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E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Wimmer Original Linzer Tortur


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-903200-10-4
Verlag: Salomon
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-903200-10-4
Verlag: Salomon
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Eine Verfolgungsjagd durch Linz, eine Schießerei in der Innenstadt und eine verschwundene alte Frau: Ein Dokument aus einer Zeit, die Linz gerne vergessen würde, stürzt die Stadt ins Chaos. Es ist eine Liste von Wohnungen, die das Hitlerregime den Juden wegnahm und linientreuen Nazis überließ. Deren Nachfahren haben es sich darin bequem gemacht. Detektiv Pius Korab erhält den Auftrag, die Liste zu beschaffen und für späte Gerechtigkeit zu sorgen. Doch einige Neonazis haben etwas dagegen und sie schrecken vor nichts zurück. Nicht nur Korab, sondern auch seine Freunde schweben bald in Lebensgefahr.

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1
Ein mongolisches Zelt am Eingang zum Fegefeuer, bewohnt von drei diabolischen Hexenmeistern, die unlösbare Knoten in seinen mausgrauen Schicksalsfaden knüpften … Mit diesem Bild nahm Pius Korab seine allernächste Zukunft vorweg. Und das Schlimmste dabei war, dass er keine Wahl hatte. Er würde diesen Ort in Kürze erreichen und dann eintreten müssen in diesen mirakelschwangeren Kultraum. Kein Wunder, dass sein innerer Angsthase panisch an einem Fluchtplan feilte, während er seinem Freund Isonzo und dessen Hund Mooser scheinbar unbekümmert folgte. Die beiden marschierten zielsicher durch die Traunau, obwohl die Pfade kaum zu erkennen waren. Der beginnende Frühling hatte seine Bärlauchteppiche bis in die letzten Auecken gebreitet. Frischer Knoblauchduft hing wie eine unsichtbare Wolke zwischen den Pappeln. »Keine Angst, Pius«, sagte Isonzo, »du belangst den Falschen mit irgendwelchen Sorgen. Spätestens morgen sind deine Skrupel Sterngeschnupel. Du hörst dir einfach sein Angebot an. Und wenn es dir zu steil wird oder zu geil klirrt oder zu wenig wohlfeil schwirrt – dann sagst du ganz einfach Nein.« »Nichts ist komplizierter als ein einfaches Nein«, entgegnete Korab hilflos, »warum sagst du mir nicht ganz einfach Näheres über dieses … Angebot?« Isonzo breitete pathetisch die Arme aus, als wäre er der Heilige Franz von Assisi, der einem verwirrten Nagetier die drei Hauptaspekte der Frettchenfrage erklärt. »Weil es dir der Krake höchstpersönlich unterbreiten möchte. Vom Grund seiner Seele, durch Schlund und Mundhöhle will er dich alleine sprechen, ohne frechen Störfunk von irgendeinem Skunk.« Nach dieser Antwort verstummte Korab, als hätte man ihm den Mund mit Schaumrollenschaum ausgespachtelt. In seiner magischen Innenwelt war mit dem Aussprechen bestimmter Worte und Namen Unheil verknüpft. Und der Krake war ohne Zweifel der Inbegriff eines solchen Namens. Dahinter stand eine Persönlichkeit, die laut Isonzos Definition zur Speerspitze der global agierenden AntiKa-Bewegung gehörte. Dieser lose über sämtliche Kontinente verstreute Bund diverser Kapitalismuskritiker war effizient vernetzt und hatte es sich zum Ziel gesetzt, den geldgeilen Moloch mit seinen eigenen Mitteln zu bekämpfen. Man wollte nicht die alten Fehler wiederholen und alles mit allen teilen, wie das Kommunisten, Hippies und sonstige rührige Spinner versucht hatten. Die humane Gleichheit war eine Illusion, die nur für Paragraphen in schwülstigen Verfassungen reichte, aber in der Praxis immer an den unterschiedlichen Charakteren und Mentalitäten der Menschen scheitern musste. Die AntiKa wollte dieser Diversität Rechnung tragen und gleichzeitig auf eine solidarische