E-Book, Deutsch, Band 96, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
Winter Lore-Roman 96
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7517-0839-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Gundas Flucht aus dem Elternhaus
E-Book, Deutsch, Band 96, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
ISBN: 978-3-7517-0839-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Gunda von Wöhrmann wünscht sich ein normales Leben, sie möchte keine feine junge Dame mehr sein. Alle meinen es gut mit ihr, jeder Wunsch wird ihr erfüllt, bevor sie ihn noch äußern kann. Sie hat alles, was ein Mensch sich nur wünschen kann - nur keine Freiheit. Die Eltern begreifen nicht, dass sie in einem goldenen Käfig lebt. Sie ahnen nicht, dass Gunda manchmal drauf und dran ist, einfach fortzulaufen, irgendwohin, wo man sie nicht kennt, wo sie nicht die reiche verwöhnte Tochter von Johannes von Wöhrmann ist, sondern nur ein junges Mädchen.
Als Gunda zufällig mitanhört, dass sie schon bald verheiratet werden soll, bittet sie ihren Vater unter einem Vorwand um einen Scheck. Noch in der Nacht packt sie ihren Koffer, hinterlässt einen Abschiedsbrief und schleicht sich aus dem Haus. Am Bahnhof angekommen, nimmt sie den erstbesten Zug. Als sie am folgenden Tag den Scheck bei der Bank einlösen will, ist er gesperrt. Man hat ihre Flucht bemerkt und will sie so zur Rückkehr zwingen. Ist Gundas Abenteuer beendet, bevor es überhaupt richtig begonnen hat?
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Gundas Flucht aus dem Elternhaus
Roman um ein Mädchenschicksal
Von Helga Winter
Gunda von Wöhrmann wünscht sich ein normales Leben, sie möchte keine feine junge Dame mehr sein. Alle meinen es gut mit ihr, jeder Wunsch wird ihr erfüllt, bevor sie ihn noch äußern kann. Sie hat alles, was ein Mensch sich nur wünschen kann – nur keine Freiheit. Die Eltern begreifen nicht, dass sie in einem goldenen Käfig lebt. Sie ahnen nicht, dass Gunda manchmal drauf und dran ist, einfach fortzulaufen, irgendwohin, wo man sie nicht kennt, wo sie nicht die reiche verwöhnte Tochter von Johannes von Wöhrmann ist, sondern nur ein junges Mädchen.
Als Gunda zufällig mitanhört, dass sie schon bald verheiratet werden soll, bittet sie ihren Vater unter einem Vorwand um einen Scheck. Noch in der Nacht packt sie ihren Koffer, hinterlässt einen Abschiedsbrief und schleicht sich aus dem Haus. Am Bahnhof angekommen, nimmt sie den erstbesten Zug. Als sie am folgenden Tag den Scheck bei der Bank einlösen will, ist er gesperrt. Man hat ihre Flucht bemerkt und will sie so zur Rückkehr zwingen. Ist Gundas Abenteuer beendet, bevor es überhaupt richtig begonnen hat?
»Binden Sie bitte den Schal um.« Streng schaute Aline auf das junge entzückende Mädchen in der Diele. »Sie wissen doch, dass Sie sich vor Erkältungen hüten müssen.«
»Aber es ist so warm«, protestierte Gunda von Wöhrmann. »Kein anderes Mädchen läuft jetzt mit einem Schal herum.«
»Sie sind auch nicht wie die anderen«, belehrte Aline sie. »Wenn ich daran denke, was für ein zartes Mädelchen Sie immer waren ...« Ihr Gesicht wurde weich, als sie sich erinnerte. »Kein Mensch hat gedacht, dass Sie am Leben bleiben würden.«
»Ich weiß, dass ihr alle furchtbar viel für mich getan habt, aber ...«
»Und deshalb werden Sie den Schal umbinden. Und schließen Sie den obersten Knopf ihres Kostüms.« Aline seufzte. »Wenn wir nicht alle so auf Sie aufpassen würden ... Sie sind viel zu leichtsinnig, Fräulein Gunda.«
»Also gut, ich binde den Schal um«, resignierte das Mädchen.
