Winter | Lore-Roman 35 - Liebesroman | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 35, 64 Seiten

Reihe: Lore-Roman

Winter Lore-Roman 35 - Liebesroman

Vor verschlossenen Türen
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7325-6856-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Vor verschlossenen Türen

E-Book, Deutsch, Band 35, 64 Seiten

Reihe: Lore-Roman

ISBN: 978-3-7325-6856-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Vor verschlossenen Türen - Ein Herz zwischen Hoffen und Bangen

Frau Juttas Blick bleibt auf dem gerahmten Foto auf der Anrichte hängen. Es zeigt einen jungen Mann in Uniform. Für sie ist es die einzige Erinnerung an den Vater ihres Sohnes, von dem sie nur den Vornamen kennt. Mehr ist nicht nötig gewesen, damals in der Nacht nach dem schrecklichen Luftangriff, als sie das Überleben feierten. Nur diese wenigen Stunden haben sie verbracht, nach dem Krieg hat sie vergeblich nach Olaf gesucht.
Und nun treten siebzehn Jahre danach zwei Menschen auf sie zu und behaupten, Juttas Sohn sei ihr Enkel. Er sei seinem verschollenen Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Natürlich wollen sie den Enkel zu sich auf das Familiengut holen, schließlich sei er ein echter Nienburg.

Doch die Mutter darf nicht mehr in Erscheinung treten. Eine Klavierlehrerin aus einfachen Verhältnissen passt für das Grafenpaar nun mal nicht in die höheren Kreise. Um nichts auf der Welt will Jutta auf ihren geliebten Jungen verzichten, doch sie weiß, was man ihm im Schloss alles bieten kann. All das, wovon er immer träumt. Und so bringt sie ein weiteres Opfer, das größte überhaupt: Sie lässt ihren Sohn ziehen, in eine Welt, deren Türen ihr für immer verschlossen bleiben ...

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„Verwöhnen Sie den Jungen nicht zu sehr?“, fragte Hanna Helfrich mit nachsichtigem Lächeln, als Jutta Reichenbach die teuren Weintrauben kaufte. Sie stand neben ihr beim Gemüsehändler, eine nette, freundliche Frau, mit der sich Jutta sehr gut verstand. Sie wohnten in einem Haus zusammen, Frau Helfrich eine Etage über Jutta Reichenbach.

Frau Jutta lächelte wie um Entschuldigung bittend.

„Eigentlich sind sie zu teuer“, stimmte sie zögernd zu, „aber Olaf mag sie nun einmal so gern.“

„Es ist schwer, ihn nicht zu verwöhnen“, äußerste Frau Helfrich und seufzte, als täte es ihr leid. Dabei war sie diejenige, die dem aufgeweckten, netten Jungen häufig Leckereien und Obst zusteckte.

„Er muss auf so viel verzichten …“ Einen Moment senkte Jutta Reichenbach den Kopf. Aber wirklich nur einen Moment, denn es lag ihr nicht, sich selbst zu bedauern.

„Er hat doch Sie“, erwiderte Frau Hanna schlicht.

Eine zarte Röte ergoss sich über das Gesicht der jungen Frau und ließ es direkt mädchenhaft erscheinen. Wer sie ansah, konnte einfach nicht glauben, dass sie die Mutter eines siebzehnjährigen Sohnes sein konnte.

„Nur mich“, erinnerte Frau Jutta leise.

„In Ihrem Falle ist das mehr als genug“, erklärte Hanna Helfrich resolut. „Was Sie alles für den Jungen getan haben …“

„Er ist ohne Vater aufgewachsen“, erinnerte Jutta.

„Das ist schließlich nicht Ihre Schuld. Der verdammte Krieg.“ Frau Hannas Stimme klang bitterböse. „Hoffentlich erleben wir solche Zeiten niemals wieder. Was kochen Sie heute, Frau Reichenbach?“

„Ich wollte ein Kotelett kaufen …“

„Sie sollten zwei Koteletts kaufen. Es geht mich ja nichts an, aber ein bisschen sollten Sie auch an sich denken. Sie haben es schließlich nicht gerade leicht. Wenn ich höre, was Sie den Tag über auszuhalten haben … Gott sei Dank bin ich nicht besonders musikalisch, aber manchmal tut es mir doch weh, wie Ihre Schüler das arme Klavier misshandeln.“

Jutta Reichenbach war Klavierlehrerin, und was sie verdiente, reichte gerade, um sich und ihren Sohn mühsam durchzubringen.

