E-Book, Deutsch, 222 Seiten
Witt Künstliche Intelligenz: Transformation und Krisen in Wirtschaft und Gesellschaft
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-381-13073-3
Verlag: UVK Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 222 Seiten
ISBN: 978-3-381-13073-3
Verlag: UVK Verlag
Format: EPUB
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Prof. Dr. Frank H. Witt arbeitet von Deutschland und Malta aus als freier Autor, Dozent und Consultant im internationalen, Venture Capital finanzierten Projektmanagement an der Entwicklung von mit künstlicher Intelligenz unterstützten, hybriden Studien- und Trainingsprogrammen. Ausführlich: Prof. Dr. Frank H. Witt studierte Wirtschaftswissenschaften und Philosophie an der Bergischen Universität Wuppertal und forschte am dortigen Forschungsinstitut für Telekommunikation, am Instituto de Dirección y Organización de Empresas (IDOE) de la Universidad de Alcalá und dem Research Center For Advanced Sciences and Technology of the University of Tokyo. Nach einer akademischen Karriere in Deutschland, Wuppertal, Karlsruhe, Hannover und Berlin, sowie u.a. in London, Kairo und Windhuk war er als Chairman und Partner der Science, Consulting & Investment Ltd. SAR Hong Kong im internationalen Projektmanagement auf den Gebieten Wirtschaft, Technologie und Bildung tätig. Derzeit arbeitet er von Deutschland und Malta aus als freier Autor, Dozent und Consultant im internationalen, Venture Capital finanzierten Projektmanagement an der Entwicklung von mit künstlicher Intelligenz unterstützten, hybriden Studien- und Trainingsprogrammen. Seit 1987 publizierte er als Autor und Herausgeber eine Reihe von Büchern zu Themen der Management- und Organisationsforschung und mehr als 50 Fachartikel u.a. zu den Themen Organisation, Technologie und Management, Führung und Nachhaltigkeit, Anwendungen Künstlicher Intelligenz, Digitale Plattformen und Soziale Medien. https://www.linkedin.com/in/frank-h-witt-147a3985/
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1.3 Ohne grundlegende Kenntnisse der Funktionsweise der globalen Gegenwartsgesellschaft können die Wirkungen von KI nicht sinnvoll beurteilt werden
und wie Wirtschaft, Politik, Recht, Bildung und Wissenschaft sind eine andere Stufe und Form der Systembildung. Diese ist über biologische Prozesse und die Anpassung an die natürliche Umwelt durch zufällige genetische Veränderungen nicht zu erklären. Der moderne Mensch hat sich genetisch seit Zehntausenden von Jahren nicht wesentlich verändert. Kultur und Gesellschaft sowie das, was wir wissen (könnten), und die Maßstäbe bzw. Normen sozialen Handelns hingegen schon.
Dass KI Menschen dort ersetzen könnte, wo sie bisher als unersetzlich galten – nämlich in dem Raum zwischen uns, der Kommunikation – stellt auch die gewohnten Strukturen der globalen Gegenwartsgesellschaft und ihre Funktionsweise infrage:
„KI, die Bilder, Sprache und Text verstehen und generieren kann, wird alles verändern.“
Denn es gilt: Gesellschaft und soziale Funktionssysteme sowie die Institutionen und Organisationen, in denen sie sich - in Politik, Recht, Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft und Forschung - materialisieren, basieren auf Kommunikation und Veränderungen durch Kommunikation, die sich in Kultur und Technologie abbilden.
