E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Wilde Salome
1. Auflage 2014
ISBN: 978-80-268-1762-8
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tragödie in einem Aufzuge: Nach Oskar Wilde's gleichnamiger Dichtung
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-80-268-1762-8
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Salome' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Der Einakter Salome von Oscar Wilde gilt als eines der wichtigsten Dramen der anglo-französischen Décadence. Das Stück sorgte besonders in England für Skandal. Es wurde zensiert und zum Teil als Bearbeitung eines biblischen Stoffs auch verboten. Zudem wurde die Darstellung der sexuellen Begierde Salomés für untragbar gehalten. Das Stück nach der biblischen Salome-Legende wurde vom Zensor abgelehnt und fand daher keinen Verleger in England. 1894 wurde es von und mit Sarah Bernhardt in Paris uraufgeführt. Heute gehört das Drama zu den etablierten, wenngleich auch wegen seiner Kürze eher selten gespielten Bühnenstücken an den Theatern besonders in Großbritannien. Die darauf beruhende Oper Salome von Richard Strauss gehört hingegen zum Repertoire der Opernhäuser in aller Welt. Salomé spielt auf der Terrasse des judäischen Tetrarchen Herodes Antipas zur Zeit der römischen Besatzung Palästinas. Die klassische Einheit von Zeit, Ort und Handlung nach aristotelischer Dramentheorie ist gegeben. Oscar Wilde (1854-1900) war ein irischer Schriftsteller.Wilde wurde zu seiner Zeit als Schriftsteller bewundert und war im prüden viktorianischen England zugleich als Skandalautor und Dandy verschrien. Er war berühmt für seine Sprachgewandtheit und extravagantes Auftreten. Er wurde von der Kritik lächerlich gemacht, die er wiederum als philisterhaft bezeichnet.
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De Profundis
Inhaltsverzeichnis I. M. Gefängnis Reading
Lieber Bosie!
Nach langem, fruchtlosem Warten habe ich beschlossen, selbst an Dich zu schreiben, ebensosehr in Deinem wie in meinem Interesse; denn der Gedanke widerstrebt mir, daß ich zwei lange Gefängnisjahre durchgemacht haben soll, ohne jemals eine einzige Zeile von Dir empfangen zu haben oder eine Nachricht oder auch nur einen Gruß, außer solchen, die mich schmerzten. Unsre unselige, höchst beklagenswerte Freundschaft hat für mich mit Verderben und öffentlicher Schande geendet. Doch die Erinnrung an unsre frühere Zuneigung verläßt mich selten, und der Gedanke, daß Abscheu, Verbitterung und Verachtung für immer den Platz in meinem Herzen einnehmen könnten, den Liebe vordem innehatte, ist sehr traurig für mich; und Du selbst wirst wohl im Herzen fühlen, daß es besser ist, an mich, der ich in der Einsamkeit des Gefängnislebens liege, zu schreiben, als ohne meine Genehmigung Briefe von mir zu veröffentlichen oder, ohne mich zu fragen, mir Gedichte zu widmen, mag auch die Welt nichts erfahren von Worten des Kummers oder der Leidenschaft, der Gewissensbisse oder der Gleichgültigkeit, die es Dir als Antwort oder Rechtfertigung zu schicken beliebt. Zweifellos wird in diesem Brief, den ich über Dein und mein Leben zu schreiben habe, über die Vergangenheit und die Zukunft, über Süßes, das sich in Bitterkeit gewandelt, und über Bittres, das vielleicht zur Freude werden kann, vieles stehn, was Deine Eitelkeit bis aufs Blut verletzt. Sollte dem so sein, dann lies den Brief immer wieder, bis er Deine Eitelkeit ertötet. Wenn Du darin etwas findest, das Dich Deinem Gefühl nach zu Unrecht beschuldigt, so vergiß nicht: man soll dankbar dafür sein, daß es Fehler gibt, deren man zu Unrecht beschuldigt werden kann. Wenn eine einzige Stelle darin vorkommt, die Tränen Dir in die Augen treibt, dann weine, wie wir im Gefängnis weinen, wo der Tag, nicht minder als die Nacht, Tränen aufgespart ist. Es ist das einzige, was Dich