Whaley | Das zweite Leben des Travis Coates | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Whaley Das zweite Leben des Travis Coates


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-446-24862-5
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-446-24862-5
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Seinen Kopf einfrieren und später auf einen gesunden Körper transplantieren? Travis hätte nie damit gerechnet, dass diese absurde Idee Realität werden könnte. Seine Einwilligung gab er, weil er Leukämie hatte – und nichts zu verlieren. Nun ist er nach fünf Jahren tatsächlich "wieder da". Doch er findet sein altes Leben nicht mehr. Sein Zimmer sieht anders aus. Seine Eltern scheinen ihm etwas zu verheimlichen. Und das Mädchen, das er liebt, hat sich mit einem anderen verlobt. Travis muss lernen, mit der Vergangenheit abzuschließen und neu anzufangen. Nur sind solche Dinge leichter gesagt als getan. Ein faszinierendes Jugendbuch über Identität, das Erwachsenwerden, Freundschaft und Liebe.

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2. KAPITEL DA BIST DU JA WIEDER, TRAVIS COATES Als Dr. Lloyd Saranson vom Saranson-Center für Lebenserhaltung mich bei uns zu Hause besuchte, kotzte ich gerade ins Klo des Gästebads, während mein Vater auf dem Badewannenrand saß und mir den Rücken tätschelte. Damals war ich schon fast ein Jahr lang krank, hatte jeden Krebsspezialisten im Drei-Staaten-Eck abgeklappert und alle Lebenshoffnung fahren lassen. Dann kam dieser Typ, bestand darauf, mich vom Sterbebett zu holen, und wollte uns zum abgedrehtesten Scheiß der Weltgeschichte überreden. Wir hörten ihm zu, denn das tun verzweifelte Menschen. Sie hören jedem zu, der etwas vorschlägt. »Travis«, sagte er, »ich will dir das Leben retten.« »Na, hoffentlich sind Sie kein Aufschneider.« Ich schaute grinsend zu meinen Eltern, aber sie waren entweder zu müde oder zu traurig, um zu lachen. »Und was wollen Sie tun?«, fragte mein Vater. »Sagt Ihnen Kryotechnik etwas?«, fragte Dr. Saranson mit ernster Stimme. »Gut dann. Danke für Ihren Besuch«, sagte meine Mutter, erhob sich und zeigte zur Tür. »Mrs Coates, ich bräuchte nur ein paar Minuten. Bitte.« »Wir haben schon einiges mitgemacht, wissen Sie, und …« »Mom«, unterbrach ich sie, »lass ihn erzählen.« »Also gut, weiter«, sagte sie und setzte sich wieder. »Travis, für diese Welt ist dein Körper verloren. Das wissen wir alle«, begann er, »eine traurige Sache, aber wir können nichts daran ändern.« »Strengen Sie sich an, Doktor. Bisher klingt das wenig erbaulich.« »Schon klar. Aber du musst wissen, mein Angebot erlöst dich von allen Sorgen.« »Wie das?«, fragte ich mit einem Blick zu meinen Eltern, die kurz davor waren, aufzuspringen und ihm an die Gurgel zu gehen. »Weil es für dich in der Zukunft verschiedene Möglichkeiten geben wird … weiterzuleben.« »In letzter Zeit habe ich wenig an die Zukunft gedacht«, sagte ich. »Tja, die Zukunft, Travis. Stell dir vor, du könntest in diesem Leben einfach einschlafen und irgendwann in einem neuen wieder aufwachen.« »Wie weit wäre diese Zukunft denn weg?«, fragte ich. In meiner Vorstellung sah ich mein Raumschiff, das sich wie bei George Jetson auf Koffergröße zusammenklappt. »Dank unserer neusten Entdeckungen können wir unsere ersten Patienten hoffentlich schon in zehn oder zwanzig Jahren reanimieren.« »Ist das Ihr Ernst?«, fragte mein Vater. »Absolut, Mister Coates.« »Macht sonst schon jemand mit dabei?«, fragte ich. »Du wärst unser siebzehnter Patient.« »Also mit dieser Kryotechnik«, sagte mein Vater, »wollen Sie Travis einfrieren und irgendwann, wenn’s klappt, wieder aufwecken.« »Nicht ganz«, sagte Dr. Saranson, »wie ich schon sagte, Travis’ Körper ist für diese Welt verloren.« »Mein Gott«, flüsterte meine Mutter mit Ekel und Schrecken im Gesicht. »Meinen Kopf?«, fragte ich und deutete darauf, als wüsste der Chirurg sonst nicht, was ich meinte. »Sie wollen nur meinen Kopf einfrieren?« »Das ist dein einziger Körperteil ohne Krebszellen.« Dieser Typ sprach so, als würden wir uns schon lange kennen – mit einer Umgänglichkeit und Lockerheit, die sich Fremde vor dem »sterbenden Kind« sonst nicht erlaubten. Ehrlich gesagt, gefiel mir das. »Sie hauen mich k. o., frieren meinen Kopf ein, und ich wache irgendwann in der Zukunft ohne Körper auf und roll dann so rum.« »Es gibt mehrere Szenarien, wie du in der Zukunft leben könntest – wenn Sie mich kurz anhören wollen.