E-Book, Deutsch, 128 Seiten
Reihe: Digital Edition
Winter Ein Croissant für zwei
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7337-8642-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Digital Edition
E-Book, Deutsch, 128 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-8642-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieser Mann sieht zwar wahnsinnig gut aus, macht aber nur Ärger! Das denkt zumindest Miriam, die Erik jeden Morgen beim Bäcker trifft. Ständig schnappt er ihr das letzte Croissant vor der Nase weg. Und nun soll ausgerechnet er bei einem Werbespot ihren Ehemann spielen ..
Elaine Winter wurde in Hannover geboren und studierte Anglistik und Germanistik, nachdem sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau absolviert hatte. Von frühster Kindheit an hätte sie, vor die Wahl gestellt, eine Geschichte jeder Süßigkeit vorgezogen. Bevor sie ihre Leidenschaft fürs Schreiben und Übersetzen zum Beruf machte, war sie im Kunsthandel, im Verlag und in der Werbung tätig
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2. KAPITEL
ERIK
Ich glaubte nicht an Liebe auf den ersten Blick.
Wenn mich jemand nach meinem Beruf fragte, pflegte ich etwas vor mich hinzumurmeln, dem der Fragesteller je nach Fantasie alles entnehmen konnte, was es an ehrbaren Berufen zwischen Steuerberater und Anwalt gab. Gleichzeitig sah ich den Neugierigen so streng an, dass er in der Regel nicht wagte, nachzufragen. Tat er es dennoch, benahm ich mich, als unterläge meine Tätigkeit strengster Geheimhaltung, als wäre ich mindestens Doppelagent oder etwas in der Art, sodass jeder, der Näheres in Erfahrung brächte, anschließend erschossen werden müsste. Dieses Verhalten, in dem ich es nach jahrelanger Übung zu einer gewissen Meisterschaft gebracht hatte, ließ in der Regel auch die wissbegierigsten meiner Bekannten verstummen.
Dass ich unter dem Pseudonym Tom Forster ziemlich erfolgreich blutrünstige Kriminalromane schrieb, sagte ich nach einigen finsteren Erfahrungen nur Menschen, bei denen ich mir sicher war, dass sie starke Nerven hatten. Und ich verriet es niemals Frauen, an denen ich ernsthaft interessiert war. Manchmal verfolgte mich der Albtraum, ich würde eines Tages die Liebe meines Lebens finden, würde sie heiraten – und nach fünf oder sechs Jahren einer zauberhaften Ehe fand sie durch Zufall heraus, womit ich mein Geld verdiente, um mich gleich darauf mit unseren beiden wunderbaren Kindern zu verlassen. Natürlich hoffte ich, dass ich durch einen Glücksfall eine Frau finden würde, der ich noch vor der Hochzeit die Wahrheit würde verraten können, ohne dass sie mit einem Messer auf mich losging oder vor Schreck nach Neuseeland floh, allerdings hatten mich meine bisherigen 33 Lebensjahre gelehrt, dass Hoffnungen oft trogen, warum also nicht auch diese?
Vorerst jedenfalls murmelte ich vor mich hin, anstatt meinen Beruf zu verraten, und wenn es gar nicht anders ging, behauptete ich, ich machte „etwas mit Steuern“. Was durchaus der Wahrheit entsprach, denn ich zahlte jede Menge Steuern.
Durch diese kleine Finte vermied ich jedenfalls, noch einmal mitten in der Nacht aus dem Schlaf zu schrecken und entsetzt festzustellen, dass mir die zierliche Schwarzhaarige, die sich entschlossen hatte, in dieser Nacht ihr Bett mit mir zu teilen, ein Messer an die Kehle hielt und mich kreischend aufforderte, auf der Stelle ihre Wohnung zu verlassen.
Als diese Geschichte passierte, feierte ich meine ersten, noch ziemlich bescheidenen Erfolge als Tom Forster, und wenn mich jemand fragte, erzählte ich nur zu bereitwillig von meinem Beruf. Mit dem Ergebnis, dass jede Frau, die mich kennenlernte, als Erstes eines meiner Bücher las – und mich fortan für ein Monster hielt. Wer grausige Morde beschrieb, musste in ihrer Vorstellung mindestens ein extrem grausamer Massenmörder sein.
