E-Book, Deutsch, Band 2, 530 Seiten
Reihe: Die-Unsterblichen-Reihe
White Vergessene Leidenschaft
16001. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95818-115-1
Verlag: Ullstein Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Fluch der Unsterblichen
E-Book, Deutsch, Band 2, 530 Seiten
Reihe: Die-Unsterblichen-Reihe
ISBN: 978-3-95818-115-1
Verlag: Ullstein Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Raywen White lebt gemeinsam mit ihrem Mann im Raum Frankfurt am Main. Schon als Kind wurde ihr nachgesagt, sie habe eine lebhafte Fantasie. Diese hat sie sich glücklicherweise bis heute bewahrt. Denn erst in den letzten Jahren entdeckte die Diplominformatikerin ihre Leidenschaft fürs Schreiben. Ganz besonders haben es ihr dabei die Genres Fantasy und Romance angetan, die sie gekonnt miteinander verbindet.
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1.
Wütend und gereizt schritt Bael Dragos durch den großen Raum und fuhr sich aufgebracht durch seine kurzen braunen Haare. Es war ungewohnt und merkwürdig, durch die sauberen Strähnen zu streichen, die sich nun in Wellen über seine Ohren legten. Lange Zeit hatte ihm kein Friseur zur Verfügung gestanden. Ihm hatte eigentlich gar nichts zur Verfügung gestanden. Nur Einsamkeit. Nur Dunkelheit.
Fünfundzwanzig Jahre lang war er kein Teil dieser Welt gewesen. War von einem Dämon in ein finsteres Loch geworfen worden. Doch das war nun vorbei. Sein gequälter Geist schien dies jedoch immer noch nicht wirklich glauben zu können. Das Gefühl, die schweren schmiedeeisernen Ketten würden um sein Fußgelenk liegen, ließ ihn einfach nicht los.
Das Zimmer, in dem er sich befand, machte ihn nervös. Es schien so leer zu sein wie sein Leben. Nur ein großes Futonbett und eine Kommode standen in dem fast kahlen Raum.
Nach fünfundzwanzig Jahren in dem kleinen Kerker hatte er nun das Gefühl, er würde sich in dieser Weite verlieren oder ins Nichts gezogen werden. Die Wände waren weiß gestrichen, alles war hell und freundlich, blendete seine Augen, die so lange nur Dunkelheit gekannt hatten.
Die großen Panoramafenster boten einen wundervollen Ausblick auf die leuchtende Skyline von New York, die sich vor dem dunklen, wolkenverhangenen Himmel abhob. Doch er vermied es, einen Blick hinauszuwerfen, wandte sich verunsichert ab. Die Aussicht auf Freiheit beunruhigte ihn, nachdem er jahrelang nur auf nackten und kahlen Fels gestarrt hatte.
Wie oft hatte er sich in all den Jahren der Gefangenschaft nach diesem Ausblick gesehnt? Wie oft hatte er den Anblick der Skyline vor seinem inneren Auge heraufbeschworen? Doch jetzt, wo er ihn wahrhaftig direkt vor sich sah, konnte er ihn nicht ertragen. Er war ein Mahnmal, das ihn immerzu daran erinnerte, wie lange er fort gewesen war.
Fünfundzwanzig Jahre. Es hatte sich alles verändert. Er hatte sich verändert.
Der Zorn brodelte in ihm. Zugleich fühlte er sich verwirrt und verloren. Die Trauer um all die unwiederbringlichen Jahre lag schwer wie ein Mühlstein um seinen Hals. Wie ein verwundetes Tier wollte er sich zurückziehen, wollte einfach nur vergessen, was er in den letzten Jahren durchgemacht hatte. Doch die Wut brannte in ihm lichterloh, ließ ihn aggressiv von einer Seite des Raumes zur nächsten wandern, obwohl sein Körper, der so lange in einer kauernden Position verbracht hatte, dagegen aufbegehrte. Schweiß brach ihm aus allen Poren, seine lange nicht mehr gebrauchten Muskeln zitterten vor Anstrengung. Er sollte sich hinlegen, sollte sich Ruhe gönnen.
