Winter | Der Duft des Mangobaums | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 518 Seiten

Winter Der Duft des Mangobaums


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95530-958-9
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 518 Seiten

ISBN: 978-3-95530-958-9
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1935 reist die junge Deutsche Alma neugierig und voller Hoffnung zu ihrem Mann nach Malaya. Howard leitet in der englischen Kolonie im fernen Asien eine Kautschukplantage. Die exotische Umgebung und die freundlichen Menschen ziehen Alma sofort in ihren Bann - doch enttäuscht muss sie erkennen, dass Howard nicht der liebevolle Ehemann ist, nach dem sie sich gesehnt hat. In dem australischen Einzelgänger Raymond, Besitzer einer großen Nachbarplantage, findet sie unerwartet einen Freund ...

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Die Überfahrt


Zu jedem Abschied sollte Wehmut gehören, doch Alma spürte nichts dergleichen. Ungerührt glitt ihr Blick über die Docks und backsteinernen Lagerhäuser am Ufer des Mersey, während sich Liverpool hinter ihr in der einbrechenden Dämmerung auflöste. Sie empfand Dankbarkeit gegenüber England, weil es ihr in schwierigen Zeiten Arbeit und ein Dach über dem Kopf gewährt, sogar einen Ehemann und einen Sohn geschenkt hatte. Zu einer Heimat aber war es ihr nie geworden.

Fünf Jahre zuvor war sie schon einmal auf einem Schiff zu neuen Ufern aufgebrochen. Damals in Bremerhaven hatte ihr Vater auf der Landungsbrücke gestanden und gewunken, während Alma an der Reling gelehnt und nicht nur ihn, sondern auch ihre Jugend und manchen enttäuschten Traum zurückgelassen hatte. Heute war niemand gekommen, um ihr Lebewohl zu sagen.

Mit der Überfahrt begann ein neuer Abschnitt in Almas Leben. Obwohl sie keine klare Vorstellung davon besaß, was im fernen Osten auf sie zukommen würde, war sie zuversichtlich. Ihr Vater hatte sie von Kindesbeinen an ermutigt, positiv nach vorn zu schauen, und sein Optimismus hatte auf Alma abgefärbt.

Auf der Höhe von New Brighton verstärkte sich das Vibrieren der eisernen Planken unter ihren Füßen: Die Antenor nahm Fahrt auf, stampfte ungeduldig wie ein zu lange eingesperrtes Pferd durch die höher werdende Dünung in Richtung der Irischen See und weiter hinaus in den Ozean. Der eisige Wind hatte den größten Teil der Passagiere längst unter Deck getrieben. Besorgt beugte Alma sich zu Albert hinab, der dick eingemummt neben ihr stand. Während er sonst den ganzen Tag vor sich hin plapperte, hatte er seit dem Ablegen kaum ein Wort gesagt. Spürte er, wie sehr diese Fahrt sein Leben verändern würde?

„Ist dir kalt, mein Schatz?“, fragte sie und drückte ihm einen Kuss auf die gerötete Wange. „Sollen wir hineingehen?“

Albert schüttelte den Kopf und sah sie mit seinen wasserblauen Augen an, ihren eigenen so ähnlich, als schaute sie in einen Spiegel.

„Es schaukelt“, rief er. „Wir fahren über das Meer.“

„Das stimmt. Und weißt du noch, wer auf der anderen Seite des Meeres auf uns wartet?“

„Papa.“

„Richtig. Und er freut sich schon sehr darauf, dich wiederzusehen. Freust du dich auch?“

Albert nickte stumm, aber sein Blick folgte bereits wieder der vom Bug wegspritzenden Gischt weit unter ihnen. Was für eine dumme Frage, dachte Alma. Wie sollte er sich auf jemanden freuen, an den er sich nicht erinnern konnte? Achtzehn Monate waren vergangen, die Hälfte seines jungen Lebens, seit Howard Liverpool verlassen hatte. Es wurde höchste Zeit, dass Albert seinen Vater zurückbekam, und sie ihren Ehemann. Beim Gedanken an Howard kroch Alma die Sehnsucht nach seiner Nähe und Zärtlichkeit unter die Haut. Es war ihr nicht leichtgefallen, ohne ihn auszukommen, doch bald würden sie wieder vereint sein, die einsamen Nächte nur noch eine verblassende Erinnerung.

