E-Book, Deutsch, 780 Seiten
Wolf Wellentrotz
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-347-64841-8
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 780 Seiten
ISBN: 978-3-347-64841-8
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wellentrotz schließt sich unmittelbar an die Ereignisse im Roman Sturmblicke an. Im Mittelpunkt steht Aifa, die Wächterin der Cita auf dem Exoplaneten Onda. Ein schlimmer Fehler bringt gravierende Veränderungen und Aifa muss sich entscheiden. Letztlich muss sie ihr Volk in die neue Heimat führen.
Der Autor, Jahrgang 1967, lebt in Sachsen-Anhalt. Bereits seit seiner Jugend verfasste er Gedichte und schrieb kleinere Geschichten. Ihn fesseln insbesondere fantastische wie auch geschichtliche Themen. Mit 'Sturmblicke' liegt nun sein Debütroman vor.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
II. 1. Jaloe war schmaler geworden, sie war auch stets in Bewegung: von der Stadt in das Norddorf, dann in den Süden und wieder zurück. Wie sie waren sämtliche Heiler immer beschäftigt. Denn die Nahrung musste für alle Cita halbiert werden. Es gab von allem nur noch die Hälfte, die Ernten fielen immer spärlicher aus. Die Unkräuter und Parasiten vernichteten ganze Felder; nur dort, wo die Käfer waren, gedieh das Korn, wuchsen die Früchte. Die Goklokherden wurden krank, die Jungtiere schwach und anfällig. Die Bestände in den nahen Bereichen der Küsten nahmen rasant ab, da die Cita nun intensiver fischten. Nur die Pilzkulturen in den Höhlen brachten die gewohnten Erträge, und die Lieferungen der Ibulien aus ihren schwebenden Gärten halfen weiter. Doch diese Nahrung vertrugen viele der Cita nicht, denn sie waren nicht imstande, bestimmte Inhalte zu verdauen. Das hatte Jaloe erst kürzlich festgestellt. Aufgrund der mangelhaften Ernährung wurden die Cita krank. Besonders die Kinder, Alten und Schwachen litten unter dem Hunger und der Eintönigkeit des Essens. So beschlossen die Fünf, den Kindern volle Rationen zu geben und sie bei den Alten einzusparen. Es gab keinen Tumult, keine Aufregung, die alten Cita willigten ein. Viele zogen dann in den Süden, das Dorf dort musste schnell provisorische Unterkünfte errichten. Khar und Indee halfen, wo sie konnten. Doch die Lage spitze sich zu, als eine Krankheit ausbrach, die sich geschwind verbreitete. Sie war nicht unbekannt, und gesunde Cita erholten sich nach fünf bis acht Zyklen, doch die geschwächten Alten erlagen immer öfter dem Leiden, das mit Husten und Atemnot einherging. Jaloe untersuchte bereits den vierzehnten Fall, doch eine Besserung war nicht in Sicht. Sie waren einfach zu geschwächt, ihre abgemagerten Körper vermochten nicht, der Krankheit zu widerstehen. Tränen rannen schon lange nicht mehr über ihr Gesicht. Alle auf der Insel litten, selbst die wilden Tiere, deren Anzahl auch schwand. Einzig Aifas Utron stolzierte über die Insel, fraß alles, was er finden konnte, ob lebendig oder schon tot. Auch Pflanzen verschlang er. Jaloe wunderte sich darüber, und ihr kamen Gielas Worte in den Sinn: „Irgendein Zauber geht von ihm aus.“ Damals hatte sie über die kindliche Bemerkung gelacht, doch nun musste sie selbst zweifeln. Da stimmte etwas nicht, oder die Wandu nährten ihn zusätzlich, und zwar auf eine ihr unbekannte Weise. Doch Zeit hatte sie nicht lange, um nachzudenken. Sie hörte schon wieder ihren Namen rufen und Schreie. Die nächste Cita war krank, die Symptome eindeutig. Zu helfen vermochte sie nicht, und zu trösten, fiel ihr immer schwerer. So ging die Zeit dahin, die Verzweiflung wuchs in den Kugelhäusern. Selbst die Fünf schleppten sich mehr, als sie liefen. In dieser Lage erreichte Jazua die Insel, der Hadun gab sie für längere Zeit frei. Beide Heilerinnen umarmten sich lange, als sie sich endlich in der Stadt begegneten. Jazua machte einen prächtigen Eindruck, sie war schlanker geworden. Das Kleid, das sie trug, war im Stil der Ibulien gefertigt. Die silberne Farbe stand ihr gut. „Du schaust gut aus, Jazua. Ich bin so froh, dass du da bist! Ich schaffe das nicht mehr allein. Die anderen helfen und erledigen sehr viel, doch ich trage mehr.“ „Daher bin ich gekommen, Jaloe. Ich hörte durch Kendron von der Situation. Ich habe mich damit beschäftigt, die Nahrung, die der Hadun euch sendet, zu untersuchen. Es muss einen Grund geben, warum wir sie nicht so gut vertragen. Ich habe viel probiert und etwas bemerkt.