in einer extremen Rolle? Das wäre ja wirklich fast eine cineastische Revolution.«

»Ja, das reizt mich. Ich möchte die Zuschauer herausfordern. Und mich und meine Schauspieler auch. Bei mir wird keiner geschont.«

»Ach, komm, du bist doch im Inneren ein kleiner lieber Junge, der gar nicht so radikal ist, oder?«, spottete sie, nicht, ohne sich bewusst zu sein, dass ein Quäntchen Wahrheit in ihren Worten lag.

»Ich kann der kleine Junge sein, aber auch ein Wirbelwind«, antwortete Hartmut leicht eingeschnappt.

»Und wann willst du das drehen?«

»Vielleicht in einem halben Jahr.«

»Hast du schon ein Drehbuch?«

»Nein, aber ich werde es bald skizzieren. Das Ereignis ist ja historisch belegt, die Geschichte arbeitet bereits in mir, da ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich die Story entwickelt habe.«

Das Verhalten ihres Lebensgefährten und seine Art, über Projekte zu sprechen, waren ihr seit einigen Monaten ziemlich vertraut. Sie kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass die künstlerische Arbeit Teil seiner Bewältigungsstrategie war, um die eigenen Komplexe zu bekämpfen. Er war oft unsicher und anlehnungsbedürftig, hatte bei manchen Menschen Schwierigkeiten, sich durchzusetzen, und grübelte viel über die Existenz an sich nach, was ja nicht verkehrt war. Lieber grübeln als gar nicht nachdenken oder verdrängen, wie es Eberhard getan hatte.

»Hast du bei Romy Schneider schon angefragt?«

»Ich habe bei ihrer Agentur angerufen, aber noch keine Antwort erhalten. Es könnte im Zweifel an der Gage scheitern, ich glaube, sie hat da ziemlich unrealistische Vorstellungen.«

Hahn sprach in Momenten, in denen er seinen Worten gesteigerte Bedeutung verleihen wollte, immer betont leise.

»Nächste Woche bin ich zu Besuch bei meinen Eltern im Elsass. Dort werde ich mich an den Entwurf des ersten Manuskripts wagen.«

»Hast du da genügend Ruhe zum Schreiben?«

»Ich werde mir die Ruhe schon nehmen.«

»Und wenn du dieses Projekt in ein paar Monaten umsetzt, kann ich dann mitfahren?«

»Ich kann jede helfende Hand gebrauchen, es ist ein Mammutprojekt. Schon jetzt ist mir bewusst, dass es einer gewissen Portion Mut bedarf, sich zu erlauben, darüber nachzudenken …«

Dagmar sparte sich eine süffisante Bemerkung über den Genfer See mit all seinen luxuriösen Annehmlichkeiten. Sie merkte, dass sie sich in letzter Zeit eine merkwürdige Marotte zugelegt hatte: Sie konnte Menschen, die ihr nahestanden, nicht einfach so nehmen, wie sie waren, sondern musste ihre eigenen Erwartungen ständig mit dem Verhalten ihres Gegenübers vergleichen. Es war fast eine Sucht, die sie zwang, ihre Partner zu analysieren wie ein Psychologe, stets verbunden mit einem Aha-Erlebnis, das bei sich wiederholenden Verhaltensweisen in zwanghafte Gedanken umschlug, wie »Warum drückt er sich so gestelzt aus?«, »Warum muss er sich immer wiederholen?«, »Warum schaut er so unnatürlich drein?«. Sie mochte diese Reaktion bei sich selbst...



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