« Mögliche Szenarien für mein künftiges Weiterleben (Kurzfassung) Ganzkörper-Wiederherstellung durch Stammzellenimplantation in kontrollierte Nährlösung Transplantation des Kraniums auf eine Robotervorrichtung Transplantation des Kraniums auf einen Spenderkörper Übertragung der Neuronalinformationen in einen Spenderkörper mit Spendergehirn Persönliche Reaktionen auf die möglichen Szenarien für mein künftiges Weiterleben (Kurzfassung) Igitt ROBOTERARME!!! Nein, das bestimmt nicht Waaaas? Nachdem Dr. Saranson an diesem Tag gegangen war, brachen meine Eltern in Lachen aus, was zur Abwechslung mal ganz schön gewesen wäre, hätte ich mich nicht im Stillen und ohne nach ihrer Meinung zu fragen dafür entschieden, an dem Programm teilzunehmen. Ich war das Sterben leid und hielt diesen Vorschlag für den besten seit Monaten, vor allem weil er weder auf Bestrahlen noch auf wochenlanges Herumkotzen hinauslief. Ich sah meine Lage folgendermaßen: Sterben würde ich sowieso. Warum sollte ich nicht einfach einschlafen mit einer geringen (okay, es war völlig unmöglich – aber dennoch geringen) Wahrscheinlichkeit zurückzukommen, anstatt diese ewige Folterei mitzumachen, bei der alle mir lieben Menschen dabei zusahen, wie ich langsam dahinsiechte. Vielleicht würde ich nie wieder aufwachen, aber als ich die verdammte Idee einmal im Kopf hatte, bekam ich sie nicht mehr heraus. Meine Eltern konnte ich schneller überzeugen als vermutet. Sie liebten mich. Ich lag im Sterben. Und auf diese Weise hätte das ein Ende. Schon komisch, wie einfach alles wurde, als die Entscheidung einmal getroffen war. Nie hätte ich gedacht, dass sich durch die Kenntnis meines genauen Verfallsdatums etwas änderte, aber so war es. Für uns alle. Die wenigen Leute, denen wir davon erzählten, konnten es nur schwer verstehen, aber wahrscheinlich tat es ihnen genauso gut wie mir, mich endlich gehen zu lassen. Also ließ ich los. Wir alle ließen los. Und ich kam zurück. Ja, Wahnsinn, ich kam zurück. Es war großartig, wieder da zu sein, zumindest so lange, bis meine Eltern und Dr. Saranson mir erklärt hatten, dass ich auf den Körper eines anderen Menschen gesetzt worden war. Dann mussten sie mich wieder ruhigstellen, da ich mir panisch an den Hals fasste und immer wieder den Tropf herausriss. Als ich das nächste Mal aufwachte, waren meine Handgelenke und Knöchel mit kleinen gepolsterten Riemen fixiert, und der Ausdruck auf den Gesichtern meiner Eltern hatte etwas gelitten, so als hätten sie zwischenzeitlich vergessen zu schlafen. Sie sahen fast so aus, wie ich sie zuletzt in Erinnerung hatte. Ein paar Tage später, als ich endlich sprechen durfte, ließ ich mir die Sache genauer erklären, musste aber versichern, nicht auszurasten und mich auch nicht mehr vom neuen Körper trennen zu wollen. Ihr kennt das, eine ganz alltägliche Situation. »Die gute Nachricht ist, dass du wieder da bist«, begann Dr. Saranson, »du bist vollkommen gesund und wirst nun dein Leben leben, so wie es hätte sein sollen.« »Und die schlechte Nachricht?« Meine Stimme klang kratzig, ein richtiges Reibeisen. »Keine schlechte Nachricht, nur dass es sich wohl komisch anfühlt und du dich erst daran gewöhnen musst.« »An den Körper, meinen Sie?« »Genau. Deinen Körper, Travis. Der gehört jetzt dir.« »Wo kommt der her?« »Von einem Spender. Ein Sechzehnjähriger wie du, den wir leider nicht retten konnten.« »Was war mit ihm?« »Hirntumor«, sagte mein Vater leise. »Er wusste, wie es ihm ergehen würde. Er wollte einem anderen Menschen das Leben retten, und deswegen bist du hier.« »Und seine Familie? Wissen die von mir?« »Ja. Sie können sich bei dir melden. Falls sie dich kennenlernen wollen. Nette Menschen. Sie haben Jeremys Spende nicht verheimlicht. Sie waren stolz auf ihn.« »Aber du entscheidest dann, ob du den Kontakt willst«, fügte mein Vater hinzu. »Jeremy?«, fragte ich. »Ja, Jeremy Pratt«, bestätigte Dr. Saranson, »ein lieber Junge.« »Wie lange war ich weg?« »Letzten Monat waren es fünf Jahre«, sagte meine Mutter. »Fünf Jahre?«, fragte ich verblüfft. »Die Wissenschaft kam viel schneller voran als vermutet«, sagte Dr. Saranson mit einem Lächeln. »Ich dachte mir schon, zwanzig Jahre habt ihr euch nicht so gut gehalten.« »Ach du, so sicher wäre ich da nicht«, sagte mein Vater. »Gibt’s noch … irgendwelche anderen?«, fragte ich. »Einen. Ein Mann namens Lawrence Ramsey aus Cleveland. Wir haben ihn vor sechs Monaten zurückgeholt, und er genießt das Leben schon wieder in vollen Zügen.« »Letzte Woche war er in einem Werbespot für Ford Pick-ups«, sagte mein Vater und verdrehte die Augen. »Weißt du, Travis, irgendwann kommt bestimmt der Moment, dass du mit jemandem reden willst, der ungefähr weiß, was du gerade durchmachst. Lawrence bietet sich da an, glaube ich, wenn du bereit bist.« »Okay. Aber im Augenblick bin ich noch nicht bereit.« »Ja, natürlich. Deine Lage ist außergewöhnlich, und es ist möglich oder wahrscheinlich, dass dich alles erst mal verwirrt. Aber bald gehst du nach Hause zurück und lebst wieder dein normales Leben.« »So wie es vor deiner Krankheit war«, sagte meine Mutter. »Genau. Du kommst wieder nach Hause, gehst wieder zur Schule, lernst neue Freunde kennen. Ganz einfach wird es nicht, aber du schaffst das, ja?« Schlagartig wurde mir klar, dass Cate und Kyle nicht mehr Cate und Kyle sein würden. Sie wären ungewohnte, ältere Abbilder ihrer selbst, die ich...