Alma nahm Albert hoch, um ihn in ihre Kabine zu tragen. Als sie sich zur Tür wandte, fiel ihr Blick auf den letzten an Deck verbliebenen Passagier, einen jungen Asiaten in westlicher Kleidung. Er war ihr schon beim Ablegen des Schiffs aufgefallen, weil er als Einziger an Bord gelächelt hatte. Allen anderen hatte sie den Schmerz des Abschieds in den Gesichtern abgelesen, nur er schien nicht traurig, England zu verlassen. Im Vorübergehen nickte sie ihm zu, doch er war zu tief in Gedanken versunken, um es wahrzunehmen.

In der geheizten Kabine zog Alma den Mantel aus und wickelte den Wollschal von ihrem Kopf, dann befreite sie Albert aus seiner Jacke und zwei Lagen Pullovern. Beim Einschiffen hatte sie gestaunt, wie geräumig ihre Unterkunft war: nicht gerade ein Tanzsaal, aber zumindest konnte sie sich zwischen Bett, Nachttisch, Schrank, Frisierkommode und dem zusätzlich für Albert hineingestellten Kinderbett bewegen, ohne ständig anzustoßen. Sogar ein richtiges Fenster gab es, wo sie bestenfalls ein Bullauge erhofft hatte. Alma sah auf der Suche nach Lichtern hindurch, doch draußen herrschte konturlose Finsternis, als ob die Nacht den Horizont und das Meer verschlungen hätte. Der Blick ins Nichts jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie war in Alberts Alter gewesen, als in einer Nacht wie dieser die Titanic auf einen Eisberg gelaufen und gesunken war.

„Was meinst du? Wirst du dich auf dem Schiff wohl fühlen?“, fragte sie und drehte sich zu Albert um.

„Ja“, sagte er. „Es ist warm hier.“

Seine unschuldige Antwort versetzte Alma einen Stich. Schuldbewusst dachte sie an die feuchte, ungeheizte Kammer im Untergeschoß von Mr Hucknalls Kontor, an die vielen Nächte, in denen sie Albert unter ihre Bettdecke geholt und an sich gepresst hatte, um ihn zu wärmen.

„Mach dir keine Sorgen. Dort, wohin wir fahren, ist es immer warm. Sogar nachts“, sagte sie und strich ihm über die blonden Haare.

„Mama, ich habe Hunger.“

Alma sah auf die Uhr: Viertel nach sechs. Laut Faltblatt mit Deckplan und Informationen zum Bordleben wurde das Dinner erst um acht serviert, also schnitt sie Albert einen Apfel klein, um damit die Zwischenzeit zu überbrücken. Während er verträumt auf einem Scheibchen kaute, streckte sie sich auf dem Bett aus und fragte sich, was sie zum Abendessen anziehen sollte. Früher in Deutschland hatte sie eine große Auswahl an schönen Kleidern besessen, aber das war lange her.

Sie erinnerte sich an ihren ersten Auftritt auf gesellschaftlichem Parkett: Mit siebzehn hatten ihre Eltern sie auf einen Ball mitgenommen, den Carl Warnstedt, Geschäftspartner ihres Vaters, anlässlich seines fünfzigsten Geburtstags veranstaltete. Alma würde nie vergessen, wie sie unter den Augen der versammelten Bremer Oberschicht am Arm ihres Vaters in den Saal des Stadtpalais geschritten war, verunsichert bis in die Knochen, doch mit einem tapferen Lächeln auf dem Gesicht. Ihre schlanke Erscheinung und das nachtblaue Abendkleid sorgten unter den jungen Männern für Aufsehen; Fremde standen buchstäblich Schlange, um ihr vorgestellt zu werden und Komplimente zu machen, bis ihr Vater sich ihrer erbarmte und sie auf die Tanzfläche zog. Alma war eine gute Tänzerin, und in seinen sicheren Armen über das Parkett zu gleiten, beruhigte ihre Nerven. Wenige Tänze reichten aus, um ihre Schüchternheit abzustreifen, und sie wurde Teil des Wirbels aus herausgeputzten, schmuckbehangenen Damen und eleganten, in ihren Fräcken an balzende Pinguine erinnernde Herren. Sie trank ihr erstes Glas Champagner, plauderte, lachte und tanzte ausgelassen, bis das Fest in den Morgenstunden zu Ende ging. Niemand bezweifelte, dass Albert Falkenbergs Tochter ein glänzendes Debut gefeiert hatte.

