E-Book, Deutsch, 320 Seiten
Winter Under the Moon
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7526-3820-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gefangen
E-Book, Deutsch, 320 Seiten
ISBN: 978-3-7526-3820-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wo ist dein Platz in einer Welt voller Monster? Im England des 19. Jahrhunderts dominieren die eitlen Nobils die Welt der Werwölfe. Die strenge Untergliederung nach Fellfarben bestimmt den Platz in der Hierarchie. Nur die Wölfin Maya Black scheint keiner Rasse anzugehören. Als Außenseiterin schlägt sie sich allein durch und lässt niemanden an sich heran. Doch als die Nobils sie gefangen nehmen und ihr ein Leben als Sklavin in einer Welt voll Demütigung und Unterdrückung droht, setzt die freiheitsliebende Maya alles daran, aus ihren Ketten auszubrechen. Aber ihr Unterfangen scheint aussichtslos, als sie an den verschlossenen Ethan verkauft wird. Die Schlinge um ihren Hals zieht sich Tag für Tag weiter zu. Um aus ihrem Gefängnis auszubrechen, benötigt sie all ihre Kräfte - und muss hinter Ethans kalte Maske blicken...
Maria Winter, 1997 geboren, ist gelernte Verwaltungsfachangestellte und lebt mit ihrem Partner in einem beschaulichen Örtchen im Thüringer Wald. Schon in der Grundschulzeit verbrachte sie ihre mehr oder weniger arbeitsfreien Minuten in der Schulstunde kritzelnd an kleinen, noch ziemlich ungefährlichen Geschichten über ihre Lieblingsnachtwesen. Während in der Regelschule in der Twilight - Phase alle anderen den Vampir anschmachteten, wollte sie am liebsten mit dem Werwolf durch den Wald streifen. Auf ihrem Instagramprofil mariasbuecherbox postet sie regelmäßig über ihre Lieblingsbücher und ihre verfassten Rezensionen dazu.
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1. KAPITEL
NORDENGLAND,1874
Deans Worte hallten in meinen Ohren nach, während ich mir auf Dragons Rücken einen Weg durch den Schneesturm bahnte. Der Hengst stieß ein extrem langgezogenes Schnauben aus und ich wuschelte durch seine wilde schwarze Mähne, um ihn wenigstens eine kleine Weile bei Laune zu halten. »Es ist verdammt kalt, ich weiß«, sagte ich mitfühlend, obwohl mir selbst die Kälte wenig anhaben konnte. Die flaumartigen Schneeflocken, die im Sekundentakt auf meine Wangen wirbelten, hinterließen ein angenehm kühles Gefühl auf meiner Haut. Die gesenkte Kälteempfindlichkeit als Werwolf, egal ob in animalischer Gestalt oder in menschlicher, stellte sich immer wieder als vorteilhaft heraus. Nur selten kam es vor, dass eisige Temperaturen mir etwas anhaben konnten. Dafür, dass das britische Festland selbst zu dieser Jahreszeit für seine milden Temperaturen bekannt war, hatte es mein erster Winter auf der Insel allerdings ganz schön in sich. Eisiger Wind blies uns entgegen. Auf den freien Flächen zwischen den Hügeln gab es so gut wie keinen Schutz vor dem winterlichen Orkan, geschweige denn gegen den starken Schneefall, der wasserfallartig vom grauweißen Himmel herabstürzte. Mittlerweile war es elf Jahre her, dass Dean jene Worte zu mir gesagt hatte, doch sie schwebten nahezu jeden Tag durch meine Gedanken und mahnten mich zur Vorsicht. Es war unsere letzte Begegnung gewesen und sie hatte sich für immer in meine Erinnerung eingebrannt. Einer der Gründe, weshalb ich auch heute abseits der gängigen Wege unterwegs war. Du musst dich von ihnen fernhalten, hatte er mich damals gewarnt. Menschen und Werwölfe können schrecklich sein. