E-Book, Deutsch, 264 Seiten
Wißmann / Pletzer Das Leben meistern
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7568-7589-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
mit Vergesslichkeit, 'Demenz' & Co.
E-Book, Deutsch, 264 Seiten
ISBN: 978-3-7568-7589-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sein Leben meistern und das Heft des Handelns in der Hand behalten, darum geht es in diesem Ratgeber. Er richtet sich an beide: an Menschen mit Vergesslichkeit & Co. oder mit einer 'Demenzdiagnose' (Frühbetroffene) und an zugehörige Personen. Er informiert, regt vor allem aber zur Selbstreflexion und zur gemeinsamen Auseinandersetzung mit der gegebenen Situation an, denn nur als Team kann es gelingen, sie positiv zu gestalten. Er stärkt das Selbstbewusstsein und die Selbsthilfekräfte der betroffenen Menschen und ihrer Zugehörigen. Er vereint langjährige berufliche Kompetenz mit der Kompetenz der 'Expertinnen in eigener Sache'. Er ist mehr als ein Ratgeber. Neben dem Buch bietet er eine digitale Wissensschatzkammer mit vertiefenden Informationstexten und hilfreichen Arbeitsblättern sowie die Möglichkeit, an Videotreffen teilnehmen, um sich mit anderen (betroffenen) Menschen auszutauschen und sein Wissen zu erweitern. Er bietet zudem Profis ein praxistaugliches Instrument für die Beratungs- und Unterstützungsarbeit.
Peter Wißmann ist Sozialpädagoge. Leiter von Team Wachstum aber der Lebensmitte. Buchautor. Ehemaliger Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter von Demenz Support Stuttgart.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 5 Erinnern & Vergessen
Warum beides dazugehört
Manche Menschen fürchten sich vor Vergesslichkeit, andere leiden darunter, weil es ihren Alltag beschwert. Wiederum andere schämen sich ihretwegen und versuchen sie zu verbergen. Vergesslichkeit scheint etwas Schlechtes zu sein. Verniedlichung ist sicherlich nicht angebracht. Dramatisierung jedoch auch nicht! Daher wollen wir in diesem Kapitel unseren Blick nüchtern und unaufgeregt auf eingeschränkte Gedächtnisleistungen werfen. Die Natur hat uns mit der Fähigkeit ausgestattet, Dinge zu vergessen. Könnten wir das nämlich nicht, würde unser Gehirn wie eine überreife Frucht zerplatzen. Wir sind tagtäglich so vielen Informationen und Eindrücken ausgesetzt, dass unser Gehirn ununterbrochen damit beschäftigt ist, den größten Teil davon wieder zu löschen. Dadurch läuft unsere interne „Festplatte“ nicht über und es wird Platz für Neues geschaffen. „Wir verteufeln das Vergessen geradezu. Jedes Mal, wenn wir etwas vergessen, versetzt uns das sofort in Panik, weil es ja ein Zeichen für Krankheit sein könnte. Dabei ist das Gedächtnis unser ganzes Leben lang abhängig vom Vergessen. Wir wollen uns an das Bedeutsame erinnern und alles andere vergessen. Leute, die an Syndromen leiden, die sie alles in Erinnerung behalten lassen, fühlen sich sehr beschwert“. Neurowissenschaftlerin Lisa Genova Siehe Seite ? (2) Bereits ab dem 30. Lebensjahr beginnt unsere Gedächtnisleistung langsam abzubauen. Das kennen wir auch von anderen Körperfähigkeiten. Ab dem 40. Lebensjahr nimmt das Gehirn an Masse ab. Im hohen Alter wird es um zehn bis fünfzehn Prozent kleiner geworden sein. Es kommt zu Veränderungen bei den Verbindungen zwischen den Nervenzellen, die man Synapsen nennt. Mit zunehmendem Alter ist es also recht normal, dass auch im Kopf nicht mehr alles so funktioniert wie ehedem. Gehirn & Gedächtnis im Alter