„Wir sehen uns dann wohl noch“, verabschiedete sich Frau Helfrich, die vor Jutta bedient worden war.

Auf der Straße runzelte Jutta einen Moment die Stirn, bevor sie sich nach rechts wandte, um zum Schlachter zu gehen. Eigentlich reichte das Haushaltsgeld nicht mehr für ein Kotelett, und zu klein sollte es auch nicht sein. Aber Olaf war im Wachsen und brauchte kräftiges Essen. Sie lächelte zufrieden, als sie das Kotelett in die Einkaufstasche legte. Mochte sie selbst für sich auch an allen Ecken und Enden sparen, ihrem Sohn fehlte es an nichts.

Jutta traf ihn vor der Haustür und stutzte.

„Du kommst schon?“, fragte sie verblüfft.

„Es sieht so aus, Juttachen“, gab Olaf schmunzelnd zurück.

„Du sollst mich nicht Juttachen nennen.“

„Die Anrede passt aber so gut zu dir, mein Mädchen.“ Der lange, etwas schlaksige Kerl legte seinen knochigen Arm liebevoll um ihre Schultern. „Ich habe heute Herberts Mutter gesehen. Aus der könnte man drei von deiner Sorte machen.“

„Bring mich nicht in Verlegenheit mit deinen Komplimenten. Wieso bist du schon zu Hause? Ich hatte dich erst um eins erwartet.“

„Unser Mathelehrer ist krank geworden. Gott schenke ihm eine schöne lange Krankheit“, setzte er hinzu. „Und einen Ersatz für ihn haben wir nicht. Der Unterricht fällt aus.“

„Darüber solltest du dich nicht freuen. Denk an dein Abitur.“

„Das mache ich mit der linken Hand“, versicherte Olaf.

Es klang unbescheiden, aber es war die reine Wahrheit. Ihm flog alles nur so zu. Er war stets Klassenprimus gewesen, ohne bei seinen Kameraden als Streber zu gelten.

„In einer halben Stunde können wir essen. Ich werde mich beeilen.“

„Du, altes Haus …“ Im Wohnzimmer warf Olaf seine Büchertasche auf das Sofa und schaute von seiner imponierenden Länge auf seine mehr als einen Kopf kleinere Mutter hinab.

Solche Einleitungen kannte Jutta. Prompt runzelte sie die Stirn.

„Nun?“, forderte sie ihn zum Sprechen auf.

„Sigi hat mich eingeladen, am Sonntag mit ihm segeln zu gehen. Wir können Sonnabend schon losfahren …“

Frau Jutta senkte den Kopf. „Hast du zugesagt?“

Ihr Sohn schob beide Hände tief in die Hosentaschen.

„Noch nicht, ich wollte erst den Segen von allerhöchster Stelle haben. Mensch, was hast du nur dagegen, dass ich Einladungen annehme?“

Seine Mutter seufzte. „Ich habe es dir doch schon oft genug gesagt. Du kannst dich nicht revanchieren.“

„Das sagst du, aber es stimmt nicht.“ Jetzt bildeten sich auf der Stirn des Jungen ein paar Falten, die ihn seiner Mutter ähnlich sehen ließen. „Nie darf ich eine Party geben, dabei kostet sie nicht alle Welt.“

„Wir wohnen in einem Mietshaus, du weißt, dass wir Schwierigkeiten bekommen würden …“ Es war schon schwer genug gewesen, den Hauswirt zu überzeugen, dass ihr Klavierspiel die Nachbarn nicht über Gebühr belästigte.

„Nie darf man etwas, das Spaß macht“, brummte Olaf. „Gut, bleibe ich Sonntag also zu Hause und bohre in der Nase. Ist ja auch eine schöne Beschäftigung. Vielleicht gehen wir zur Feier des Tages in den Park und atmen den Staub ein, den die anderen aufwirbeln.“

„Aber Junge …“ Wie immer, wenn er sich so erregte, schaute Jutta Reichenbach ihn betroffen an. „Ich will doch nur dein Bestes …“

„Ich weiß. Du glaubst nur nicht, wie mir das alles hier manchmal zum Halse heraushängt. Sigi ist achtzehn, und was meinst du, was hat er zum Geburtstag bekommen?“

„Olaf, seine Eltern sind sehr reich.“

„Einen VW hat er bekommen. Einen Karmann, wenn du weißt, was das ist. So gut wie neu, er hatte erst fünfzehntausend runter.“

„Ich habe nun einmal nicht so viel Geld.“

Ihr trauriger Ton ließ Olafs Stimmung jäh umschlagen.