Die zierliche, zärtliche Schwarzhaarige hatte, während ich friedlich neben ihr schlief, in meinem Roman Blutzoll gelesen und mich nach den ersten zwanzig Seiten (zugegebenermaßen starben auf diesen Seiten drei Menschen einen mehr oder weniger qualvollen Tod) wachgerüttelt, um mir ihr Filetiermesser vorzuführen. Sie war Hobbyköchin, verfügte über eine Auswahl ausgezeichneter Messer und wusste durchaus damit umzugehen, wie mir in jenen schrecklichen Minuten nur zu klar war. Immerhin verstehe ich auch etwas vom Kochen und weiß, wie es aussieht, wenn jemand ein Messer beherzt in die Hand nimmt.
Seit jenem Erlebnis verriet ich niemandem, den ich nicht sehr gut kannte, wer ich in Wahrheit war. Ich weigerte mich, Interviews zu geben, und selbstverständlich zeigten die Umschläge meiner Bücher kein Foto von mir. Zunächst war meine Agentin Katrin – übrigens eine Frau mit bewundernswert starken Nerven, die noch dazu äußerst attraktiv, aber sehr verheiratet war – höchst unglücklich über meinen Entschluss, fortan beruflich im Geheimen zu operieren. Meine Entscheidung war zu jenem Zeitpunkt gefallen, an dem sie meinen Verlag dazu gebracht hatte, für mein nächstes Buch kräftig die Werbetrommel zu rühren. Da zu diesem Zweck jedoch Fotos, Interviews und vielleicht sogar Fernsehauftritte nötig gewesen wären, fiel Werbung mehr oder weniger weg. Katrins Unglück legte sich ein wenig, als sich herausstellte, dass auch meine Geheimniskrämerei in der Öffentlichkeit ein gewisses Interesse erzeugte. Damit das so blieb, brachte Katrin in regelmäßigen Abständen Gerüchte über Tom Forster in Umlauf. Einmal hieß es, der Autor blutrünstiger Geschichten sei in Wirklichkeit eine Frau, dann wieder lebte er als bärtiger Einsiedler auf den Seychellen. Momentan ging die Behauptung um, Tom Forster sitze als verurteilter Mörder in Haft und kürze seine lebenslange Strafe durch das Beschreiben jener Bluttaten ab, die er hinter Gefängnismauern nicht mehr begehen konnte.
Mir war alles recht, solange niemand herausfand, wer Tom Forster in Wirklichkeit war. Ich wollte nicht ständig in schreckgeweitete Augen sehen.
Ein wenig erschrocken sah mich die wunderschöne Frau mit den langen, goldblonden Haaren durchaus an, nachdem sie mir vor der Tür der Bäckerei Stemmler praktisch in die Arme gefallen war. Da sie aber nicht wissen konnte, wer ich war, rührte ihr Schreck eindeutig daher, dass ich mich ihr in den Weg gestellt hatte, wobei ich hoffte, dass sie die Absicht dahinter nicht ahnte.
Ich konnte sie einfach nicht schon wieder an mir vorbeirennen lassen, den Blick auf die Tür des Bäckerladens geheftet, als gäbe es nichts und niemanden auf der Welt, der sie mehr interessieren könnte als das Gebäck in diesem Laden. Immerhin hatte sie mich auf genau diese Weise bereits zweimal wie Luft behandelt, und ich war nicht bereit, das ein drittes Mal zu ertragen. Ich glaubte nicht an Liebe auf den ersten Blick, aber ich glaubte daran, dass man innerhalb von Sekunden Möglichkeiten erkennen konnte. Und in dieser Frau sah ich viele Möglichkeiten. Mit ihr konnte ich mir fast alles vorstellen, von leidenschaftlicher Liebe bis hin zu heftig ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten.
Also holte ich tief Luft, trat mit einem beherzten Schritt in ihren Weg und nahm für unseren kleinen Zusammenstoß gerne die schmerzhafte Bekanntschaft mit ihren spitzen Absätzen in Kauf.
