White | Jack Holmes und sein Freund | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 400 Seiten

White Jack Holmes und sein Freund


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-86787-480-9
Verlag: Bruno Books, Salzgeber Buchverlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-86787-480-9
Verlag: Bruno Books, Salzgeber Buchverlage GmbH
Format: EPUB
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New York, Anfang der Sechziger: Jack Holmes hat sich in einen Mann verliebt. Das Objekt seiner Begierde, der junge Schriftsteller Will, arbeitet gemeinsam mit Jack für ein Kunstmagazin. Die beiden werden gute Freunde, auch wenn Jacks unerfüllte Sehnsucht dadurch nur noch leidenschaftlicher und verzweifelter wird. Immer wieder kommt er Will nahe - und immer wieder fragt er sich, ob sich sein Traum je erfüllen wird. Mit Leichtigkeit und Eleganz erzählt Edmund White die Geschichte einer Freundschaft, die Jack und Will durch die Jahrzehnte trägt.

Edmund White, 1940 in Cincinnati, Ohio, geboren, zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Schriftstellern der Gegenwart. Gemeinsam mit anderen Autoren gründete er Anfang der achtziger Jahre die Gruppe Violet Quill, die die schwule Literatur in den USA entscheidend prägte. Das englische Original seiner autobiografischen Erzählung 'Selbstbildnis eines Jünglings' erschien erstmals 1982. Es folgte eine Vielzahl weiterer Veröffentlichungen, darunter die Romane 'Und das schöne Zimmer ist leer' und 'Abschiedssymphonie', Biografien über Jean Genet, Marcel Proust und Arthur Rimbaud sowie die Memoiren-Bände 'My Lives' und 'City Boy'. Für sein literarisches Schaffen erhielt Edmund White zahlreiche Preise, unter anderem den Award for Literature der American Academy of Arts and Letters, den National Book Critics Circle Award und den Preis des Festivals von Deauville für sein Gesamtwerk.

