E-Book, Deutsch, Band 159, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
Winter Lore-Roman 159
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7517-5294-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Liebe über den Tod hinaus
E-Book, Deutsch, Band 159, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
ISBN: 978-3-7517-5294-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Zwei Jahre nur ist Dunker von Benningstedt mit seiner Frau Nora verheiratet, als diese bei der Geburt der Tochter stirbt. Der Baron ist außer sich vor Trauer und Wut. Fortan will er von dem Baby, das man Renate tauft, nichts mehr hören und sehen.
Drei Jahre gehen ins Land. Dunker von Benningstedt ist finster geworden, spricht nur das Allernotwendigste, und das Lachen hat er ganz verlernt. Aus Renate ist ein kleines Mädchen geworden, das man einfach liebhaben muss. Ihr Haar ist honiggelb, in natürlichen Locken umgibt es ihr frisches Gesichtchen, in dem die tiefblauen Augen so schwermütig in die Welt schauen. Die Kleine leidet unter der Ablehnung ihres Vaters, sie ängstigt sich regelrecht vor ihm. Die strenge Erziehung durch die ständig wechselnden Kindermädchen tun ihr Übriges dazu. Doch mit der Ankunft von Silke Wiesmar soll sich alles ändern. Die neue liebevolle Kinderfrau erobert das Herz der kleinen Renate im Sturm. Die so herzliche und anmutige junge Frau hat im Nu alle auf Gut Benningstedt verzaubert. Einzig Dunker ist immun gegen ihren Liebreiz ...
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Liebe über den Tod hinaus Der Leidensweg des Herrn von Benningstedt Von Helga Winter Zwei Jahre nur ist Dunker von Benningstedt mit seiner Frau Nora verheiratet, als diese bei der Geburt der Tochter stirbt. Der Baron ist außer sich vor Trauer und Wut. Fortan will er von dem Baby, das man Renate tauft, nichts mehr hören und sehen. Drei Jahre gehen ins Land. Dunker von Benningstedt ist finster geworden, spricht nur das Allernotwendigste, und das Lachen hat er ganz verlernt. Aus Renate ist ein kleines Mädchen geworden, das man einfach liebhaben muss. Ihr Haar ist honiggelb, in natürlichen Locken umgibt es ihr frisches Gesichtchen, in dem die tiefblauen Augen so schwermütig in die Welt schauen. Die Kleine leidet unter der Ablehnung ihres Vaters, sie ängstigt sich regelrecht vor ihm. Die strenge Erziehung durch die ständig wechselnden Kindermädchen tun ihr Übriges dazu. Doch mit der Ankunft von Silke Wiesmar soll sich alles ändern. Die neue liebevolle Kinderfrau erobert das Herz der kleinen Renate im Sturm. Die so herzliche und anmutige junge Frau hat im Nu alle auf Gut Benningstedt verzaubert. Einzig Dunker ist immun gegen ihren Liebreiz ... Dunker von Benningstedt schnellte herum, als der Arzt ins Wartezimmer trat. Unter der Gesichtsbräune war er fahl, seine Augen flackerten unruhig. »Wie geht es ihr?«, presste er hervor. Der Arzt lächelte ihm beruhigend zu, wie er es schon oft getan hatte, wenn die Angehörigen von Patienten sich so aufgeregt gebärdeten. »Wir müssen noch abwarten, Herr von Benningstedt.« »Mein Gott«, stöhnte der Mann und presste die Fäuste gegen die Augen. »Seit über zehn Stunden liegt sie nun hier ...« »Manchmal dauert eine Geburt vierundzwanzig Stunden«, erinnerte der Arzt gelassen. Er zündete sich eine Zigarette an und sog voller Genuss. »Darf ich meine Frau denn einmal sehen?«, fragte Dunker leise. »Bitte, erlauben Sie es mir.