Wells | Die Zeitmaschine | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 130 Seiten

Reihe: Reclam Taschenbuch

Wells Die Zeitmaschine

Reclam Taschenbuch
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-15-962276-7
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Reclam Taschenbuch

E-Book, Deutsch, 130 Seiten

Reihe: Reclam Taschenbuch

ISBN: 978-3-15-962276-7
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In einer geselligen Runde im viktorianischen England berichtet ein Tüftler von seiner bahnbrechenden Erfindung: einer Zeitmaschine, einem Fluggerät, das sich längs der Zeitachse durch die Raumzeit bewegt. Mit ihr erkundet er die Zukunft der Menschheit sowie des Planeten Erde. Seine Reise führt über das Jahr 802 701, wo sich die Menschheit in zwei Rassen aufgespaltet hat, bis in eine 30 Millionen Jahre entfernte Zukunft. Was er berichtet, will ihm niemand glauben. Mit einer Kamera ausgerüstet, bricht der Zeitreisende ein weiteres Mal auf. Der Zeitreiseroman von 1895 begründete H. G. Wells' literarischen Welterfolg, denn er machte ihn über Nacht berühmt. Heute gilt Die Zeitmaschine als Klassiker der Science-Fiction-Literatur und als erster Roman, in dem eine Reise in die Zukunft vermittels einer Zeitmaschine beschrieben wird. - In einer Neuübersetzung von Hans-Christian Oeser und mit einer kompakten Biographie des Autors.

H. G. Wells (1866-1946) erlangte mit seinen Sci-Fi-Werken The Time Machine und The War of the Worlds Weltruhm. Beide sind auch in Reclams Roter Reihe erschienen.
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I

Einführung


Der Zeitreisende (denn so wollen wir ihn der Einfachheit halber nennen) setzte uns eine kaum begreifliche Angelegenheit auseinander. Seine grauen Augen funkelten und blitzten, und sein sonst so blasses Gesicht war lebhaft gerötet. Das Kaminfeuer loderte hell, und auf die Bläschen, die in unseren Gläsern perlten und verflogen, fiel der sanfte Schein der Glühfadenlampen in ihren lilienförmigen Schirmen aus Silber. Unsere Sessel, die nach seinem Entwurf gefertigt waren, umfingen und liebkosten uns eher, als dass wir in ihnen saßen, und es herrschte jene behagliche Atmosphäre nach Tisch, da die Gedanken anmutig dahinlaufen, frei von den Fesseln der Präzision. Und er legte es uns so dar – wobei er seine Argumente mit schlankem Zeigefinger unterstrich –, während wir dasaßen und in Anbetracht des neuen Paradoxons (denn dafür hielten wir es) träge seinen Ernst und seinen Erfindungsreichtum bewunderten.

»Sie müssen mir aufmerksam folgen. Ein oder zwei nahezu universell akzeptierte Ideen werde ich in Zweifel ziehen müssen. Die Geometrie zum Beispiel, die man Ihnen in der Schule beigebracht hat, beruht auf einer Fehlannahme.«

»Mit einer so großen Sache zu beginnen – ist das nicht ein bisschen viel verlangt?«, fragte Filby, eine streitlustige Person mit roten Haaren.

»Ich werde Sie nicht auffordern, irgendetwas zu akzeptieren, wofür es keinen vernünftigen Grund gibt. Bald werden Sie mir so viel zugestehen, wie ich von Ihnen benötige. Natürlich wissen Sie, dass eine mathematische Linie, eine Linie der Stärke , keine reale Existenz besitzt. So hat man es Ihnen doch beigebracht? Ebenso wenig eine mathematische Ebene. Derlei Dinge sind reine Abstraktionen.«

»Das stimmt«, sagte der Psychologe.

»Auch einem Würfel, der nur Länge, Breite, Höhe hat, kommt keine reale Existenz zu.«

»Da muss ich widersprechen«, sagte Filby. »Natürlich kann ein fester Körper existieren. Alle realen Gegenstände –«

»So denken die meisten Menschen. Aber warten Sie einen Augenblick. Existiert ein nur Würfel?«

»Ich kann Ihnen nicht folgen«, sagte Filby.