Jandl, Andreas
Andreas Jandl, geboren 1975 in Esslingen, studierte Theaterwissenschaften, Anglistik und Romanistik in Berlin, London und Montréal. Seit 2000 arbeitet er freiberuflich als Übersetzer aus dem Englischen und Französischen. Andreas Jandl lebt in Berlin.

Whaley, John Corey
John Corey Whaley wuchs in Louisiana auf und arbeitete als Lehrer, ehe er Schriftsteller wurde. Bei Hanser erschien 2014 sein Debüt Hier könnte das Ende der Welt sein, das u. a. mit dem Michael L. Printz Award ausgezeichnet wurde. 2015 folgte Das zweite Leben des Travis Coates, das sich unter den Finalisten für den National Book Award (2014) befand. 2017 erschien sein dritter Jugendroman Hochgradig unlogisches Verhalten. John Corey Whaley lebt in Südkalifornien.

John Corey Whaley wuchs in der Kleinstadt Springhill in Louisiana auf und studierte Englische Literatur an der Louisiana Tech University. Fünf Jahre lang arbeitete er als Lehrer und träumte von einer Schriftstellerkarriere. Bei Hanser erschien bereits sein Debüt, „Hier könnte das Ende der Welt sein“ (2014), für das er mit dem Michael L. Printz Award und dem William C. Morris Debut Award ausgezeichnet wurde. 2015 folgte sein Jugendroman „Das zweite Leben des Travis Coates“.



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