« Der Arzt nickte ihm zu. »Sie müssen mir nur versprechen, unsere werdende Mutter nicht aufzuregen. Und bleiben Sie nicht zu lange. Es ist für Ihre Gattin gar nicht gut, wenn sie durch irgendetwas abgelenkt wird. Kommen Sie.« Er drückte seine Zigarette aus und ließ dem Freiherrn höflich den Vortritt. Eine Minute später schaute Dunker von Benningstedt in das schweißüberströmte Gesicht seiner über alles geliebten jungen Frau. Sie versuchte, ihm zuzulächeln, sie war sehr tapfer, aber ihr Lächeln wurde nur eine verzerrte Grimasse. Dann begann sie zu stöhnen, verkrallte die Hände in die Decke, biss die Zähne zusammen, aber dieses Stöhnen schien ganz tief aus ihr herauszukommen, sie konnte es einfach nicht zurückhalten. Die Schwester, die neben ihr auf einem Stuhl saß, wischte ihr den Schweiß vom Gesicht. Dunker taumelte förmlich, denn ihm war, als schnitte dieses Stöhnen in sein Herz. Der Arzt packte seine Schulter, drehte ihn herum und schob ihn gutmütig aus dem Zimmer. »Das ist kein Anblick für Männer«, sagte er jovial. »Damit müssen die Frauen allein fertigwerden.« »Wie entsetzlich ist das. Dass Nora so leiden muss ... Ich will kein Kind wieder haben, nie wieder, wenn sie deshalb solche Schmerzen erdulden muss.« »Das zweite Kind kommt meistens leichter.« Der Arzt wusste, was er von solchen Versprechungen zu halten hatte. Man vergaß sie ebenso schnell, wie man sie aussprach. »Möchten Sie vielleicht eine Tasse Kaffee mit mir trinken? Sie sehen aus, als hätten Sie eine kleine Stärkung nötig.« Dunker von Benningstedt schüttelte ablehnend den Kopf. Sein Magen würde sich weigern, irgendetwas aufzunehmen. In seinem Ohr war noch immer dieses schreckliche Stöhnen, und im Geist sah er Noras verzerrtes Gesicht vor sich. Wie lange dauerte es denn noch! Alle Augenblicke schaute er auf die Uhr, und es war ihm, als sei die Zeit stehen geblieben. Morgens in aller Herrgottsfrühe hatte er Nora in die Klinik gebracht. Jetzt wurde es schon wieder dunkel, und noch nichts hatte sich geändert. Freiherr von Benningstedt ging im Wartezimmer auf und ab. Er ähnelte einem gefangenen Tier, das ruhelos einen Ausweg aus seinem Käfig sucht. »Herr von Benningstedt.« Eine Schwester hatte die Tür aufgerissen, ohne vorher anzuklopfen. Ihre Augen waren entsetzt geweitet. »Ihre Frau möchte Sie noch einmal sehen, kommen Sie schnell mit.« Der Mann wankte wie ein Baum, in den ein Holzfäller die Axt geschlagen hat. Es gab eigentlich nur eine einzige Deutung für die Worte der Schwester, aber die durfte nicht wahr sein. Drei Ärzte standen um Nora von Benningstedts Bett herum, als er ins Zimmer stürzte. »Tot?«, fragte er fassungslos. »Ja. Es tut uns allen sehr, sehr leid. Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen meine herzliche Anteilnahme ausdrücke.« Ein Arzt bot dem Freiherrn die Hand, aber Dunker stieß sie zurück. Er sah aus wie von Sinnen, als er die drei Ärzte anstarrte. Sie hatten Nora sterben lassen, den besten Menschen, den die Erde je getragen hatte. Man müsste sie umbringen, sie sind zu gleichgültig, sie haben sich keine Mühe gegeben, dachte er, und zugleich wusste er auch, dass es Unsinn war, sich so etwas einzureden. »Ihr Töchterchen behalten wir noch ungefähr vierzehn Tage in der Klinik. Es wäre gut, wenn Sie eine Amme besorgen könnten, Herr von Benningstedt.« »Ich will sie nicht haben. Sie ist schuld daran, dass Nora sterben musste. Machen Sie mit ihr, was Sie wollen, ich hasse sie.