Wetz | Hans Blumenberg zur Einführung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Reihe: zur Einführung

Wetz Hans Blumenberg zur Einführung


unverändert
ISBN: 978-3-96060-055-8
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-055-8
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In seinen weit ausgreifenden Untersuchungen der abendländischen Geistesgeschichte hat Hans Blumenberg (1920-1996) einen Grundgedanken variiert: Auf der einen Seite steht, einem absolutistischen Souverän vergleichbar, die sinnleere, rücksichtslose Übermacht der realen Welt. Ihr gegenüber steht der schwache und ohnmächtige, aber erfindungsreiche Mensch, der von der Aufgabe, sich durch kulturelle Distanzierungsleistungen von dieser Willkürherrschaft zu entlasten, ganz in Anspruch genommen wird. Jenseits aller wissenschaftlichen Erkenntnis kann er der Frage nach dem Sinn seiner Existenz inmitten des sinnlosen Weltalls nicht entkommen.

Wetz Hans Blumenberg zur Einführung jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Auf Umwegen zur Einsiedelei
Als Blumenberg noch lebte, hätte man leicht annehmen können, er sei bereits tot; nachdem er tot ist, könnte man vermuten, er lebe noch. Woran liegt das? Die Antwort ist einfach: Ersteres an seinem freiwilligen Rückzug aus der Öffentlichkeit, Letzteres an den zahlreichen Neuerscheinungen aus dem Nachlass seit seinem Tod. Über die Person Hans Blumenberg war zu dessen Lebzeiten wenig in Erfahrung zu bringen. Wer ihn näher kennenlernen wollte, musste ihn lesen, und das ist noch heute so. Konsequent befolgte er den römischen Grundsatz: »De nobis ipsis silemus, de re autem – Über uns selbst wollen wir schweigen, allein die Sache möge sprechen.« Blumenberg lebte in zunehmender und zuletzt völliger Abgeschiedenheit. Immer weniger suchte er die Öffentlichkeit – in den letzten Jahren überhaupt nicht mehr, gemäß der bekannten Sentenz des Ovid: »Bene vixit, qui bene latuit – Wohl lebt, wer im Verborgenen lebt.« Er führte das Leben eines philosophischen Eremiten, der in ein selbstgewähltes Exil ging, um in Ruhe schreiben zu können. Schreiben ist die vornehmste Art, sich von der Welt zurückzuziehen! Dennoch versteht sich ein solcher Rückzug im gegenwärtigen Wissenschaftsbetrieb keineswegs von selbst, in dem die Experten sich nicht nur dauernd Gehör verschaffen möchten, sondern auch ständig ins Bild zu bringen versuchen. Allenthalben ist ein Drang nach Sichtbarkeit zu beobachten: Sehen und Gesehenwerden bei Vorträgen, auf Kongressen, in Zeitungen und im Fernsehen. Blumenberg bildete da eine Ausnahme. Sichtbarkeit mit Verwundbarkeit gleichsetzend, entzog er sich dem Wissenschaftstourismus, der Kamera der Fotografen ebenso wie der des Fernsehens und zog es vor, in seiner Höhle zu bleiben – eine Metapher, mit der sich eines seiner umfangreichsten Bücher näher befasst (vgl. H). Eine Höhle macht das Auffällige unsichtbar und bietet Schutz dem Angreifbaren. Überspitzt formuliert könnte man Blumenbergs Verhältnis zu Menschen sogar mit der Beziehung von Löwen, die er als »sehr fleischeslustig« bezeichnete, zu Elefanten vergleichen, die er »sehr fleischhaltig« nannte: »Wenn sie sich nichts tun, so nicht aus Zuneigung […]: Sie interessieren sich nicht füreinander. Das ist die solideste Grundlage fürs Überleben der einen mit den anderen […]: Der eine ist für den anderen abwesend.« (Lö, 90) Mehr als die Menschen scheint Blumenberg die Bücher geliebt zu haben, über die er selbst wieder Bücher schrieb. Wie ein kenntnisreicher Besucher einer Weltausstellung, die das Leben von Jahrhunderten, alte und neue Kulturen zeigt, bewegte er sich in der abendländischen Geistesgeschichte. Dabei passt die von Jacob Burckhardt geprägte Metapher des »Wühlergeistes« (H, 644) ebenso gut auf ihn selbst: »Der Geist weht nicht, wo und wohin er will – und er weht eben gar nicht, sondern er wühlt […]; geweht wird in der Luft, gewühlt wird im Boden. Das macht die Verschärfung aus […], daß es im Boden an die Wurzeln geht. Das Wühlen im Boden unterwühlt diesen, macht alle Sicherheit des Stehens und Gehens auf ihm dubios.« (H, 645) Hiernach liegt das wirklich Wissenswerte weniger in der Höhe als vielmehr in der Tiefe. Das Ideal von Blumenbergs Existenz hat Theodor Fontane formuliert, mit dem er sich gleichfalls intensiv auseinandersetzte: »still sitzen, wenig Störung, schreiben, lesen und Kaffee trinken« (F, 20). Doch lastete auf Blumenberg ein ungeheurer Zeitdruck, der sich im Alter verstärkte: Er wollte möglichst viele Bücher schreiben, nachdem er durch den Nationalsozialismus wichtige Jahre verloren hatte. Um diesen Verlust wettzumachen, sollte die Lebenszeit optimal genutzt werden. Darum schottete er sich von seinen Lesern ab, denen er für gewöhnlich viel, manchmal zu viel zumutet. Blumenbergs gelehrte Werke bewegen sich hart an der Grenze des Erträglichen, die sie hin und wieder überschreiten. Er ist zwar als Verfasser packender und zupackender Bücher bekannt – als ein Meister der Sprache, der oft brillante und elegante Formulierungen wählt und mit einprägsamen Wendungen nicht ohne Spannung interessante Zusammenhänge und Hintergründe aufdeckt, die etwas verständlich machen, das bislang unverständlich war. Auch fasziniert er sein Publikum durch die ungeheure Breite seiner Themen und eine kaum zu übertreffende Wissensfülle auf den Gebieten der Geschichte, Literatur, Astronomie, Theologie und Philosophie. Dennoch sind seine Texte schwer zugänglich, nicht für eine breite Leserschaft bestimmt, eher schon für ein gebildetes, um nicht zu sagen erlesenes Publikum – gemäß einem Ausspruch des Horaz: »Odi profanum volgus et arceo – Abhold bin ich gemeinem Volk, ich halte es fern.