E-Book, Deutsch, 132 Seiten
Wesselmann Der Tecklenburger Landbote
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7693-8085-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine völkische, rassistische und antidemokratische Tageszeitung in Lengerich von 1930 bis 1933
E-Book, Deutsch, 132 Seiten
ISBN: 978-3-7693-8085-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die hier vorgelegte Fallstudie zum "Zeitungskrieg" in Lengerich um 1930 geht den gefährlichen Ideen aus dem völkisch-nationalen, antisemitischen Lager auf den Grund. Es ist dies die erste seriöse Untersuchung über die Anfänge des Tecklenburger Landboten.
Dr. Alfred Wesselmann, Jahrgang 1948, beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Geschichte der Stadt Lengerich.
Autoren/Hrsg.
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4. Der Zeitungskrieg
4.1. Schriftleiter Siegfried Zander
(29. November 1930 – 15. Mai 1931)
Mitten in die Auseinandersetzungen um den Tannenbergbund erschien am 29. November 1930 die erste Nummer des TL. Die Verantwortung für das Blatt lag in den Händen von Schriftleiter Siegfried Zander, der gelegentlich mit „Z.“ zeichnete. Den Anzeigenteil verwaltete Franz Huber. Das Impressum nannte zunächst: Der Landbote. Druck und Verlagsanstalt, Lengerich. Später erschien der TL bei der Papierindustrie G. m. b. H., Lengerich. Beides waren Subunternehmen von B+K, und mit dieser Bezeichnung werde ich mich der Klarheit halber auf den Verlag beziehen, in dem der TL erschien. Für die erste Abonnentenwerbung hatte der TL sich eine besondere Methode einfallen lassen: Er wollte viele Bauernsöhne einspannen, um Abonnenten zu gewinnen. So behauptete es jedenfalls der TL in seiner ersten Ausgabe und dankte seiner landwirtschaftlichen Klientel für ihr Engagement. Was hatte der TL an Neuem zu bieten? Der Leitartikel der ersten Ausgabe des TL hieß „Der Ruf des Tages“ und wollte aufrütteln, und zwar gegen ganz viele Missstände. So wurde u.a. die Großstadtkultur angeprangert ebenso wie ein angeblicher „jüdischer Einfluß“ auf Wirtschaft und Politik. Woher sollte Rettung kommen? Es war der deutsche Bauer: „Man muß sich darüber rücksichtslos gegen sich selbst klar sein, daß der deutsche Bauer heute die Kraftquelle allen deutschen Volkstums ist. Er ist der Born, aus dem das deutsche Volk seine seelische Kraft schöpft. Aus dem Landvolk erhält das deutsche Volk seine Blutauffrischung. Ohne gesundes Bauerntum ist Deutschland dem Tode geweiht.“ Pathos markierte das Ende des Leitartikels: „Wir sagen Fehde an der Lüge und der Unwahrhaftigkeit. Wir erheben den Speer gegen alles Undeutsche. Wir stellen den Schild vor das Recht des schaffenden Volkes.“55 Wenige Wochen später konnte der TL melden: „Das Landvolk liest den Tecklenburger Landboten.“56 Am 5. Dezember 1930 erschien ein Kommentar auf der Hauptseite: „Deutsches Landvolk. Augen auf!“ Die Verschuldung der bäuerlichen Betriebe sei durch die Machenschaften „des Groß-Geld-Besitzes, des internationalen Judentums“ systematisch herbeigeführt worden. Direkt an den Bauern gewandt hieß es weiter: „Die geheimen Feinde aber sind die schlimmsten Feinde, deshalb … erkenne die inneren Feinde, die durch den heutigen Umsturz sich den Staat zu ihrem Gerichtsvollzieher gemacht haben. […] Erkenne das Weltjudentum. Das ist die Internationale vom Blute her.“57 Das waren nun doch Töne, die die Leserschaft im Kreis Tecklenburg in den vorhandenen Tageszeitungen eher weniger vernommen hatte. Sie müssen auf Linie mit den Eigentümern des TL gewesen sein, weil in den Folgenummern keine Korrektur der Ausrichtung erfolgte, wie die folgenden Darlegungen zeigen werden. Gleichzeitig ließ der TL eine Serie anlaufen, die den Titel trug „Demokratie und Parlamentarismus“. Schon nach wenigen Sätzen erschließt sich, dass der TL gegen beide titelgebende Begriffe gerichtet war. So ginge die Weimarer Verfassung zurück auf die „Schreibtischarbeit des jüdischen Professors Hugo Preuß [1860 – 1925]“. Mit der Verfassung sei es ihm gelungen, das Ziel, das in den Protokollen der Weisen von Zion formuliert war, zu befördern, „die ja nichts weiter darstellen als den Plan zur Errichtung der jüdischen Weltherrschaft.