Alma öffnete die Augen und seufzte. Fast zehn Jahre waren seitdem vergangen; geblieben war nur eine schöne Erinnerung. Und wenn schon, dachte sie, es gibt Wichtigeres im Leben als Bälle und schöne Kleider. Voller Zärtlichkeit blickte sie Albert an, der mit einem Stückchen Apfel in der Hand auf seinem Bett eingenickt war, dann stand sie auf, um sich für das Dinner zurechtzumachen. Als sie sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen hatte, blieb ihr Blick im Spiegel hängen. Sie nutzte den Anlass zu einer kritischen Betrachtung. Alberts Geburt hatte einige Pfunde auf ihrer Figur hinterlassen, glücklicherweise an den richtigen Stellen. Im Vergleich mit vielen Frauen ihres Alters war Alma immer noch schlank, und Howard hatte sie spüren lassen, wie sehr ihm ihre neuen Rundungen gefielen.

Sie entschied sich für das grüne Kleid, ein Geschenk ihrer Eltern zum zwanzigsten Geburtstag. Sie hatte es vor der Abfahrt eigenhändig aufgetrennt und umgenäht, damit sie wieder hineinpasste. Da sie die meisten ihrer guten Stücke als hoffnungslos altmodisch, verschlissen oder zu eng aussortiert hatte, verfügte sie gerade noch über eine Handvoll Kleider, die den Ansprüchen eines formellen Abendessens an Bord genügten. Sie persönlich hätte die zweite Klasse für die Überfahrt als ausreichend empfunden, doch Howard hatte darauf bestanden, dass sie als Frau eines Plantagenbesitzers standesgemäß reiste. War ihm überhaupt bewusst, unter welchen Umständen sie nach seiner Abreise in Liverpool gehaust hatten?

Alma blieb im Eingang des Speisesaals stehen und sah sich um. In dem großen Raum befanden sich knapp zwanzig Tische, jeweils für sechs oder acht Personen gedeckt, dazu eine zentrale Tafel, vermutlich der Kapitänstisch. Von der Decke hingen Kristalllüster, an den tapezierten Wänden prangten zwischen den Fenstern Ölgemälde mit maritimen Themen. Von der Seite näherte sich ein Steward und erkundigte sich nach ihrem Namen. Nachdem sie ihm Auskunft gegeben hatte, warf er einen Blick auf die Liste in seiner Hand und geleitete sie zu den für sie vorgesehenen Plätzen. Sie befanden sich am Rand des Saals und gewährten einen guten Überblick. Ein bereits an ihrem Tisch sitzender Mann erhob sich und zog zwei der gepolsterten Stühle zurück, damit Albert und sie darauf Platz nehmen konnten.

„Vielen Dank“, sagte Alma. „Sie sind sehr aufmerksam.“

„Ich kann nichts dafür. Meine Mutter hat es mir gegen meinen Willen eingebläut“, sagte er mit schwerem schottischen Akzent und deutete eine Verbeugung an. „Walter Dickson. Zu Ihren Diensten.“

„Mrs Howard Dillingham“, stellte Alma sich ihrerseits vor.

„Merkwürdig“, sagte er. Auf seiner Wange prangte ein riesiges Muttermal, das sein Gesicht allerdings eher lustig als abstoßend erscheinen ließ. „Ihre Eltern scheinen Humor zu besitzen, dass sie ihre Tochter Howard tauften.“

„Wie bitte?“,...



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