« Blumenbergs komplizierte Denk- und Schreibweise wie auch die verborgene logische Struktur der Argumentation erschweren manchen Interessierten den Zugang. Seine Fragestellung ist nicht immer klar ersichtlich und die Grundthese nur selten auf Anhieb verständlich. Blumenberg wählt für die Darstellung seiner verschlungenen Gedanken eine Kompositionsweise, die dem Leser ein Höchstmaß an Problemsensibilität und Konzentration abverlangt. In der Sprache der Musik gesprochen, bedient er sich nicht so sehr der Form der Sonate als vielmehr der Form der Suite. All dies bringt es mit sich, dass die Grundabsicht und Grundthese seiner Darstellungen häufig schwer auszumachen sind. Gleichwohl gibt es sie natürlich in seinen an Gedanken und Anregungen reichen Werken, auch ohne dass die näheren Angaben und Ausführungen hierzu besonders hervorgehoben werden oder die Grundabsicht am Anfang, die Grundthese am Ende seiner Bücher steht. Fest steht allein: Sie sind irgendwo anzutreffen. Jedoch bekommt man sie ohne geduldige und ausdauernde Lektüre nicht zu fassen. Das begrenzt von vornherein die Leserschaft, für die er schrieb, ohne sich um Fragen der Rezeption zu kümmern, was auf einen ungelösten Widerspruch hindeutet. Denn wozu Bücher verfassen für ein Publikum, das einen nicht interessiert? Weshalb möglichst schnell und schwer verständlich schreiben, wenn das Geschriebene doch nur Eingeweihte entschlüsseln können? Sicherlich hätte sich Blumenberg als Schriftgelehrter auf den alten Ausspruch zurückziehen können: »Mihi ipsi scripsi – Für mich selbst habe ich geschrieben.« Dementsprechend hätte er an der Verbreitung eigener Schriften keinerlei Interesse zeigen müssen, weil ihr Ertrag so lediglich in einem besseren Selbstverständnis gelegen hätte. Nur, warum publiziert man dann überhaupt? Mit trockener Ironie fragte Blumenberg selbst: »Wann mag ein Urheber von Werken zufrieden sein mit dem Radius seiner Wirkung […]? Sind 50 Leser eines Buches eine kleine Gemeinde? […] Sind 5000 abgesetzte Exemplare Indiz für einen schönen Erfolg? […] 500 000 in 25 Sprachen dann ein Welterfolg? Ich stelle mir einen hübschen Tag der Megalomanie vor, an dem mir ein Telegramm ins Haus kommt, die Hälfe der Menschheit […] habe eins meiner Bücher erworben und, demoskopisch gesichert, auch gelesen – beziehungsweise sich vorlesen lassen! Unfehlbar wäre meine Reaktion augenblicklich: Und bitte: Was macht die andere Hälfte?« (S, 30) Wie jeder Autor wollte auch Blumenberg gelesen werden; er wollte aber nicht, dass man über ihn schreibt. Davon riet er jedem ab, weil er immer noch lebe und arbeite, wie überhaupt große Teile seines Werkes noch unveröffentlicht seien, die als Nachlassbände erst nach und nach ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Einige davon sind erschienen, noch andere werden folgen. Sie enthalten manches Neue, Überraschende, Nennenswerte, aber nichts, das über den zu Lebzeiten in den »größeren« und »kleineren« Büchern entfalteten Grundgedanken hinausginge. Dessen allmähliche Entstehung soll im Folgenden nachgezeichnet und seine hintergründige Stellung in den verschiedenen Schriften offengelegt werden, ohne dabei das Spezifische und Unverwechselbare eines jeden dieser Bücher und Aufsätze außer Acht zu lassen. Im Laufe unseres Lebens erzielen wir Menschen manchmal Gewinne, dann wieder erleiden wir Verluste. Ziehen wir Bilanz, so spricht der Saldo mal für uns, mal gegen uns. Eine besonders traurige Angelegenheit wird das Leben in Augenblicken der Enttäuschung, oft aber sogar in Momenten der Erfüllung, wenn die Verwirklichung unserer Träume ein Gefühl der Leere nach sich zieht. Wie praktisch jedes Dasein zeichnet auch die Lebensgeschichte Blumenbergs ein Bild mit größeren und kleineren Glückserfahrungen, mehr oder weniger bewältigten Enttäuschungen und anrührenden Kränkungen. Hans Blumenberg ist einer der herausragenden Philosophen der Nachkriegszeit in Deutschland, dessen Werke zwar zu Lebzeiten folgenlos blieben, bis heute aber keineswegs erfolglos sind. Geboren wurde er am 13. Juli 1920 in Lübeck, wo er auch zur Schule ging. Im Jahre 1939 legte er als einziger Schüler seines...


Franz Josef Wetz ist Professor für Philosophie an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.