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1. Jack, der einer exzentrischen Familie aus dem Mittleren Westen entstammte, war sich nicht ganz darüber im Klaren, was ein Gentleman anderes war, als jemand, der den Damen die Tür aufhielt und in gemischter Gesellschaft nicht fluchte. Er hatte ein Internat besucht, aber eines außerhalb von Detroit, auf das die ›Automobiler‹ ihre Söhne schickten. Man beurteilte einander nach den Autos, nicht nach Umgangsformen oder der Kleidung. Und auch wenn die Jungs Jackett und Krawatte tragen mussten, kauften die meisten ihre Klamotten von der Stange und trugen sie ungebügelt und ohne Stil. Wer sollte sich schon darum scheren, wie er angezogen war, wenn er in einer Corvette, einem Austin-Healey oder einem Thunderbird die laubbedeckten Hügel der Bloomfield Hills rauf- und runterbrettern oder sich auf der Woodward Avenue eine Wettfahrt mit einem älteren Geschäftsmann liefern konnte? Auch wenn Jack seine Nase gerne in Bücher steckte und auf seine Weise kultiviert war, war er an schnoddrige Jungs gewöhnt, die in einer lauten, gänzlich männlichen Welt zuschlagender Spindtüren, dreckiger Knie und gebrochener Nasen lebten. Hier wurden die Mahlzeiten in einem riesigen, pseudo-gotischen Speisesaal, den sie die »Kathedrale der Kohlenhydrate« nannten, gierig heruntergeschlungen. Im Detroit der fünfziger Jahre konnte niemand Pluspunkte sammeln, weil er belesen war oder Europa besucht hatte – na ja, ein Besuch ging in Ordnung. Reisen waren noch immer sehr kostspielig und führten selten ins Ausland. Die intelligente Tochter einer wohlhabenden Familie lebte vielleicht mal für ein Semester bei einer französischen Familie in Tours, wo man angeblich den besten Akzent hatte. Nach sechs Monaten brachte sie dann kaum einen richtigen Satz auf Französisch heraus, hatte aber fünf Kilo abgenommen und sich dunkle, hochgeschlossene Kleidung und ein überzeugendes französisches ›R‹ zugelegt (man konnte die amerikanischen Mädchen hören, wie sie sich während ihrer Heimreise auf der Queen Mary vertraulich fragten »Wie ist dein ›R‹?«). Die Jungs dachten gar nicht erst daran, sich an so etwas Qualvollem und Peinlichem wie einer anderen Sprache zu versuchen; sie würden allesamt Automobilbau an einer gewöhnlichen Universität in der näheren Umgebung studieren. Jack wäre ganz gerne ins Ausland gegangen, aber sein Vater, ein Chemieingenieur, konnte darin keinen Sinn erkennen. Er schickte seinen Sohn an die Universität von Michigan, weil sie auf halber Strecke zwischen seinem Haus in Cincinnati und seinem Sommerhäuschen am Walloon Lake in Michigan lag. Jack hatte sich erfolgreich in Harvard beworben und dort sogar ein Stipendium in Aussicht gestellt bekommen. Aber wie sich herausstellte, verdiente sein Vater dafür zu viel, sodass die Zusage letztlich nicht mehr als ein Lohn für Jacks Mühen war. Und Jacks Vater sagte, der Schlag solle ihn treffen, wenn je ein Sohn von ihm an einer Kommunisten-Universität wie Harvard studieren würde. Aber sogar an der Universität von Michigan schaffte Jack es, sich gleichzeitig als Sozialist zu bezeichnen und der südstaatlich geprägten Studentenverbindung seines Vaters beizutreten, in der sie während der Initiationszeremonie Masken mit Augenschlitzen trugen, Schwerter hielten und gelobten, die Reinheit der Frauen der Südstaaten zu beschützen. Sie hatten keine Schwarzen oder Juden als Mitglieder (die gutaussehenden, dunkelhaarigen Juden gehörten alle zur ZBT am anderen Ende der Straße), aber Jack hatte viele jüdische und chinesische Freunde (sein Hauptfach war Chinesische Kunstgeschichte), und er kannte sogar einen schwarzen Dichter, den all seine Bohemien-Freunde abgöttisch verehrten: Omar. Wenn Omar ihnen von Rilke erzählte, konnten sie Engelsflügel schlagen hören. Jack hatte befürchtet, dass sein Vater etwas gegen seinen Wunsch haben würde, Chinesische Kunstgeschichte zu studieren. Aber nein, er dachte, dass China die Zukunft und Jacks Wahl weise und vorausschauend sei. Was Jack seinem Vater lieber verschwieg, war die Tatsache, dass er die Malerei der mittleren Quing-Dynastie und Klassisches Chinesisch studieren wollte und kein Interesse daran hatte, das moderne Mandarin zu beherrschen. Er hatte auch nicht das Bedürfnis, nach China zu reisen; das Land seiner Träume lag ganz in der Vergangenheit. Er besuchte den Sprachkurs ein paarmal, damit sein Vater keinen Verdacht schöpfen würde, aber die seltsamen Klänge beschämten ihn so, dass er nicht in der Lage war, die Sprache laut zu sprechen. Einem seiner Dozenten half er, eine Geschichte der buddhistischen Kunst aus dem Klassischen Chinesisch zu übersetzen. Er war ein hochgewachsener Kerl mit Bauchmuskeln so hart wie ein Schildkrötenpanzer. Sein glattes Haar war von einer Farbe, die man als schmutzig-blond bezeichnet hätte, aber in Wirklichkeit war es immer peinlich sauber. Er benutzte das Shampoo von Breck, obwohl er wusste, dass es ein Produkt für Frauen war. Mädchen, die ihn mochten, sagten, er sähe aus wie der Junge von nebenan. Und wenn sie ihn wirklich mochten, sagten sie, dass man ihn sich als Pitcher in einem Baseball-Team vorstellen könne. Auf jedes Kompliment, jedes Interesse an seiner Person sprang er sofort an (was er anschließend jedes Mal bedauerte). Er fragte sich, ob seine merkwürdigen Eltern ihm zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatten. Im