Darin stimmen wir mit dem eingangs neben Richard Feynman zitierten Geoffrey Hinton überein, der als einer der führenden Köpfe auf dem Gebiet der KI und der zugrunde liegenden Deep-Learning-Technologien gilt. Kaum jemand dürfte so viel von KI und ihren Möglichkeiten verstehen wie Hinton. Er wurde 2018 zusammen mit Yann LeCun und Yoshua Bengio für die Entwicklung von sogenannten Backpropagation-Algorithmen und Regularisierungstechniken mit dem Turing-Preis für Informatik ausgezeichnet. Diese Verfahren und Technologien sorgen dafür, dass Maschinen ähnlich wie Menschen lernen und denken können. Hinzu kommt der Nobelpreis für Physik, den Hinton 2024 zusammen mit John Hopfield aus anderen Gründen erhalten hat (dazu mehr in Kapitel 4). Backpropagation-Lernalgorithmen ermöglichen KI bereits jetzt, Probleme zu verstehen und zu lösen, indem sie Analogien bildet und kreativ ist (oder wie Menschen kreativ zu sein scheint). Dies wird möglich, indem biologische, neurologische Prozesse im Gehirn durch Software repräsentiert und nachgeahmt werden. Alle genannten Forscher wurden mit einigen der renommiertesten Wissenschaftspreisen der Gegenwart geehrt, weil sie einem Forschungsprogramm zum Durchbruch verhalfen, das der Namensgeber des Informatikpreises, Alan Turing, bereits in einem bahnbrechenden Artikel in der renommierten Zeitschrift im Jahr 1950 skizzierte.
Turing schlug sowohl einen empirischen Test vor, mit dem festgestellt werden kann, ob die Entwicklung von KI voranschreitet, als auch einen Weg, um die Entwicklung künstlicher Intelligenz zu beschleunigen. Demnach sei ein Programm zur Entwicklung von KI an der Imitation menschlicher Gehirnfunktionen und an der Epigenetik zu orientieren. Als geeignetes Vorbild nannte Turing die Entwicklung und von Kindern, ihrer geistigen Fähigkeiten, ihrer Intelligenz und ihrer Fähigkeit zu denken. Diese Fähigkeiten werden durch die genetisch festgelegte Entwicklung des Gehirns bestimmt und bei Kindern wie Erwachsenen durch Erziehung und Training erweitert; viele Fähigkeiten lernen Kinder jedoch auch ganz ohne pädagogische Kontrolle, nämlich selbstmotiviert aus eigener Erfahrung oder durch Kommunikation.
Bei KI geht es demnach um die , also um beides: Lernen durch systematisches Training sowie selbstmotiviertes Lernen, über das Streben nach Belohnung oder auch reine Neugier. Die als (GPT) entwickelten fortgeschrittenen Modelle von KI unterscheiden sich darin grundlegend von klassischen Computern, Großrechnern, Personal Computern, Laptops, Tablets und Mobiltelefonen. In der klassischen Informatik befolgen Computerprogramme lediglich von Menschen in Symbolsprache geschriebene Anweisungen – vorausgesetzt, Programme und Hardware sind nicht fehlerhaft oder wurden unbefugt manipuliert. Das traf allerdings nur zu, bevor KI bzw. sich als neue Basistechnologie im Internet, in der Medienwelt und künftig auch in sämtlichen Funktionssystemen der Gegenwartsgesellschaft etablierte (oder noch etablieren wird).