Ihre Augen waren braun mit kleinen, goldenen Einsprengseln, und nachdem sie den ersten Schreck überwunden hatte, funkelte sie mich empört an und fragte mit einer Stimme wie gegen den Strich gebürsteten Samt, ob ich sie bei Gelegenheit wieder loslassen würde.
Das musste ich dann leider tun. Ebenso, wie ich sie, nach ein bisschen mehr dunkelbraunem Gefunkel und samtigem Gefauche, allein ihren Tascheninhalt aufsammeln ließ, den sie schwungvoll auf dem Boden des Bäckerladens verteilt hatte. Als wir uns gleich danach um das letzte Schokoladencroissant stritten, war mir längst klar, dass diese Frau keine von der Sorte war, die in Tränen ausbrachen, sobald sich ihr etwas in den Weg stellte. Also stritt ich mich eben beherzt mit ihr und hoffte auf unsere nächste Begegnung bei Stemmler, um den Streit fortzusetzen oder mich mit ihr zu versöhnen.
MIRIAM
Wärmflaschen haben gegenüber Männern entscheidende Vorteile.
In der Nacht, nachdem ich Lorenz sehr spontan, aber dafür mit Schwung und Überzeugung aus meiner Wohnung und meinem Leben befördert hatte, fasste ich einen folgenschweren Entschluss: Fortan wollte ich mich von Männern fernhalten und mein Leben der Arbeit widmen. Selbstverständlich würde dieser Plan eine Menge Kopfschütteln zur Folge haben, und es würden weise Kommentare derart auf mich niederprasseln, dass meine Arbeit mich im Bett nicht wärmen konnte, und was dergleichen Plattheiten mehr waren. Aber erhobene Zeigefinger und das demonstrative Gewackel hohler Köpfe hatten mich noch nie interessiert. Ich brauchte nicht unbedingt einen Mann, wenn es im Winter kalt wurde. Wärmflaschen halten den Mund, wenn man vor dem Einschlafen einen spannenden Krimi liest, sie wollen keinen Sex, wenn man gerade einen wichtigen Artikel entwirft – und morgens kann man sie einfach in die Ecke werfen und bis zum nächsten Abend ignorieren.
Raphael war der Erste, der von meinen Vorsätzen für die Zukunft erfuhr. Ich hatte mir einen Nottermin bei ihm geben lassen. Da Raphael einer der angesagtesten Friseure der Stadt war – er selber nannte sich selbstverständlich nur Hairstylist – war es schwierig, überhaupt einen Termin bei ihm zu bekommen. Für besonders prominente Kundinnen oder solche, die ihn mit interessanten Klatschgeschichten versorgten, gab es dennoch die Institution des Nottermins. In diesem Fall musste man nicht wie üblich vier Wochen warten, bis man sich in einen der bequemen Sessel in seinem Salon sinken lassen konnte, sondern durfte spätestens am nächsten Tag zu ihm kommen.
Wegen der Informationen über Prominente, an die ich oft gelangte, bevor man sie in der Zeitung lesen konnte, gehörte ich zu den Kundinnen, die Gehör fanden, wenn sie Raphael gegenüber behaupteten, es ginge um Leben und Tod.
Zudem liebte Raphael meine Haare. Bevor er sorgfältig die Spitzen kürzte, pflegte er wie ein Liebhaber mit gespreizten Fingern durch meine schulterlange Frisur zu fahren. Und meine Haare liebten Raphael. Bei ihm waren sie nie widerspenstig und dachten gar nicht daran, sich wie ein Haufen Stroh zu gebärden.
„Das ist nicht dein Ernst! Das meinst du nicht so!“, schrie Raphael denn auch entsetzt und hüpfte wild um mich herum, während ich entspannt dasaß und ihm im Spiegel bei seinen Leibesübungen zusah.
„Doch!“ Ich nickte bekräftigend und strich mir eine meiner blonden Strähnen aus der Stirn. „Ich will eine Kurzhaarfrisur. Etwas Pflegeleichtes.“
...