Doch er konnte es nicht. Eine kleine zierliche Blondine, die in dem riesigen Bett lag, hinderte ihn daran den Raum zu verlassen und sich wieder in ein enges und dunkles Loch zu verkriechen, wie er es am liebsten getan hätte.
Immer wieder wanderte sein aufgewühlter Blick zu ihr hin. Ihre Augen waren geschlossen und ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig. Seit Tagen lag sie nun schon so da. Ihre Haut war talgig und wässrig, sodass sie fast durchscheinend wirkte. Die junge Frau fühlte sich kalt und klamm an. Der Arzt, der sie untersucht hatte, meinte, sie liege im Koma, weil sie ihre gesamte magische Energie verbrannt hatte.
Wütend und verzweifelt hatte Bael dem Mann zugehört, der behauptete, er könne nicht sagen, ob sie überhaupt jemals wieder zu Bewusstsein kommen würde, geschweige denn wann. Bis vor fünf Tagen war er ihr nie zuvor begegnet gewesen. Bis vor fünf Tagen war er noch ein Gefangener gewesen.
Wütend raufte er sich die Haare. Ihr verdankte er seine Rettung aus der Hölle, die Chance darauf, wieder ein Leben führen zu können. Sie bedeutete Hoffnung.
Verloren stand er da und sah hilflos auf das Wunder, das er immer noch nicht begreifen konnte. Auf die glückliche Vergangenheit, für die sie stand. Die Vergangenheit, die er verloren hatte.
Zornig drehte er sich um und schritt in die andere Richtung des Raumes.
Fünfundzwanzig Jahre, die er unwiederbringlich verloren hatte.
Das gleichmäßige Pochen ihres Herzens war deutlich über die Stille hinweg zu hören. Bael war dabei gewesen, als sie sich dermaßen verausgabt hatte, dass ihr Körper in diesen komatösen Zustand gefallen war. Doch er hatte ihr nicht helfen können, er war zu schwach gewesen. Kaum bei Bewusstsein. Es machte ihn wütend und verbittert, er hätte es verhindern können. Er hätte verhindern müssen, dass sie ihr eigenes Leben beinahe geopfert hätte.
Zähneknirschend wanderte sein finsterer Blick von dem wichtigen Wesen im Bett auf den schwarzhaarigen Mann, der indirekt für den besorgniserregenden Zustand der jungen Frau verantwortlich war.
Der Kerl war immerhin ein Drache, er wäre nicht an einer lächerlichen Schusswunde gestorben. Aber das hatte sie nicht wissen können. Sie war so unschuldig, hatte keine Ahnung von seiner Welt, die nun auch ihre war. Sie war als Mensch aufgewachsen.
Weil ich nicht da war. Weil ich nichts von ihr wusste.
Selbstekel überrollte ihn, machte ihn noch wütender. Knurrend trat er einen Schritt auf den Mann zu. Doch Kane Kincade hatte keinen Blick für das, was um ihn herum geschah. Er schien die vielen Leute, die immer wieder in sein Schlafzimmer platzten und mit ihm sprachen, nicht einmal zu bemerken. Er hockte einfach nur neben der zerbrechlich aussehenden Person im Bett und griff wiederholt nach ihrer Hand, ihrem Haar. Streichelte und berührte sie, als wolle er sich davon überzeugen, dass das Mädchen wirklich noch lebte. Dass sie real war.
Auch wenn er Kane in diesem Moment gerne den Hals umgedreht hätte, er konnte ihn verstehen. Konnte dieses drängende Bedürfnis nur zu gut nachvollziehen, da er selbst sich auch ständig vergewissern musste, dass die junge Frau real war. Dass sie nicht nur ein Traum war und er in Wirklichkeit noch immer in seinem Kerker saß, endgültig dem Wahnsinn verfallen.
Er rieb sich über das glatte Gesicht und wunderte sich, dass nicht, wie noch vor wenigen Tagen, lange Barthaare sein Kinn bedeckten. Es hatte sich so viel verändert.