»Ihre Frau Mutter wird gleich herunterkommen. Wie froh können Sie sein, dass sie sich immer Zeit nimmt, mit Ihnen zusammen einzukaufen. Die meisten Mütter sind viel zu gleichgültig dazu. Und man sieht es ihren Töchtern an. Wie die manchmal herumlaufen!« Die gute Aline schüttelte bekümmert den Kopf. »Wenn Sie mich fragen, viele sehen einfach schamlos aus, richtig schamlos.«
»Ich möchte gern einmal allein einkaufen«, sagte Gunda leise.
Aline bekam schmale Lippen.
»Nein, das wäre gar nicht gut. Sie wissen nicht, was Ihnen steht.«
»Diese Blue Jeans sind seit Jahren modern ... Sie sollen sehr praktisch sein ...«
»Ein anständiges Mädchen trägt solche Hosen nicht!« Alines Doppelkinn begann vor Empörung zu zittern. »Zu meiner Zeit hätte man Mädchen, die so herumlaufen, nicht angeschaut.«
»Aber viele tragen doch solche Hosen.«
»Weil sie einfach nicht wissen, was sich gehört. Für Sie kommt so etwas nicht infrage, Fräulein Gunda. Schließlich sind Sie eine junge Dame und nicht eine ... na ja, Sie wissen schon.«
Jetzt war es Gunda, die seufzte, und ihr Seufzer war nicht gespielt.
»Manchmal habe ich gar keine Lust, eine junge Dame zu sein. Wie gern wäre ich zur Schule gegangen ...«
»Sie wissen, dass es unmöglich war, Fräulein Gunda, Sie waren viel zu zart. Und Sie haben den besten Privatunterricht erhalten, den man nur bekommen kann. Ihre Eltern haben wirklich keine Kosten gescheut, um Ihnen eine ausgezeichnete Erziehung zu geben.«
»Ich habe keine Freundin ...«
»Andere auch nicht. Das sind alles nur flüchtige Bekannte. Glauben Sie mir, Sie haben nichts versäumt. Und wenn Sie erst verheiratet sind und Kinder haben ...« Sie lächelte in Gedanken an die Kinder. »Ich sollte ja eigentlich noch nicht darüber sprechen ... aber trotzdem müssen Sie wissen, dass sich da etwas tut. Ich habe zufällig gehört, wie Ihre Eltern darüber sprachen.«
»Worüber?«, fragte Gunda alarmiert.
»Über Ihre Ehe. Bestimmt haben sie Ihnen einen guten Mann ausgesucht.«
»Man will mich verheiraten?«, fragte Gunda atemlos. »Das kann nicht wahr sein ...«
»Nun sehen Sie nicht gleich so entsetzt aus, ein Mann ist schließlich kein Ungeheuer, jedenfalls braucht er es nicht zu sein«, schränkte sie ein. »Und auf das Urteil Ihrer Eltern können Sie sich verlassen. Bestimmt hat Ihr Herr Vater den jungen Mann auf Herz und Nieren geprüft. Heutzutage wird viel zu viel von Liebe geredet.« Alines Ton verriet, wie wenig sie davon hielt. »Im Leben kommt es auf Wchtigeres an. Ein Mann muss beständig sein, Charakter haben, gut verdienen ... Die Liebe kommt dann ganz von selbst.«
»Sie haben mir noch nichts davon gesagt ...« Gunda starrte vor sich hin. »Ich glaube, Sie irren sich auch, Aline. Ich meine ... ich bin doch noch so jung ...«
»Sie sind im gerade im besten Alter zum Heiraten. Darüber würde ich mir an Ihrer Stelle gar keine Gedanken machen, Fräulein Gunda. Überlassen Sie das alles nur Ihren Eltern, die wissen schon, was gut für Sie ist.«
»Ihr behandelt mich noch immer wie ein Wickelkind«, klagte die junge Dame. »Wann werdet ihr endlich einsehen, dass ich meinen Kinderschuhen entwachsen bin? Nie darf ich tun, was ich will, alles wird mir vorgeschrieben ...« Sie war nahe daran, in Tränen auszubrechen.