Internat schauten die Jungs an den Samstagabenden gemeinsam mit Schülerinnen des benachbarten Mädcheninternats Filme. Die Jungen, besonders die, die während des gesamten Schuljahres im Internat blieben, waren in dieser Gesellschaft unbeholfen wie Mönche. Es war schwer, sie dazu zu bewegen, sich mit ihren Gästen zu unterhalten, wenn nach dem Film Kekse und Apfelwein serviert wurden. Die Tagesschüler, die an den Wochenenden für gewöhnlich nicht da waren, waren wesentlich entspannter, wenn sie doch mal an den Veranstaltungen teilnahmen. Sie behandelten Frauen so, als würden sie immerhin derselben Spezies angehören, während die anderen Jungs rumdrucksten, seltsame Farben annahmen und sich gegenseitig in die Rippen pufften. Fast so, als hätten sie es mit gerade erst erstandenen Vollblutstuten zu tun: wertvoll, aber schwer zu reiten. Jack verstand sich mit Jungs und Mädchen gleichermaßen, weil er der klassische ›nette Kerl‹ war. Es war seine Art, völlig Fremde mit einer sehr spezifischen, fast abwegigen Frage anzusprechen. So konnte es beispielsweise vorkommen, dass er bei einer studentischen Fotoausstellung ganz unvermittelt zu einem Unbekannten sagte: »Man kann deutlich sehen, dass all diese Bilder von ein und derselben Person stammen, nicht wahr? Alle Menschen sehen aus, als kämen sie direkt aus den Dreißigern.« So seltsam diese Art der Annäherung auch sein mochte, erforderte sie doch von seinem Gesprächspartner nicht mehr als eine Meinung – als ob man sich immer schon gekannt hätte. Er musste nie darüber nachdenken, wie weit er mit einem Mädchen gehen wollte, da er mit allen eng befreundet war. An einem Frühlingssonntag konnte er mit seiner Freundin Annie Hand in Hand spazieren gehen; dabei schien sie so entspannt und keusch zu sein wie er selbst. Oft bot sie sogar einer Freundin an, sie zu begleiten. Dann zogen sie über das weite Gelände und machten ironische Bemerkungen über den griechischen Tempel, der von vornherein als Ruine angelegt worden war, weil umgestürzte Säulen vermeintlich pittoresker aussehen als stehende. Mal spotteten sie über den fetten, trägen Goldfisch im Jonah-Teich, mal über den edwardianischen Prunk des Verbindungshauses mit seinen seidenen Lampenschirmen und den schweren, reich verzierten Eichenmöbeln. Jack und seine Freunde drückten sich immer ironisch aus, doch oft wussten sie nicht, ob sie die Themen, über die sie sprachen, ernst nahmen oder nicht. Ironie diente ihnen nur dazu, sich überlegen statt unsicher zu fühlen. Auf dem College in Ann Arbor hatte er einen intelligenten New Yorker als Zimmernachbarn. Howard war ein Chaot, der im Unterricht ständig einschlief und seine Klamotten nie wusch. Abends, wenn sie beide wach waren und lernten, hörten sie immer und immer wieder Prokofjews 1. Sinfonie. Die etwas säuerlichen Variationen mozartscher Kompositionen klangen, als hätte man eine gepuderte Perücke mit Zitronensaft ausgespült. Howard war entsetzlich dürr, grinste die ganze Zeit und entblößte dabei sein breites und tiefrosafarbenes Zahnfleisch; dann beugte er seine mageren Schultern nach vorne, und sein ganzer Körper bebte vor lautlosem Lachen. Er ›mimte ein Lachen‹, wie Schauspieler sagten. Howard spottete gern, war gleichzeitig aber auch freundlich. Jack wusste, dass Howard, der New Yorker Jude, ihn amüsiert als einen typischen WASP betrachtete, einen weißen angelsächsischen Protestanten aus dem Mittleren Westen. Ihm war bewusst, dass beide sich selbst für ziemlich durchschnittlich, den jeweils anderen aber für einigermaßen exotisch hielten. Sie kamen bestens miteinander aus. Jack hatte bereits sechs Jahre auf einem Internat zugebracht und konnte beinahe jeden tolerieren, ja an den meisten Menschen sogar Gefallen finden. Er nahm einfach ein Stück Kreide, zog eine Linie durch die Mitte des Zimmers und sagte Howard, dass er seinen Schmutz auf seiner Seite lassen und nicht in Jacks Bereich eindringen solle. Howard zog die Schultern hoch und tat wieder so, als würde er sich, amüsiert von Jacks typischer WASP-Pingeligkeit, vor Lachen ausschütten. Jack musste schmunzeln, wenn er daran dachte, wie wenig er dem gewöhnlichen WASP nach Howards Vorstellung entsprach. Er empfand sich durch und durch als Schöpfung seiner selbst, während Howard bei ihm an Hauslehrer und Halma-Turniere dachte, an Forellen, die aus kaltem Flusswasser gefischt wurden, und an...


Edmund White, 1940 in Cincinnati, Ohio, geboren, zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Schriftstellern der Gegenwart. Gemeinsam mit anderen Autoren gründete er Anfang der achtziger Jahre die Gruppe Violet Quill, die die schwule Literatur in den USA entscheidend prägte. Das englische Original seiner autobiografischen Erzählung "Selbstbildnis eines Jünglings" erschien erstmals 1982. Es folgte eine Vielzahl weiterer Veröffentlichungen, darunter die Romane "Und das schöne Zimmer ist leer" und "Abschiedssymphonie", Biografien über Jean Genet, Marcel Proust und Arthur Rimbaud sowie die Memoiren-Bände "My Lives" und "City Boy". Für sein literarisches Schaffen erhielt Edmund White zahlreiche Preise, unter anderem den Award for Literature der American Academy of Arts and Letters, den National Book Critics Circle Award und den Preis des Festivals von Deauville für sein Gesamtwerk.



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