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Vorstellung davon, wie schrecklich sie sein konnten. Nach all dem, was ich im vergangenen Jahrzehnt als Werwolf erlebt und gesehen hatte, schien das Wort schrecklich nicht auch nur im Entferntesten auf diese Kreaturen zuzutreffen. Er hätte sagen sollen: Menschen und Werwölfe konnten blutrünstig, trügerisch, verräterisch und mordlüstern sein. Sie fanden Gefallen daran, andere zu Tode zu foltern, sie zu schänden und zu missbrauchen. Sich gegenseitig auf unerträgliche Weise zu quälen. Leider hatte ich derartige Wesenszüge viel zu oft und viel zu deutlich an ihnen feststellen müssen. Ich musste daran denken, wie ich in meinem ersten Jahr als Werwolf von einigen Dorfbewohnern nahe des Rheins fälschlicherweise für eine Hexe gehalten worden war und mir daraufhin der Prozess gemacht werden sollte. Nur mit Glück hatte ich mir den Weg kurz vor dem Scheiterhaufen freikämpfen können. Seitdem war ich wachsamer geworden, auch in Bezug auf menschliche Siedlungen. Von meinen Erfahrungen mit anderen Werwölfen ganz zu schweigen … Ich musste zugeben, die Sache mit dem Fernhalten war lange nicht meine Stärke gewesen, obwohl ich mich stets bemüht hatte, einen weiten Bogen um jegliche Lebewesen zu machen. Abseits der gängigen Wege, mit Schlafplätzen im Wald und ohne Bekanntschaften, ließ es sich am einfachsten leben. Nicht, dass Letzteres für mich überhaupt eine Rolle spielte. Plötzlich blieb Dragon stehen. Seine Ohren bewegten sich nervös in alle Richtungen. Ich seufzte, nahm die Kapuze meines schwarzen, eingeschneiten Umhanges ab und schloss die Augen, um mich besser auf die Geräusche meiner Umgebung zu fokussieren. Dabei tätschelte ich beruhigend Dragons Hals. »Schon gut. Ist schon gut.« Unter meinen kalten Händen machte sich eine angenehme Wärme breit. »Ich höre sie auch«, sagte ich leise und konzentrierte mich auf die lauter werdenden, merkwürdigen Geräusche. Der am Boden liegende Schnee gab knautschende Laute von sich, ein animalisches Schnaufen ertönte, gefolgt von einem Räuspern. Meine Augenlieder flogen auf. »Sie sind hinter uns.« Fünfzehn, vielleicht zwanzig … Menschen? Nicht in diesem Gebiet. Es ist so gut wie menschenleer. Möglicherweise befinden sie sich auf der Durchreise? Nein, nicht heute. Kein Mensch würde sich bei diesem Wetter vor die Tür wagen. Es gab nur eine logische Erklärung. Und diese war die denkbar schlechteste von allen. Nobils. Auf der Reise zu einer anderen Burg? Oder auf der Rückreise von einer … erfolgreichen Jagd? Bei dem Gedanken breitete sich ein säuerlicher Geschmack in meinem Mund aus. Wie ich ihre kranke Vorstellung einer Jagd doch verabscheute. Dabei waren keine Tiere das Ziel. Sondern Werwölfe. Um genauer zu sein Luminos – Werwölfe, deren Fellfarbe die gleiche war wie meine. Eine weitere Windböe erfasste mich und trieb meinen viel zu kräftigen Wolfsgeruch direkt in ihre Richtung. Äußerst ungünstig. Schnell setzte ich die Kapuze wieder auf, obwohl mir bereits klar war, dass es nichts mehr nützen würde. Zu spät. Vielleicht würden sie trotzdem keine Notiz von mir nehmen. Oder sie würden mich ignorieren und weiterziehen? Das glaubst du doch selbst nicht, brummte eine penetrante Stimme in meinem Schädel. Nein, tat ich nicht. Es würde ihnen nicht sehr ähnlichsehen. Nicht, wenn ein möglicher Sklave ihren Weg kreuzte. Ich wog mein begrenztes Kontingent an Möglichkeiten ab. Zu fliehen wäre das Beste. Jedoch hatte Dragon schon Schwierigkeiten, durch den tiefen Schnee voranzukommen, und