„Manche Dinge kann unser Gehirn im Alter weniger gut: Aufmerksamkeit, Orientierung und Konzentrationsfähigkeit sind nicht mehr so ausgeprägt wie mit 20, 30 oder 40 Jahren. Der Vergleich mit Kindern führt einem das besonders gut vor Augen. Sie saugen Wissen geradezu in sich auf. Selbst eine neue Sprache wird rasch und offenbar mühelos erlernt. Für ältere Menschen ist das mit größerer Anstrengung verbunden, neue Informationen werden vergleichsweise langsamer und selektiver verarbeitet. Im Alter arbeitet das Gehirn anders Das Alter birgt auch Vorteile: Ältere Menschen erscheinen uns häufig weiser als junge. Das hat damit zu tun, dass das Gehirn – eben weil es mit der Zeit langsamer arbeitet – vernünftiger reagiert und ältere Menschen häufiger beide Gehirnhälften nutzen. Sie können auch auf einen größeren Erfahrungsschatz zurückgreifen, denn das Langzeitgedächtnis bleibt bis ins hohe Alter stabil, genauso wie die Sprachfähigkeit und das Allgemeinwissen. Fluid und kristallin: Was steckt dahinter? Neben individueller Veranlagung liegt der Grund für diese Unterschiede in der Gehirnleistung zwischen Jung und Alt in den so genannten „Speed-Funktionen“ oder „fluiden Funktionen“: Dazu zählen schnelle Auffassungsgabe, Flexibilität und rascher Wissenserwerb. Schon ab dem 25. Lebensjahr werden diese fluiden Funktionen schwächer, zunächst ohne große Auswirkungen. Denn die „Power-Funktionen“ oder „kristallinen Funktionen“ bleiben erhalten und werden sogar noch stärker: Sie sorgen dafür, dass wir unser Wissen anwenden können. Sie umfassen Bereiche wie soziale Kompetenz, verbales Ausdrucksvermögen oder Fachwissen. Die kristalline Intelligenz ist bis ins hohe Lebensalter trainierbar und kann Defizite in anderen Bereichen ausgleichen.“ Siehe Seite ? (3) Lange Zeit hat man nur auf den kontinuierlichen Abbau von Nervenzellen im menschlichen Gehirn geschaut. Heute wissen wir, dass dieser zwar stattfindet, das Gehirn aber bis ins höchste Alter in der Lage ist, neue Nervenzellen und Verbindungen zu schaffen. Von dieser Neuroplastizität wird später noch die Rede sein. (Siehe: Seite ? ff.) Altersvergesslichkeit, von der Medizin auch leichte kognitive Störung genannt, kann schon nervig sein. Da verlegen Sie zum Beispiel dauernd Ihre Brille oder vergessen, dass Sie am Nachmittag einen Termin im Friseursalon haben. Die Nachbarin kommt zu Besuch und berichtet eine Viertelstunde lang das Neuste aus der Nachbarschaft. Durchaus interessant, denken Sie. Aber Sie können eine solche Informationsflut unter Umständen nicht mehr so gut verarbeiten wie früher. Eine andere Situation: Sie wollen Ihren Kindern am Telefon berichten, was Sie Schönes am Wochenende unternommen haben. Ja, schön ist es schon gewesen. Aber was genau haben Sie eigentlich getan? Es will Ihnen nicht mehr einfallen. Doch wie schlimm ist das alles? Muss man sich darüber dauernd grämen oder kann man eine solche Art von Vergesslichkeit durchaus akzeptieren und in sein Leben integrieren? 10 bis 15 Prozent der Menschen über 65 Jahren sollen immerhin von Altersvergesslichkeit betroffen sein. „Ich sage immer: Schlimmer ois oit wean is nit oit wean! Auf Hochdeutsch: Schlimmer als alt werden ist nicht alt zu werden! Das Alter bringt eine Menge Unannehmlichkeiten mit sich. Das Gedächtnis und manches Andere will nicht mehr ganz so. Aber es gibt auch jede Menge Chancen und Vorteile. Ich gehöre nicht zu denen, die jammern, sondern die das Beste draus machen und ich fahre sehr gut damit.