Eingehend betrachtete er das Mädchen. Sie ähnelte ihrer Mutter, hatte die gleiche kleine Stupsnase, aber auch die hohen Wangenknochen der stolzen Elfe. Vor allem aber hatte sie ihre Augen. Diese tiefen grünen Seen, die wie ein Meer aus frischem Gras wirkten. Schmerzhaft zog sich sein Herz zusammen, als er sich erinnerte. Er wollte, dass die junge Frau die Augen wieder öffnete, damit er sicher sein konnte, dass er nicht geträumt hatte.
Er verharrte und starrte einfach auf dieses Wunder. Sein Zorn verpuffte und wurde durch Ungläubigkeit ersetzt. Es war ihm immer noch unbegreiflich, dass dies sein Kind sein sollte. Seine Tochter. Verbittert raufte er sich die Haare. Es war unmöglich. Sie konnte nicht seine Tochter sein. Und doch war sie es. Er wusste es. Müde rieb er sich erneut das Gesicht und durchstreifte weiter das Zimmer.
Sobald er dem Bett auch nur ein wenig nahekam, vernahm er das leise Knurren seines zukünftigen Schwiegersohns. Er konnte es ihm nicht einmal verübeln, nicht nachdem er, ihr eigener Vater, versucht hatte, sie zu töten. Es spielte dabei keine Rolle, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gewusst hatte, dass sie sein eigen Fleisch und Blut war. Seine Tochter. Er hatte eine Tochter.
Es war unglaublich. Es war unmöglich. Es war ein Wunder. Sie war ein Wunder. Nicht nur für ihn, für seine ganze Spezies war ihre Existenz etwas Besonderes. Sie bedeutete Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Und doch zugleich auch die schmerzhafte Erinnerung an das, was sein Volk unwiederbringlich zerstören konnte, was es bereits verloren hatte. Er hatte verhindern müssen, dass sie den ärgsten Feinden seines Volkes, den Dämonen, in die Hände fiel. Dass sich das grausame Schicksal seiner Art wiederholte. Ihm drehte sich auch jetzt noch der Magen um und seine animalische Seite kam dichter an die Oberfläche, ließ ihn tief in der Brust ein drohendes Knurren ausstoßen.
Wenn er daran dachte, dass sie tatsächlich in die Hände seines Feindes gelangt war. Welche Pläne der Dämon mit ihr gehabt hatte, der ihn selbst all die Jahre gefangen gehalten hatte. Es trieb ihm die Tränen in die Augen. Zornig fauchte er und versuchte sich nicht auf den jungen Mann zu stürzen, der die Schuld an ihrer Gefangennahme trug. Der sie dieser Bestie ausgeliefert hatte. Er durfte jetzt nicht darüber nachdenken, durfte nicht die Kontrolle verlieren. Sonst würde er sich in das gefährliche Wesen verwandeln, das er in Wahrheit war.
Abermals durchstreifte er den Raum und grübelte darüber nach, dass sich innerhalb von so wenigen Tagen sein Leben unwiderruflich geändert hatte. Er sollte glücklich darüber sein, doch die Zeit im Kerker hatte Spuren hinterlassen, er war nicht mehr der ausgeglichene und optimistische Mann, der er vor seiner Gefangenschaft gewesen war. Er hatte immer viel gelacht, doch es war, als hätte er es in all den Jahren verlernt.
Der Schmerz und der Wahnsinn, die seine einzigen Gefährten in der kleinen Kerkerzelle gewesen waren, hatten ihre Klauen tief in ihn geschlagen, ihn immer noch nicht verlassen. Eine falsche Bewegung von Kane und er würde ihm die Kehle zerfetzen.
Er wollte ihm die Kehle zerfetzen.
Seine Tochter war durch die Hölle gegangen wegen diesem Mistkerl. Seine Reißzähne wurden länger, genauso wie sich seine Klauen zu spitzen Dolchen formten. Da war er wieder, der blanke Zorn des Wahnsinns, der in ihm wütete und seine Schritte durch den großen Raum beschleunigte, wie auch den Takt seines Herzschlags. Er...