»Kommt einem Würfel, der keine Zeitdauer hat, reale Existenz zu?«

Filby wurde nachdenklich. »Offensichtlich«, fuhr der Zeitreisende fort, »muss sich jeder reale Körper in Richtungen ausdehnen: Er muss Länge, Breite, Höhe haben und – Dauer. Doch aufgrund einer naturbedingten Schwäche des Fleisches, die ich Ihnen gleich erläutern werde, neigen wir dazu, diesen Sachverhalt zu übersehen. Tatsächlich gibt es vier Dimensionen: drei, die wir die Ebenen des Raumes nennen, und eine vierte, die Zeit. Allerdings haben wir den Hang, zwischen den ersten drei Dimensionen und letzterer eine irreale Unterscheidung vorzunehmen, weil sich entlang letzterer unser Bewusstsein vom Anfang bis zum Ende unseres Lebens mit kleinen Unterbrechungen nur in Richtung fortbewegt.«

»Das«, sagte ein sehr junger Mann, der krampfhaft bemüht war, seine Zigarre an der Öllampe zu entzünden, »das … ist in der Tat offensichtlich.«

»Nun, es ist höchst bemerkenswert, dass dies so weithin übersehen wird«, fuhr der Zeitreisende mit einem leisen Anflug von Heiterkeit fort. »Eigentlich ist genau dies mit vierter Dimension gemeint, auch wenn einige Leute, die von vierter Dimension reden, nicht wissen, dass sie genau dies meinen. Es ist nur eine andere Art, die Zeit zu betrachten. Einige törichte Menschen haben diese Idee jedoch gründlich missverstanden. Ihnen allen ist bekannt, was sie über die vierte Dimension zu sagen haben?«

» nicht«, sagte der Bürgermeister aus der Provinz.

»Es ist schlichtweg so: Der Raum, so wie unsere Mathematiker ihn verstehen, hat drei Dimensionen, die man Länge, Breite, Höhe nennen kann, und ist stets durch drei Ebenen definierbar, die in rechtem Winkel zueinander stehen. Einige philosophische Köpfe jedoch haben sich gefragt: Weshalb gerade Dimensionen? Weshalb nicht eine weitere Richtung, jeweils in rechtem Winkel zu den anderen drei? Sie haben sogar versucht, eine vierdimensionale Geometrie zu konstruieren. Erst vor etwa einem Monat hat Professor Simon Newcomb der New Yorker Mathematischen Gesellschaft eine solche Theorie vorgelegt. Sie wissen, dass sich auf einer ebenen Fläche, die nur zwei Dimensionen hat, die Gestalt eines dreidimensionalen Körpers abbilden lässt. In ähnlicher Weise glaubt man, mittels dreidimensionaler Modelle ein vierdimensionales abbilden zu können – sofern man die Perspektive meistert. Verstehen Sie?«

»Ich glaube schon«, murmelte der Bürgermeister aus der Provinz, runzelte die Stirn und versank in Nachdenken, wobei seine Lippen sich bewegten wie bei einem, der mystische Worte wiederholt. »Ja, ich glaube, jetzt verstehe ich«, sagte er nach einiger Zeit, und seine Miene hellte sich vorübergehend auf.

»Nun, ich will Ihnen nicht vorenthalten, dass ich seit einiger Zeit an einer solchen Geometrie der vier Dimensionen arbeite. Einige meiner Ergebnisse sind kurios. Hier zum Beispiel haben wir das Porträt eines Menschen im Alter von acht Jahren, ein anderes mit fünfzehn, ein drittes mit siebzehn, wieder ein anderes mit dreiundzwanzig und so weiter. Offensichtlich handelt es sich bei all diesen gewissermaßen um Ausschnitte, um dreidimensionale Abbildungen seines vierdimensionalen Wesens, welches eine feste und unveränderliche Größe ist.«

»Die Wissenschaftler«, fuhr der Zeitreisende nach einer Pause fort, die erforderlich war, um die Information verarbeiten zu können, »wissen sehr wohl, dass die Zeit nur eine Art Raum ist. Hier haben wir ein populärwissenschaftliches Diagramm, eine Wetteraufzeichnung. Die Linie, die ich mit meinem Finger nachzeichne, zeigt die Bewegung des Barometers an. Gestern stand es soundso hoch, gestern Abend fiel es, heute Morgen stieg es wieder, und gemächlich immer höher bis hierher. Das Quecksilber hat diese Linie nicht in einer der allgemein anerkannten Raumdimensionen nachgezeichnet, richtig? Und doch hat es eine solche Linie nachgezeichnet, und so müssen wir schließen, dass diese Linie entlang der Zeitachse verlief.«