“58 Einen Beleg für den behaupteten Zusammenhang zwischen der Arbeit Preuß‘ und den schon 1930 als Fälschung bekannten Protokollen der Weisen von Zion blieb der TL schuldig. Die Ausrichtung des TL sollte somit eindeutig provozieren und blieb nicht unbemerkt. Die LZ reagierte entsprechend: „Tecklenburger Landvolk aufgepaßt! Es geht um Euren christlichen Glauben. In dem ‚Tannenberg-Jahrweiser‘, erschienen in Ludendorffs Volkswarte-Verlag, gedruckt in der Druckerei des ‚Tecklenburger Landboten‘, Lengerich i. W., schreibt General Ludendorff unter dem Titel ‚Meine Kampfziele‘ u. a.: „Deutscher Gottglaube und die sittlichen Ideale sind gestaltet aus dem Blute. Zu ihnen zurückzufinden ist Rettung des Volkes vor Entartung. Mit deutscher Ehrfurcht vor jeder sittlichen Glaubensüberzeugung und mit Deutscher Duldsamkeit gehen wir den Weg der Befreiung von Fremdwerk. Wie Herr Ludendorff sich die sittlichen Ideale, die ‚deutsche Ehrfurcht vor jeder sittlichen Glaubensüberzeugung‘ und die ‚deutsche Duldsamkeit in seinem Zukunftsstaate denkt, darüber gibt ein uns vorliegendes vertrauliches Verordnungsblatt des Schirmherrn erschöpfend Auskunft: ‚Immer mehr drängt sich die verderbliche Folge der christlichen Lehre auf unser Volkstum auf. Der Austritt aus der Kirche nimmt zu. In jedem Jahr treten 100.000 Katholiken aus der Kirche aus. Noch mehr Protestanten. In den letzten zwei Monaten werden in Berlin 10.000 Kirchenaustritte verzeichnet. Noch immer ist die Scheu bei Tannenbergern groß, den Kirchenaustritt zu vollziehen, namentlich aus äußeren Gründen. Ich begrüße es, daß einige Tannenberger jetzt schon bei der Namengebung von Kindern oder bei Beerdigungen sprechen. Das müßten die meisten Tannenberger können. Es handelt sich dabei um keine pastoralen Predigten, sondern um zu Herzen gehende Worte. Der Priestertalar, in dem Vertreter der Propaganda der jüdischen Weltherrschaft stehen, ist wirklich kein Vertreter bei feierlichen Handlungen freier Deutscher. Kann sich das deutsche Volk nicht vom Christentum befreien, so ist jeder Befreiungskampf hoffnungslos. Wir sehen doch heute, wie der Freiheitskampf der Millionen Deutschen mit Hilfe des Christentums in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, im Stahlhelm, in der Deutschkirche59 planmäßig eingefangen wird.‘ (!!) Auch diesem Bekenntnis des Herrn Ludendorff haben wir nichts weiter hinzuzufügen.“60 Die Feststellung der LZ bezüglich des Jahrweisers trifft zu. Der Tannenberg-Jahrweiser für 1931 wurde 1930 gedruckt bei: Der Landbote. Druckerei und Verlagsgesellschaft Lengerich i. W. (= B+K). Tannenberg-Jahrweiser 1931 Als Ernst Klein den neuen Schriftleiter Herbert Frank einstellte, verband er damit die Erwartung, dass dieser für Druckaufträge bzgl. des Tannenberg Jahrweiser und Ludendorffs Volkswarte sorgen werde.61 Daraus wurde nichts. B+K druckte zwar Schriften für den TB und Werbematerial für die Auftritte der TB-Redner im Kreis Tecklenburg, aber nicht mehr den Jahrweiser. SAL, C 348: Plakat für einen TB-Vortrag am 20. November 1931;
Druck bei B+K (s. kleines Bild). Es ist nicht klar, wer die Streichung vorgenommen hat. Anhänger des TB hatten dazu keinen Grund. Vielleicht wurde nach 1945 unkenntlich gemacht, wer „zu unseren Veranstaltungen keinen Zutritt“ hat? In dem Nachlass Herbert Frank im Institut für Zeitgeschichte in München (IfZ) gibt es entsprechende Schriften, die bei B+K gedruckt wurden und überregionale TB-Werbung beinhalteten. Beispiele sind „Aussprüche aus Luthers Schriften gegen die Juden“ oder „Das Wesen des römischen Faschismus.“62 Zu Beginn des Jahres 1931 setzte der TL seinen Kampf gegen die katholische Kirche und katholische Politiker fort. Taktisch geschickt wurde nachgedruckt, was der evangelische Konsistorialrat Wilhelm „Baltzer“63 in einem evangelischen Periodikum veröffentlicht hatte. Er warf führenden Zentrumsvertretern vor, „vaterlandslose Gesellen“ zu sein, Deutschland zur römischen „Provinz Germania“ machen zu wollen und die Auslieferung des deutschen Volkes an das internationale Finanzkapital zu betreiben. Deutlich zeige dies die Haltung führender Katholiken: des Papstes (gemeint in erster Linie Benedikt XV., 1854 – 1922), des Zentrumspolitikers Matthias Erzberger (1875 – 1921), des Zentrumspolitikers Prälat Ludwig Kaas (1881 – 1952), des (ehemalige Zentrums-) Reichskanzlers Josef Wirth (1879 – 1956), des (Zentrums-) Reichskanzlers Heinrich Brüning (1885 – 1970). Durch ihre Tolerierung des Kabinetts Brüning habe sich sogar die SPD zum Handlanger dieser Politik gemacht.64 Es dauerte nur wenige Tage, bis die IVZ darauf reagierte. Sie apostrophierte die „Enthüllungen“ im TL als ein „stinkiges Pamphlet“, das der gläubige Katholik schnell vernichten müsse, selbst wenn es umsonst ins Haus gekommen sei. Der TL sei ein völkisches Blatt und störe den konfessionellen Frieden. Die IVZ identifizierte den TL zudem als ein Blatt, das die Lehren Ludendorffs propagiere. Dazu druckte sie die Warnung der Lengericher Zeitung vom 17. Dezember 1930 in voller Länge nach. Die IVZ schloss ihren Artikel mit dem pathetischen Satz: „Wer uns anfaßt, beißt auf Granit. Merk Dir das, ‚Tecklenburger...