„Entschuldige, ich weiß ja, wie es bei uns zugeht. Es ist nicht deine Schuld, dass Vater gefallen ist. Aber trotzdem … du musst mich auch verstehen! Das Leben kann so schön sein, wenn man sich ein bisschen was erlauben kann.“

„Dass du so unzufrieden bist …“, murmelte seine Mutter.

„Unzufrieden?“, wiederholte ihr Sohn nachdenklich. „Du kommst nicht aus deinem Bau heraus, und wenn du die Häuser der anderen siehst, dann siehst du sie von außen. Und im Sommer noch nicht einmal das, weil Büsche und Bäume sie verdecken. In solchen Häusern kann man leben.“

„Unsere Wohnung ist doch auch hübsch …“

„Es hat keinen Zweck, mit dir darüber zu reden.“ Olaf Reichenbach zuckte die Schultern. „Du bist eine patente Frau, aber in mancher Beziehung ein bisschen von gestern.“

Mag sein, dass er recht hat, dachte seine Mutter. Aber ich kann nicht aus meiner Haus heraus, das muss er auch einsehen.

Olaf konnte auch nicht aus seiner Haut heraus. Sie bemühte sich, das zu verstehen. Es war nur manchmal sehr schwer.

„Soll ich ihm erlauben, mit seinem Schulkameraden segeln zu fahren?“, fragte Jutta Reichenbach am Abend ihre Nachbarin. Frau Hanna war zu einem Plausch heruntergekommen.

„Ich weiß nicht recht. Der Junge kommt in Kreise hinein, in die er nicht gehört. Er wird unzufrieden, wenn er sieht, wie viel manche Leute besitzen. Vielleicht war es ein Fehler …“ Frau Hanna brach ab und biss sich auf die Unterlippe. „Ihr Kaffee schmeckt wieder einmal wunderbar, Frau Reichenbach. Ich freue mich immer auf das kleine Plauderstündchen mit Ihnen.“

Jutta ließ sich nicht ablenken. „Sie halten es für einen Fehler, dass ich ihn aufs Gymnasium geschickt habe?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Sie wollten es sagen. Der Junge soll im Leben alle Chancen haben, und dazu gehört doch vor allem eine gute Schulbildung.“

„Er kann einmal nicht studieren, wenn er sein Abitur hat. Woher wollen Sie das Geld dafür nehmen?“

Frau Jutta wusste es nicht. „Es gibt Stipendien.“

„Die reichen hinten und vorn nicht: Hätte Ihr Sohn einen vernünftigen Beruf erlernt … Fernsehmechaniker oder so etwas ähnliches. Er könnte nach Feierabend schwarzarbeiten und viel Geld verdienen.“

Aus ihr sprach die Stimme der praktischen Vernunft, und doch weigerte sich Jutta, ihr zu folgen. Natürlich hatte Frau Helfrich in vielem recht, aber ihr widerstrebte es trotzdem, Olaf eine mögliche Chance vorzuenthalten.

„Sie sollten auch ein bisschen an sich denken. Oder glauben Sie etwa, der Junge würde Ihnen einmal danken, was Sie alles für ihn tun?“, fuhr Frau Hanna fort. Sie schüttelte den Kopf. „Kinder sind niemals dankbar“, orakelte sie.

Ein schmerzliches Lächeln umspielte Frau Juttas Lippen.

„Ich will keine Dankbarkeit“, behauptete sie. „Wenn es Olaf nur gut geht … Er möchte so gern Arzt werden.“

„Natürlich, solch ein langes Studium hat er sich ausgesucht. Hoffentlich erleben Sie nicht noch einmal Ihre Überraschungen mit ihm, Frau Reichenbach. Jetzt ist er noch ein feiner Junge … Aber wie er als Mann sein wird … Entschuldigen Sie, ich rede schon wieder einmal Unsinn. Weiß selbst nicht, was mit mir los ist. Ich habe heute meinen schwarzen Tag, glaube ich. Bestimmt wird Olaf Sie später auf Händen tragen und vergöttern.“

„Möchten Sie noch eine Tasse Kaffee haben?“, fragte Jutta...



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