»Aber«, sagte der Mediziner und starrte angestrengt auf ein Stück Kohle im Feuer, »wenn die Zeit tatsächlich nur die vierte Dimension des Raumes ist, weshalb wird sie dann als etwas gänzlich anderes aufgefasst und ist schon immer so aufgefasst worden? Und weshalb können wir uns in der Zeit nicht genauso bewegen wie in den anderen Dimensionen des Raumes?«

Der Zeitreisende lächelte. »Sind Sie sicher, dass wir uns im Raum frei bewegen können? Wir können nach rechts und nach links gehen, uns ziemlich frei vor und zurück bewegen, das haben die Menschen schon immer getan. Ich gebe also zu: In zwei Dimensionen bewegen wir uns frei. Doch was ist mit auf und ab? Da schränkt uns die Schwerkraft ein.«

»Nicht ganz«, sagte der Mediziner. »Es gibt Ballons.«

»Aber vor den Ballons hatten die Menschen, abgesehen von sporadischen Sprüngen und Unebenheiten der Oberfläche, nicht die Freiheit, sich senkrecht zu bewegen.«

»Dennoch, ein wenig konnten sie sich auf und ab bewegen«, sagte der Mediziner.

»Leichter, viel leichter ab als auf.«

»Und in der Zeit können Sie sich überhaupt nicht bewegen; aus dem gegenwärtigen Augenblick können Sie sich nicht entfernen.«

»Mein lieber Sir, genau da irren Sie. Genau da hat die ganze Welt geirrt. Wir entfernen uns unentwegt aus dem gegenwärtigen Augenblick. Von der Wiege bis zur Bahre bewegt sich unsere geistige Existenz, die immateriell ist und keinerlei Dimensionen kennt, mit gleichbleibender Geschwindigkeit entlang der Zeitachse. So wie wir reisen könnten, wenn wir unser Dasein achtzig Kilometer über der Erdoberfläche beginnen würden.«

»Aber die große Schwierigkeit ist die«, unterbrach ihn der Psychologe. »Im Raum Sie sich in alle Richtungen bewegen, in der Zeit jedoch können Sie sich nicht bewegen.«

»Das ist die Keimzelle meiner großen Entdeckung. Aber Sie irren, wenn Sie sagen, dass wir uns in der Zeit nicht bewegen können. Wenn ich mich zum Beispiel sehr lebhaft an eine Begebenheit erinnere, gehe ich zurück zu dem Zeitpunkt, da sie sich ereignete. Ich bin, wie man sagt, geistig abwesend. Für einen Moment springe ich zurück. Natürlich haben wir nicht die Möglichkeit, beliebig lange zu verweilen, genauso wenig wie ein Wilder oder ein Tier die Möglichkeit hat, zwei Meter über dem Erdboden zu verweilen. Doch in dieser Hinsicht ist ein zivilisierter Mensch besser dran als der Wilde. Er kann entgegen der Schwerkraft in einem Ballon aufsteigen, und warum sollte er nicht hoffen, irgendwann einmal imstande zu sein, seine Schwebefahrt entlang der Zeitachse anzuhalten oder zu beschleunigen oder gar umzukehren und in die entgegengesetzte Richtung zu reisen?«

»Oh«, setzte Filby an, » ist –«

»Warum nicht?«, fragte der Zeitreisende.

»Das ist gegen die Vernunft«, sagte Filby.

»Gegen welche Vernunft?«, fragte der Zeitreisende.

»Sie können mir mit Argumenten beweisen, dass Schwarz und Weiß dasselbe sind«, sagte Filby, »aber überzeugen werden Sie mich nie.«

»Möglicherweise nicht«, sagte der Zeitreisende. »Doch jetzt verstehen Sie den Zweck meiner Untersuchungen zur Geometrie der vier Dimensionen. Schon vor langer Zeit hatte ich eine ungenaue Vorstellung von einer...



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