retten kann. Wenn Du zu Deiner Mutter gehst und Dich beklagst, wie damals, über die Verachtung, die ich in meinem Brief an Robbie gegen Dich äußerte, damit sie Dir schmeichle und Dich wieder in Selbstgefälligkeit und Überhebung einlulle, so bist Du völlig verloren. Wenn Du Eine Ausrede für Dich findest, wirst Du bald hundert finden und ganz das sein, was Du vorher warst. Behauptest Du noch, wie Du es in Deiner Antwort an Robbie tatest, ich schriebe Dir »unwürdige Motive« zu? Ach, Du hattest keine Motive im Leben. Du hattest nur Gelüste. Ein Motiv ist ein geistiges Ziel. Behauptest Du noch, Du seist »sehr jung« gewesen, als unsre Freundschaft begann? Dein Gebrechen war nicht, daß Du so wenig, sondern daß Du so viel vom Leben wußtest. Die Morgenröte der Knabenzeit mit ihrem zarten Flaum, ihrem klaren, reinen Licht, ihrer unschuldigen, erwartungsvollen Freude hattest Du weit hinter Dir gelassen. Sehr geschwinden, laufenden Fußes warst Du von der Romantik zum Realismus gelangt. Die Gosse und was darin lebt hatten Dich zu fesseln begonnen. Daraus ging die Unannehmlichkeit hervor, in der Du Hilfe bei mir suchtest, und ich ließ sie Dir, unklugerweise nach dem, was dieser Welt als Klugheit gilt, aus Mitleid und Güte zuteil werden. Du mußt diesen Brief von A bis Z durchlesen, mag jedes Wort auch für Dich zum Feuer oder zum Messer des Wundarztes werden, so daß das zarte Fleisch brennt oder blutet. Bedenke: der Tor in den Augen der Götter und der Tor in Menschenaugen sind etwas ganz andres. Wer gar nichts von den Formen offenbarter Kunst, von der Entwicklung fortschrittlichen Denkens, von dem Gepränge des lateinischen Verses, von der klangvolleren Musik des vokalreichen Griechisch, von toskanischer Skulptur und elisabethanischer Lyrik weiß, kann doch der allerholdesten Klugheit voll sein. Der wahre Tor, den die Götter verspotten oder verderben, ist der, welcher sich selbst nicht kennt. Ich war ein solcher zu lange. Du warst ein solcher zu lange. Sei es nicht mehr! Fürchte Dich nicht! Das höchste Laster ist Seichtheit. Alles, was zum Bewußtsein kommt, ist richtig. Denke auch daran, daß alles, was Dich zu lesen betrübt, mich ärger betrübt niederzuschreiben. Gegen Dich sind die unsichtbaren Mächte sehr gut gewesen. Sie haben Dich die seltsamen, tragischen Gestalten des Lebens sehn lassen, wie man Schatten im Glase sieht. Das Haupt der Meduse, das lebendige Menschen in Stein verwandelt, war Dir vergönnt, bloß im Spiegel zu schaun. Du selbst bist frei zwischen Blumen dahingeschritten. Mir ist die schöne Welt der Farbe und der Bewegung genommen. Ich will damit anfangen, Dir zu sagen, daß ich mir schreckliche Vorwürfe mache. Während ich hier in der dunklen Zelle in Sträflingskleidung sitze, ein entehrter, vernichteter Mann, mache ich mir Vorwürfe. In den qualvollen Nächten mit ihren Angstanfällen, in den langen, eintönigen Tagen mache ich mir selbst Vorwürfe. Ich mache mir Vorwürfe, daß ich eine ungeistige Freundschaft, eine Freundschaft, deren ursprünglicher Zweck es nicht war, Schönes zu schaffen und zu schaun, mein Leben völlig beherrschen ließ. Von Anbeginn war eine zu weite Kluft zwischen uns. Du bist in der Schule faul gewesen, schlimmer als faul auf der Universität. Es kam Dir nicht zum Bewußtsein, daß ein Künstler, zumal einer wie ich, will sagen: einer, bei dem der Wert der Arbeit von der innern Kraft der Persönlichkeit abhängt, zur Entfaltung seiner Kunst den Umgang mit Ideen, ein geistiges Milieu, Ruhe, Frieden und Einsamkeit nötig hat. Du bewundertest meine Arbeiten, wenn sie fertig waren; Du ergötztest Dich an den glänzenden Erfolgen meiner Premierenabende und den glänzenden Festessen hernach; Du warst stolz darauf, ganz natürlicherweise, der intime Freund eines so hervorragenden Künstlers zu sein. Aber Du konntest die zum Schaffen künstlerischer Werke