Weise jene ökonomischen Grenzen definieren und als verbindlich einfordern, an denen das Kapital kontraproduktiv wurde. Geld sollte weiterhin benutzt werden, aber wieder als Mittel zum Zweck und nicht als Zweck an sich, der sich immer wieder zu einer unkontrollierbaren Instanz auswuchs, die den überwiegenden Teil der Menschheit versklavte. Diesem Programm hatten sich der Krake und seine Mitstreiter mit einer Vehemenz verschrieben, die einem Teufelspakt in nichts nachstand. Aus der absoluten Illegalität diverser Großvermögen, die einzelne oder Konzerne besaßen, leitete die AntiKa das absolute Recht ab, bei ihrem Kampf um ökonomische Gerechtigkeit ebenso auf illegale Mittel zurückzugreifen. Dazu gehörte unter anderem das Fälschen von Geld und Dokumenten – und genau hier lag das Quellgebiet von Korabs nicht geringer Sorge. Auf Vermittlung Isonzos, der zusammen mit dem Kraken Biologie studiert hatte und seither einer seiner engsten Freunde war, fälschte die AntiKa für Korab seit Jahren diverse Ausweise und ersparte ihm damit eine Menge Ausgaben. Wenn Korab ins Kalkül zog, dass er als freischaffender Privatdetektiv, diplomierter Kunstvermittler und selbst ernannter Fishing Guide gerade einmal genug verdiente, um die Standgebühr für seinen Wohnwagen zu bezahlen und sich halbwegs passabel zu ernähren, dann war die Geldmenge, die er sich ersparte, weil er jedes Jahr eine kostenlose Karte für die öffentlichen Verkehrsmittel in Linz bekam, geradezu zu einem Grundpfeiler seiner Existenz geworden. Ganz zu schweigen von den Fischereilizenzen und den diversen Ausweisen, mit denen er seine Identität je nach Bedarf wechseln konnte. Dass er immer wieder glaubhaft als Polizist, Tierarzt oder Universitätsprofessor für Kunstgeschichte auftreten konnte, hatte er ausschließlich dem Kraken und der fälschungstechnischen Brillanz seiner Truppe zu verdanken. Theoretisch konnte Korab eine Bitte des Kraken ablehnen, aber in der Praxis stand er soweit in seiner Schuld, dass er deutlich spürte, wie das Wort Nein langsam aus seinem Wortschatz verdunstete. »Der Krake ist bei weitem nicht so arg wie der Sarg, in den ihn deine Gespenstermaler stecken«, verteidigte Isonzo seinen Kumpel erneut, weil es nicht schwer war, das ungewöhnlich lange Schweigen Korabs richtig zu interpretieren. »Nein, nur noch ärger.« »Pius, du rostiger Schibus«, seufzte Isonzo theatralisch und blieb stehen. Er legte seine Hand auf Korabs Schulter und improvisierte eine kleine Familienaufstellung. Mooser stand an der Stelle der milchreichen Mutter, während Isonzo den väterlichen Freund, den netten Onkel sowie das milde Auge des Gottes Saturn repräsentierte. »Ich hab viele Semester lang mit dem Kraken Biologie studiert«, begann Isonzo. »Der gebiert Wunderzunder, eminent vehement. Aber seinen Freunden gibt er immer mehr Energie, als er abzapft. Er ist ein sturmgepeitschtes Meer, aber gleichzeitig auch ein äußerst großzügiges bed of roses, verstehst du? Und er rechnet nie mit einem Energieausgleich. Aber manchmal, in ganz seltenen und speziellen Fällen, beim Herandräuen von Schicksalsdellen, braucht sogar ein Titanenmann wie er eine Klitzekleinigkeit an Unterstützung. Und nur darum geht’s. Um kleine Zuarbeiten, um konsensuale Momente. Hast du gewusst, dass der Krake neben seinem Studium als Grabredner und Mediator gewerkelt hat? Außerdem war er der wuchtig-geniale Schlagzeuger bei den Fetten Föten, damals eine absolute Kultband. Und er war auf allen diesen Gebieten ziemlich erfolgreich.