“ Sie griff in eine Tasche und nahm ein Fläschchen zur Hand. Als sie es öffnete, stieg Jaloe ein frischer Duft in die Nase. „Das ist ein Aufguss einer Pflanze, die die Ibulien Valku nennen. Sie wächst in ihren Gärten in großer Zahl. Sie trinken den Tee jeden Tag. Nun, ich habe es probiert. Der Geschmack ist gewöhnungsbedürftig für uns, aber seit ich das mache, ist mir nicht mehr unwohl, wenn ich esse. Ich habe daher kleine Pflänzchen mitgebracht. Sie brauchen nicht viel, etwas Sonnenlicht und ab und an einen Schluck Wasser, dann wachsen sie schnell. Die Blätter zupft man ab und trocknet sie, dann kann man sie zubereiten. Einfach mit Wasser übergießen und – und das ist sehr wichtig – nach drei Kurzzyklen den Tee abgießen und die Blätter entfernen. Sie kannst du dann wieder trocknen und verrotten lassen. Lässt du die Blätter länger drin, schmeckt es etwas säuerlich. Das ist nicht gut. Also, wir brauchen eine Stelle, um sie einzupflanzen.“ Jaloe dachte nach und antwortete: „Hinter der Säulenhalbkugel ist noch Platz, dort sollten wir sie einsetzen.“ Als die beiden Frauen fertig waren, standen sie stolz inmitten des kleinen Beetes. „Gib die Hoffnung nicht auf, Jaloe. Die Pflanzen werden wachsen, und vielleicht helfen sie, die Nahrung besser aufzunehmen. Dann fehlt nur noch Aifa.“ „Sie ist schon wieder so lange fort! Wenn Kendron und Dafa nicht wären, könnte uns niemand warnen. Sie ist eine Wächterin, die nie da ist“, resignierte Jaloe. „Du tust ihr unrecht. Was sollte sie denn machen? Sie hat die Käfer getötet, sie hat dies hier mitverursacht. Es war nur richtig, dass sie ging. Und dass sie uns führen wird nach Itrae. Das wäre sowieso irgendwann so weit gekommen, wir wissen das. Die Insel zu verlassen, wäre später notwendig gewesen“, entgegnete Jazua. „Jazua, was aber ist, wenn sie dort keine neuen Cita finden oder ein anderes Volk, mit dem wir uns mischen können? Und auch hier sind wir dann weniger, Paarungen werden dann noch seltener, kranke Kinder häufiger. Ich sehe das nicht so wie du.“ „Ja, aber wenn wir nicht gehen, dann ereilt uns das Schicksal, ob wir wollen oder nicht.“ „Ich habe mich immer wieder gefragt, ob wir nicht doch mit den Ibulien Kinder zeugen können. Aifa ist doch der Beweis, und was für einer!“, meinte Jaloe. „Ich habe bei ihnen die ganze Zeit geforscht, mich mit den Silbernen ausgetauscht. Keiner kann sich das erklären. Nur die Weißen sehen in Aifa eine Art Wunder. Sie meinen, es sei der Wille eines allmächtigen Denkers. Ist schon verrückt, was?“ Jaloe nickte ihr zu. „Und noch merkwürdiger ist: Die Weißen erzählen das dem Hadun. Ihr Anführer ist die ganze Zeit bei ihm und redet. Mir wäre schon längst der Kopf gesprungen bei so viel Gerede.“ 2. Sie näherten sich in einem gleichmäßigen und langsamen Flug der Heimat. Aifa sah schon die bekannten Umrisse der kleinen vorgelagerten Insel. Doch am westlichen Horizont zeigten sich nun schwarze Wolken. Sie bildeten ein langes Band, das sich rasch näherte. Als sie den ersten Blitz wahrnahm, wusste sie, dass sich eine Sturmfront näherte. Seine Richtung würde die Insel lediglich streifen, doch sie wären mit der Kugel mittendrin. Es gab kein Entrinnen, sie musste sich wappnen: „Es zieht ein Sturm auf. Verhalte dich ruhig, am besten, du setzt dich einfach auf den Boden!“ Der alte Feldar sah sich bestürzt um, konnte jedoch nichts erkennen und stöhnte: „Ich wusste, das Fliegen ist nichts für mich.“ Kaum sprach er die Worte, da erfasste die Vorhut des Sturmes die Kugel, riss sie nach oben mit und schleuderte sie vorwärts. Goran fiel um und mühte sich, sich aufzusetzen. Aifa gelang es nur mit größter Mühe, stehen zu bleiben und zu versuchen, die Kugel zu lenken. Sie reagierte nicht mehr auf ihre Befehle, sondern übergab sich vollends dem Willen des Sturmes, der nun seine vollständige Gewalt entfachte. Unter ihr bäumte sich das Meer widerborstig auf, zeigte wie zum Trotz seinen weißen Wellenschaum. Eine gewaltige Welle wuchs aus den Tiefen des Ozeans und rollte unter ihnen fort. Sie würde nicht auf die Insel treffen, doch dort, wo sie aufschlug, würde es eine unbändige Wucht ergeben. In seiner Mitte fiel die Kugel plötzlich ab und drohte, auf das Wasser zu stürzen. Aifa stemmte sich dagegen, versuchte, sie nach oben zu bewegen. Ihre Beine begannen vor Anstrengung zu zittern. Goran begann zu wimmern und rief: „Ich werde sterben, er wird uns in den Tod reißen. Hörst du, Aifa!“ Doch sie antwortete nicht, brauchte ihre ganze Konzentration. Um sie herum war nun alles schwarz, Blitze umspielten die Kugel, Regen donnerte an die Außenhülle, selbst Hagelkörner mischten sich in das Bombardement. Wieder griff ein Stoß zu, schleuderte sie nach rechts oben, dann nach links, nach oben und nach unten. Goran übergab sich und erbrach alles über Aifas Füße. Der Gestank füllte den Raum. Aifa wurde nun schwindelig. Benommen von dem beißenden Geruch, schien sie auch zu fallen. Doch sie riss sich hoch, stemmte die Beine in den Boden, rammte die Arme nach oben und atmete tief ein. Als Goran sie ansah, schaute er in das verschwommene Antlitz einer Kämpferin. Die violetten Augen funkelten, selbst durch den...