erforderlichen Bedingungen nicht verstehn. Ich spreche nicht in rhetorisch übertriebenen Phrasen, sondern in durchaus wahren, auf reinen Tatsachen beruhenden Worten, wenn ich Dir zu Gemüte führe, daß ich während der ganzen Zeit, die wir zusammen waren, nie eine einzige Zeile geschrieben habe. Ob in Torquay, Goring, London, Florenz oder sonstwo, mein Leben ist, solange Du an meiner Seite warst, völlig unfruchtbar und unschöpferisch gewesen. Und mit nur wenigen Unterbrechungen warst Du leider immer an meiner Seite. Ich erinnre mich zum Beispiel: im September 1895, um nur einen Fall von vielen herauszugreifen, mietete ich mehrere möblierte Zimmer, lediglich um ungestört zu arbeiten; ich hatte nämlich meinen Kontrakt mit John Hare gebrochen, dem ich ein Theaterstück zugesagt hatte und der auf schleunige Erledigung drängte. Während der ersten Woche ließest Du Dich nicht blicken. Wir hatten uns, nur zu natürlich, über den künstlerischen Wert Deiner Übersetzung der »Salome« gestritten. Du begnügtest Dich deshalb damit, mir törichte Briefe in der Angelegenheit zu senden. In dieser Woche schrieb und vollendete ich bis ins kleinste den ersten Akt des »Idealen Gatten«, so wie er schließlich aufgeführt wurde. In der zweiten Woche kamst Du wieder, und mit meiner Arbeit war es tatsächlich aus. Ich begab mich jeden Vormittag um ½ 12 nach St. James's Place, um Gelegenheit zum Nachdenken und Schreiben zu haben ohne die von meinem Haushalt unzertrennliche Störung, so still und friedlich dieser auch war. Aber der Versuch war nutzlos. Um 12 Uhr kamst Du angefahren und bliebst, Zigaretten rauchend und plaudernd, bis ½2 Uhr; dann mußte ich Dich zum Lunch ins Cafe Royal oder ins Berkeley mitnehmen. Das Lunch mit seinen Schnäpsen dauerte gewöhnlich bis ½4 Uhr. Auf eine Stunde zogst Du Dich in White's Club zurück. Zur Teezeit erschienst Du wieder und bliebst, bis es Zeit war, sich zum Diner umzuziehn. Du speistest mit mir, entweder im Savoy oder in Tite-Street. Wir trennten uns in der Regel erst nach Mitternacht, da ein Souper bei Willis den berauschenden Tag zum Abschluß bringen mußte. Das war mein Leben während jener drei Monate, jeden einzigen Tag, mit Ausnahme der vier Tage, die Du verreist warst. Ich mußte dann selbstverständlich nach Calais hinüberfahren und Dich zurückholen. Für einen Menschen meines Schlags und meines Temperaments war es eine gleichermaßen groteske und tragische Lage. Du mußt das jetzt gewiß begreifen. Du mußt jetzt einsehn, daß Dein Unvermögen, allein zu sein, Dein begehrliches Wesen, das an die Rücksicht und die Zeit der andern beständig Forderungen stellte, Deine Unfähigkeit zu anhaltender geistiger Konzentration, der unglückliche Zufall – denn ich möchte nicht gern es für mehr nehmen –, daß Du noch nicht imstande gewesen, Dir »Oxforder Sinnesart« in geistigen Dingen anzueignen, ich meine: nie ein Mensch gewesen bist, der mit Ideen anmutig spielen konnte, sondern bloß zu ungestümen Ansichten gelangt war – daß all das im Verein mit der Tatsache, daß Deine Wünsche und Interessen dem Leben, nicht der Kunst galten, für Deinen eignen Bildungsfortschritt ebenso schädlich war wie für meine künstlerische Arbeit. Wenn ich meine Freundschaft mit Dir der Freundschaft mit noch Jüngern Männern, wie John Gray und Pierre Louys, vergleich«, schäme ich mich. Mein wahres Leben, mein höheres Leben gehörte ihnen und ihresgleichen. Von den grauenhaften Folgen meiner Freundschaft mit Dir spreche ich jetzt nicht. Ich denke bloß an ihr Wesen, solange sie währte. Sie war geistig entwürdigend für mich. Ansätze eines künstlerischen Temperaments im Keimen fanden sich bei Dir. Aber ich bin Dir entweder zu spät oder zu früh begegnet – ich weiß nicht, welches von beiden. Wenn Du weg warst, war alles in bester Ordnung mit mir. In dem Augenblick, Anfang Dezember des Jahres, auf das ich...