« »Das ist mir neu«, gab Korab zu. »Siehst du«, sagte Isonzo, »und jetzt beruhigen wir uns wieder, atmen tief den Bärlauchmief und geben ihr unsere mildeste Segnung, der nahenden Begegnung. Glaub mir, Pius, der Krake freut sich auf euer Treffen. Bis jetzt kennt er dich nur von Passfotos. Und seien wir ehrlich. Auf Fotos wirkst du so unscheinbar wie eine Nennformgruppe in einem engen Schacht in einer dunklen Nacht.« »Dafür hältst du mich?«, fragte Korab. »Ja, und nicht nur ich«, bestätigte Isonzo, »sogar der Krake hat mich gefragt, ob das wirklich Haare sind, die da auf deinem Kopf liegen, oder gebleichte Salatblätter, die du gepresst hast, um eine Glatze zu verdecken.« »Und was hast du ihm gesagt?« »Weder Haare noch Salatblätter«, gab Isonzo zu, »sondern ein speziell präparierter Pappendeckel, den du zuerst in einer Lauge einweichst, dann im Toaster trocknest und mit einer hautverträglichen Salbe auf deine Kopfhaut klebst.« »Ihr seid bloß neidisch auf meinen Seitenscheitel«, sagte Korab. »Ja, und nicht nur auf den«, gestand Isonzo, »wir hätten auch gerne so eine fantastische Beulen-Jacke wie du. Ich habe dem Kraken und seinen Begleitern erzählt, dass du sie sogar in der Sauna trägst und neben den Ausweisen, die sie dir gemacht haben, noch jede Menge anderes Equipment reinstopfst: Notfischerausrüstung, Handschellen, Schreckschusspistole, Messer, Signalspray und Müsliriegel. Und nicht zu vergessen: deine extraverknitterten, sich aber teilweise selbstentfaltenden Plastiksackerl. Deine Jacke ist eine Legende, eine tragbare Gemischtwarenhandlung, die gleichzeitig in drei verschiedenen Grüntönen schimmelt.« »Du meinst schimmert«, verbesserte Korab. »Nein, Pius«, sagte Isonzo, »ich meine schimmeln im guten Sinn des Wortes. Jeder Grasfleck und jeder einzelne Pilz auf deiner Jacke zeugt von deiner Naturnähe und beweist, dass du evolutionär schon auf der nächsten Stufe stehst. Du bist einer der ersten Menschen, die sich nach einer langen Periode der Entfremdung wieder mit der Natur versöhnen.« In Korabs Mundwinkeln sammelten sich kleine, säuerliche Grinser. Isonzo sprach unbeirrt weiter. »Im Prinzip wirkst du so epochal wie die erste Kaulquappe, die ihren Kopf aus dem Wasser gestreckt und das Land erobert hat, nur umgekehrt. Angeführt von Vorpreschern wie dir kehrt die Menschheit zurück in den Schoß der Mutter Natur. Was glaubst du denn, wie diese Einschätzung dem Kraken und seiner Truppe imponiert hat?« »Ich hör euch jetzt noch wiehern und nach Luft schnappen«, sagte Korab. Isonzo überging diese Anmerkung und legte noch eins drauf. »Außerdem habe ich ihnen von deinen drei Berufen erzählt. Sie wissen jetzt, dass du als Kunstvermittler arbeitest und die Museumsbesucher mit deinen Metaphern in den Orbit ihrer eigenen Begeisterung katapultierst. Und wie ich dem Kraken dann noch auseinandergesetzt habe, dass du als Fliegenfischer-Guide schon Stammkunden hast, die extra aus Amerika einfliegen, nur um einen Tag mit dir an der Gmundner Traun zu fischen, und du in deinem dritten Nebenjob als Ein-Mann-Detektei weniger Detektiv bist als vielmehr ein South African Ridgeback, also ein Löwenjagdhund, der sich so lange und so tief in einen Fall verbeißt, bis er seinen Klienten ihren kleinen Notgroschen wieder zurückgebracht hat, da sind dem Kraken und seinen Begleitern vor lauter Hochachtung und Rührung endgültig die Nasenrammel geschmolzen und als Vorboten...


Wimmer, Erich
Erich Wimmer studierte Kunstwissenschaften und Philosophie und lehrt Violine an den Oberösterreichischen Landesmusikschulen. Seit 1995 ist der gebürtige Linzer freiberuflich als Schriftsteller tätig. Er fischt, seit er alleine in Gummistiefeln stehen kann, liest, seit ihn seine Eltern in der hauseigenen Bibliothek ausgesetzt haben und schreibt auf der Suche nach Ironie und Freiheit für sich und sein Publikum.



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