« »Herr von Benningstedt!« Der Arzt hob entsetzt die Hände, aber dann ließ er sie wieder sinken, weil er begriff, dass Dunker im Augenblick Vernunftgründen nicht zugänglich war. Er hatte eine sprichwörtlich gute Ehe geführt, und der unerwartete Tod der geliebten Frau musste ihn ja vorübergehend umwerfen. Er wird sich schon wieder fassen, dachte der Professor. Mit den Augen gab er seinen Kollegen einen Wink, und hinter ihnen verließ auch die Schwester das Zimmer, in dem Nora von Benningstedt gestorben war. Den Säugling nahm sie mit. *** Dunker war nur noch ein Schatten seiner selbst, als er sein Gutshaus betrat. Die Leute, die zufällig auf dem Hof zu tun hatten, wichen scheu zur Seite und starrten ihm dann furchtsam nach. Niemand wagte, den vom Schicksal geschlagenen Mann anzusprechen. »Ob irgendetwas mit seiner Frau nicht in Ordnung ist?«, wisperte man. Es war die nahe liegendste Erklärung, aber sie scheuten sich, ihn danach zu fragen. Dunker setzte sich ins große Wohnzimmer und starrte vor sich hin. Der Sessel ihm gegenüber war leer, es war Noras Sessel, und er würde immer leer bleiben. Dunker versuchte, das zu begreifen, aber er schaffte es nicht. Sie war doch so lebendig, in seiner Erinnerung lebte sie frisch und frohgemut weiter, und es konnte doch einfach nicht sein, dass sie niemals wiederkehren sollte. Zwei Jahre waren sie verheiratet gewesen, und in drei Tagen jährte sich ihr zweiter Hochzeitstag. Wie hatte Nora sich darauf gefreut, was für Heimlichkeiten hatte sie vorher mit der Mamsell gehabt, um ein schönes kleines Fest vorzubereiten. In seinem Tresor im Arbeitszimmer lag das Etui mit dem wunderschönen Brillantring. Er hatte ein Vermögen gekostet, und zu ihrem Hochzeitstag wollte er ihn Nora schenken. »Herr von Benningstedt.« Die Mamsell räusperte sich, aber der Herr hörte sie gar nicht. »Herr von Benningstedt, Sie müssen etwas essen«, mahnte sie. »Nein. Ich mag nichts.« Mit müder Handbewegung schickte Dunker die treue alte Seele wieder hinaus. »Was ist denn nur geschehen?«, fragte Mamsell Alwine Fräulein Mücke, die gerade ins Gutshaus getreten war. »Wissen Sie etwas, gnädiges Fräulein?« Rosalinde Mücke, eine alte Junggesellin, die das Leben von der heiteren Seite nahm, runzelte die Stirn. »Was soll schon geschehen sein?«, fragte sie schmunzelnd, »Herr von Benningstedt ist von der Geburt erschöpft, das soll bei Vätern häufig der Fall sein, habe ich mir erzählen lassen. Was ist es denn geworden, ein Junge oder ein Mädchen?« Alwine zuckte die Schultern. »Weiß ich nicht, und ich mochte auch nicht danach fragen. Wenn der gnädigen Frau man nur nichts passiert ist.« »Unsinn, sie ist gesund und kräftig. Sie haben eine schwarze Fantasie, Alwine. Sitzt er im Wohnzimmer?« »Ja.« Alwine machte sich in der Diele zu schaffen, denn Fräulein Mücke hatte die Tür offen stehen lassen, und so konnte sie jedes Wort hören, das drinnen gesprochen wurde. »Hallo, junger Vater«, sagte sie munter und trippelte auf den Mann zu. Aber das Lachen verging ihr, als Dunker den Kopf wandte. Sie prallte förmlich vor der Verzweiflung zurück, die so deutlich auf seinen Zügen lag. »Herr Baron, was ist mit Ihrer Gattin?« Sie ahnte etwas Schlimmes, aber Dunkers Antwort übertraf alles. »Tot«, sagte der Mann, nur dieses eine Wort. Fräulein Mücke schreckte zusammen und schüttelte den Kopf. Sie stellte keine...