“ Max Laimböck Sie werden sich sicherlich fragen, bis wann es normal ist, dass sich jemand etwas nicht merken kann oder etwas vergisst, und ab wann nicht mehr. Normalität zu bestimmen ist nicht ganz einfach, denn diese ist sehr individuell. Beni Steinauer aus Inzlingen ist früher ein Rechengenie gewesen. Als es ihm nicht mehr gelang, in seinem Job einfache Zahlenadditionen vorzunehmen, ahnte er, dass etwas nicht stimmte. Er lebt heute mit ausgeprägten neurokognitiven Störungen. Eine Person aus unserem Autorinnenteam hat Mathematik immer gehasst und konnte sich noch nie Zahlen merken: Keine Telefonnummer, keine Hosengröße, keine statistische Zahl. Bei jedem Test würde sie jämmerlich versagen. Aber anders als bei Beni wäre das für sie normal und kein Grund zur Beunruhigung. Denn es ist ja noch nie anders gewesen! Im Alter ist Vergesslichkeit nichts Ungewöhnliches. Aber es wäre falsch, eingeschränkte Gedächtnisleistungen allein mit dem Alter oder dem Alterungsprozess in Verbindung zu bringen. Vergesslichkeit, Gedächtnisprobleme und Konzentrationsstörungen können sehr vielfältige Ursachen haben. So können verschiedene organische Krankheiten dahinterstecken. Beispiele wären Schilddrüsenerkrankungen, Nierenschwäche, Leberversagen, Blutarmut oder Herzschwäche. Auch die Behandlung von Krankheiten könnte ein Verursacher sein. Das gilt für Krebstherapien, Narkosen und eine Reihe von Medikamenten. Genannt seien hier beispielhaft Beruhigungsmittel, Schlafmittel, Schmerzmedikamente oder Antiepileptika. Falls Sie (oder eine Ihnen nahestehende Person) mit Gedächtnisproblemen zu tun hat, prüfen Sie doch einmal, ob eine der folgenden Umstände auf Sie zutrifft. Person mit Vergesslichkeit & Co.
Sind Ihre Lebensumstände von Stress geprägt? Sind sie oft müde und erschöpft und haben Sie mit Schlafstörungen zu kämpfen? Ist ihre tägliche Flüssigkeitszufuhr unzureichend? Ernähren Sie sich ausreichend und gesund oder könnte ein Nahrungsmangel vorliegen? Ist der Genuss von Alkoholika moderat oder doch ein wenig darüber hinaus? Das und vieles mehr kann negative Auswirkungen auf Ihre Gedächtnisleistung und Ihre Konzentration haben. Insbesondere Stress wird oft als Auslöser und Ursache unterschätzt – dabei gibt es zahlreiche Stressfaktoren, die sich auf Ihr Leben und Ihre Gesundheit auswirken. So zum Beispiel beruflicher Stress, der jedoch für die meisten spätestens im Alter entfallen dürfte. Zu berücksichtigen sind Spannungen in der Beziehung zur Partnerin oder zu den Kindern, Angst vor der Zukunft, materielle Sorgen oder Ärger mit Nachbarinnen, Freundinnen oder Behörden. Psychische Ursachen spielen in vielen Fällen eine große Rolle, so zum Beispiel depressive Verstimmungen und Erkrankungen. Wir sehen: Gedächtnisprobleme können – abgesehen vom normalen Altersprozess – zahlreiche Ursachen haben. Das können Krankheiten, aber auch belastende Lebensumstände und Verhaltensweisen sein. Diese Ursachen sollte man sich genau anschauen und wenn nötig mit Unterstützung von Fachleuten abklären. Das werden meistens Medizinerinnen und Psychologinnen sein. Doch auch Vertreterinnen anderer Berufsgruppen, zum Beispiel Ernährungsberaterinnen, können ihren Teil zum...