In der Öffentlichkeit sind die drei 2018 mit dem Turing-Preis ausgezeichneten Wissenschaftler Hinton, LeCun und Bengio seither als „Godfathers of AI“ bzw. „Paten der KI“ bekannt. Hinton trat vor Kurzem erneut ins Licht der Öffentlichkeit, weil er seine Tätigkeit als Forschungsdirektor für KI bei Google bzw. der Alphabet Holding aufgab. Er begründete dies damit, dass er – anders als Yann LeCun und andere Forscher, die weiterhin für große Digitalplattformen der Tech-Konzerne arbeiten – erhebliche Gefahren bei der Anwendung der zugrunde liegenden Technologie in Wirtschaft und Gesellschaft sieht. Zu fürchten seien nicht nur die Macht der Digitalkonzerne und die Interessen bzw. Absichten der Menschen hinter diesen Unternehmen, sondern auch, dass die Technologie selbst zur Gefahr für die Menschheit wird. Hinton sieht jedoch ebenso wie viele andere erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten für die globale Gegenwartsgesellschaft. Unterstützung bei der Bewältigung großer Krisen, die der Menschheit über den Kopf zu wachsen drohen, wäre durchaus willkommen. Das ist jedoch etwas, worauf wir erst am Ende dieses Buches hinweisen können. Hinton beeindruckt – wie viele andere Computerwissenschaftler, die sich mit KI beschäftigen – insbesondere die Leistungsfähigkeit des Gehirns im Vergleich zu klassischen Computern:
„Krähen können Probleme lösen, und sie verfügen nicht über eine Sprache. Sie tun dies nicht, indem sie Zeichenketten speichern und manipulieren. Sie tun es, indem sie die Verbindungen zwischen den Neuronen in ihrem Gehirn stärken. Daher muss es auch möglich sein, komplexe Dinge zu lernen, indem man die Verbindungsstärken in einem künstlichen neuronalen Netzwerk verändert.“
Die , die auf GPTs basierenden „Großen Sprachmodelle“ (Englisch: , LLMs) mit Bezeichnungen wie ChatGPT, Gemini, Perplexity, Claude oder Mistral sowie Metas leistungsfähige Llama open source Software – sowie ihre weniger bekannten asiatischen Pendants, wie Deepseek R1 (ebenfalls für alle einsehbare open source Software), überraschten im Januar 2025 mit großer Leistungsfähigkeit bei mathematischen und Logikproblemen trotz geringer Investitionen – beruhen auf Strukturen und Funktionen, die als neurale Netzwerke softwarebasierte Abstraktionen von Gehirnfunktionen nachbilden. Es liegt daher nahe, die Möglichkeit eines fundamentalen Wandels der modernen globalen Gegenwartsgesellschaft in naher Zukunft durch bzw. mit KI in Betracht zu ziehen.
Durch Training oder durch Wahrnehmung der natürlichen und sozialen Umwelt werden auch im menschlichen Gehirn Strukturen, insbesondere die Stärke und Anzahl der Verbindungen zwischen einzelnen Nervenzellen und Gruppen von Nervenzellen, verändert. Das geschieht im Verlauf der Entwicklung jedes Individuums, gesteuert durch den genetischen Code – Programme, die evolutionär in den Erbanlagen eines Menschen eingeschrieben sind – in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Säuglinge und Kleinkinder entwickeln erstaunliche Fähigkeiten, scheinbar mühelos und in kurzer Zeit: Sie lernen zu sehen, sich fortzubewegen und zu kommunizieren. Bereits Kleinkinder erwerben nicht nur Sprachkenntnisse, sondern auch grundlegende soziale Fähigkeiten wie das Hineinversetzen in andere Menschen und das Erkennen von Absichten. KI wird deshalb insbesondere als gefürchtet. Das ist einerseits nachvollziehbar, andererseits aber auch überaus erstaunlich – und wie wir heute wissen, kein Wunder. Alan Turing hatte dies als Grundlage für die Entwicklung von KI bereits früh erkannt.
Um KI und damit auch menschliche Intelligenz verstehen zu können, benötigen wir daher ein Grundverständnis der biologischen Evolution des Menschen, der Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft sowie jener Faktoren und Prozesse, die dabei eine entscheidende Rolle spielen.
KI-Skeptiker argumentieren in der Regel damit, dass KI und die zugrunde liegenden Technologien überschätzt werden. Zum einen deshalb, weil das immer so ist und zum anderen handele es sich lediglich nur um Computer-Technologie, die in Wirklichkeit nicht viel mit dem Menschen gemeinsam hat.
Bei den großen Sprachmodellen, LLMs, handele es sich nur um „stochastische Papageien“, die nicht wissen, was sie schreiben, sagen oder auch in der Form von generierten Bildern oder Videos auf eine Eingabe, englisch „Prompt“, antworten. Mit anderen Worten: Da steckt kein Geist dahinter. Tatsächlich ist im Gehirn aber auch niemand sonst zu...