bei mir würde das sicher nicht anders aussehen. Ein schnelles Davonkommen konnte ich mir also aus dem Kopf schlagen. Außerdem würde ich mich mit diesem Verhalten sofort verraten. Nur potenzielle Sklaven flohen vor Nobils. Ich berührte den hölzernen Griff meines Kurzschwertes, welches in seiner Scheide an Dragons Satteltasche ruhte. Es war kein filigraner Degen, wie es um diese Zeit Mode war, sondern ein echtes Schwert mit einer breiten, messerscharfen Klinge. Einer sehr tödlichen Klinge. Kämpfen war eine weitere Möglichkeit. In all den Jahren hatte ich ziemlich viel Erfahrung darin gesammelt. Meistens unfreiwillig. Allerdings würden sie in einer übermächtigen Überzahl sein, wie ich bereits anhand der Fülle ihrer Geräusche ausgemacht hatte. Kämpfen wäre sinnlos, auch wenn ich mir das nur ungern eingestand. Ich machte Pferde aus, die sich mir näherten. Die Stimmen ihrer Reiter wurden mit jedem Meter lauter und deutlicher. »Sie kommen«, flüsterte ich, rieb noch einmal über Dragons Hals und richtete mich in dem Sattel auf. Der Moment, der mir die minimale Chance einer Flucht geboten hatte, war verstrichen. Da war noch die Idee, mir ein Versteck zu suchen, in dem sie mich inmitten des Schneesturmes nicht aufspüren konnten. Doch um mich herum gab es nichts als kahle Ebenen. Nicht unbedingt die besten Bedingungen, mich unsichtbar zu machen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als auf das Beste zu hoffen und vor allem eine gute Portion Glück zu haben. Ein schiefes Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Glück zu haben zählte nicht gerade zu meinen Stärken. Die Fremden ritten um mich herum und stoppten ihre Pferde in meiner Nähe. Durch meine weit nach unten gezogene Kapuze erhaschte ich nur einen Blick auf die Fesseln der Tiere. Aber mehr musste ich nicht sehen. Werwölfe. Ganz sicher. Ihr Geruch drang in meine Nase. Selbst in ihrer menschlichen Gestalt ging ein unverkennbarer Duft nach frischem Nadelwald und umherstreifendem Wolf von ihnen aus. Dragon schnaubte und bewegte den Kopf auf und ab. Ich hatte ihn monatelang trainiert. Er war an die Existenz von Werwölfen, egal ob in ihrer menschlichen oder animalischen Gestalt, gewöhnt und hatte schon vor etlichen Jahren die natürliche Furcht vor uns verloren. Jedoch schien auch er die ins Negative umschlagende Atmosphäre zu bemerken. »Ihr da? Wer seid Ihr und was macht Ihr bei diesem Wetter ganz allein hier draußen?«, rief mir eine tiefe, männliche Stimme zu. »Ich bin auf der Durchreise«, entgegnete ich knapp. Hinter mir hörte ich das Rascheln von stählernen Kettengliedern. Aus Erfahrung wusste ich, es gab nur einen einzigen Grund dafür. Sklaven. Adrenalin schoss durch meine Adern. Das war der Beweis. Nobils. Es sind Nobils! »Auf der Durchreise, soso.« Die Stimme des Mannes triefte vor Misstrauen. »Ich frage Euch jetzt noch einmal, wer Ihr seid, und Ihr werdet mir gefälligst antworten!« Ihr werdet antworten, schwappten seine Worte in Form kleiner Wellen durch meine Ohren. Noch ein Indiz dafür, dass es sich um Nobils handelte. Kein Mensch sprach sich in der heutigen Zeit mit dieser formellen Anrede an. Sie war als Relikt aus dem Mittelalter hängengeblieben. Aus der Zeit, in der einige Werwölfe ganze Dörfer in Angst und Schrecken versetzt hatten und andere sich immer weiter von diesem grausigen Bild entfernt hatten, indem sie Stück für Stück die Gebräuche und Gepflogenheiten aristokratischer Menschen übernahmen. Allen voran die Nobils. »Ich bin...