Völlig verständnislos schaute das Faktotum des Hauses sie an.
»Sie versündigen sich, Fräulein Gunda«, äußerte sie dann im Brustton der Überzeugung. »Sie sollten dankbar sein für alles, was man für Sie tut. Vielleicht liegt es am Wetter, dass Sie so nervös sind. Ich glaube, es gibt heute noch ein Gewitter. Irgendetwas liegt in der Luft.«
»Ich führe ein völlig nutzloses Leben«, sagte Gunda. »Für euch bin ich nichts weiter als eine Sache. Ein hübscher Gegenstand, den ihr pflegt und hütet, aber kein Mensch. Das ist manchmal nicht zu ertragen.«
»Ich höre einfach nicht zu, wenn Sie so sprechen«, behauptete Aline würdig. »So etwas möchte ich nicht mehr hören.«
Trostlos starrte Gunda von Wöhrmann vor sich hin. Alle meinen es gut mit ihr, jeder Wunsch wurde ihr erfüllt, bevor sie ihn noch äußern konnte. Sie hatte alles, was ein Mensch sich nur wünschen konnte – nur keine Freiheit.
Und die andern begriffen nicht, dass sie in einem goldenen Käfig lebte. Sie verstanden einfach nicht, dass sie manchmal aufbegehrte und drauf und dran war, einfach fortzulaufen, irgendwohin, wo man sie nicht kannte, wo sie nicht die reiche verwöhnte Tochter von Johannes von Wöhrmann war, sondern nur ein junges Mädchen.
»Ihre Frau Mutter.« Aline lächelte Dagmar von Wöhrmann entgegen, die die Treppe herunterkam, eine Dame vom Scheitel bis zur Sohle. »Gunda ist fertig«, meldete sie.
»Vielen Dank.« Frau Dagmar bedachte den guten Geist des Hauses mit einem freundlichen Lächeln, bevor sie ihre Tochter prüfend musterte. Was sie sah, stellte sie offenbar zufrieden.
»Ich möchte auch meinen Führerschein machen.« Gunda starrte verbissen durch die Windschutzscheibe nach vorn. Ihre Mutter saß am Steuer und tat so, als hätte sie die Bemerkung überhört. »Darf ich mich anmelden?«
»Nein«, erwiderte Frau Dagmar freundlich, aber ihr Ton ließ dennoch keinen Zweifel offen, dass es für sie über diesen Punkt keine Diskussionen gab.
»Andere in meinem Alter haben längst einen Führerschein.«
»Du könntest kein Auto steuern, liebes Kind. Autofahren ist kein Vergnügen, sondern eine ausgesprochene Belastung der Nerven. Und wozu brauchst du einen Führerschein? Schließlich habe ich einen, dein Vater, und wenn wir keine Zeit haben, kannst du dir jederzeit ein Taxi nehmen. Du brauchst noch keinen Führerschein.«
»Ihr wisst immer genau, was ich brauche und was ich nicht brauche.«
»Jawohl, das wissen wir«, bestätigte ihre Mutter ungerührt. »Bist du heute Morgen mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden?«, fragte sie mit freundlicher Nachsicht. Als sie kurz zur Seite schaute, sah sie ein verbissenes junges Gesicht.
»Ich habe manchmal einfach keine Lust mehr, so weiterzuleben«, gestand Gunda. »Nichts darf ich tun, für alles bin ich zu schwach oder zu unbegabt.«
»Du musst auf deine Gesundheit Rücksicht nehmen, vergiss das nicht. Du bist eine Frühgeburt gewesen.«
»Das ist schon lange her. Inzwischen bin ich erwachsen. Und was andere können, kann ich auch.«
»Nein. Für dein Alter bist du sehr zart. Du musst sehr darauf achten, dich nicht zu überanstrengen.«
»Das brauche ich...




