E-Book, Deutsch, 416 Seiten
Weimann Sakramentalien
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-911850-51-3
Verlag: Media Maria Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gnadenschatz der Kirche
E-Book, Deutsch, 416 Seiten
ISBN: 978-3-911850-51-3
Verlag: Media Maria Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ralph Weimann, geb. 1976, studierte Philosophie und Theologie in den USA, in Italien und Deutschland. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 2007 promovierte er mit einer Arbeit zum Thema 'Dogma und Fortschritt bei Joseph Ratzinger'. Daran schloss sich eine zweite Promotion im Bereich der Bioethik zum Thema 'Bioethik in einer säkularisierten Gesellschaft' an. Seit 2013 lehrt er an verschiedenen Hochschulen und Universitäten, vor allem an der Päpstlichen Universität Heiliger Thomas von Aquin (Angelicum) in Rom. Neben seiner Lehrtätigkeit ist er Autor zahlreicher Schriften. Zuletzt sind die Titel 'Wegweisung für das Ewige Leben' und 'Klarheit durch die Wahrheit' erschienen.
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Einleitung
Papst Benedikt XVI. hatte 2011 ein Jahr des Glaubens ausgerufen, um »einer tiefen Glaubenskrise, die viele Menschen befallen hat«,1 entgegenzuwirken. Diese Krise macht sich besonders im Hinblick auf das Verständnis und die Spendung von Sakramentalien bemerkbar, da diese erst durch den Glauben verständlich und wirksam werden. Es ist eine Tatsache, dass die Glaubenskrise weit fortgeschritten ist. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2019 glaubt nur ein Drittel der Katholiken in den USA an die Transsubstantiation, also daran, dass Brot und Wein bei der Feier der Eucharistie wirklich zu Leib und Blut Jesu Christi werden. »Würde man die Umfrage in Deutschland durchführen, dürften vermutlich ähnliche Resultate dabei herauskommen.«2 Auch weitere zentrale Glaubensgeheimnisse, wie der Glaube an die leibhafte Auferstehung Jesu Christi, sind selbst bei vielen Katholiken nicht mehr präsent. So ist es nicht verwunderlich, dass Kardinal Eijk von einem großen Glaubensabfall spricht, den er in den Niederlanden beobachtet.3
Wenn der Glaube an die zentralen übernatürlichen Wirklichkeiten abnimmt oder verschwindet, hat das unausweichlich Auswirkungen auf die Sakramentalien, da diese nur im Licht des Glaubens verständlich werden. Dazu zählt auch der Exorzismus, weswegen doppelt alarmieren muss, wenn der ehemalige Chefexorzist Roms, Gabriele Amorth († 2016), den grassierenden Unglauben unter den Spendern der Sakramentalien beklagt.4 Wenn der Glaube an die grundlegenden übernatürlichen Wahrheiten schwindet, schwindet zwangsläufig auch das Verständnis für die Sakramentalien, was wiederum Auswirkungen auf deren Wirksamkeit hat.
Wenn der Glaube schwindet, wächst der Aberglaube. Dies zeigt sich in der Zunahme esoterischer Praktiken wie Yoga, Reiki, Zen-Meditation und vielen mehr. Es ist erstaunlich, dass sie oft selbst von Priestern und Ordensleuten nicht nur geduldet und akzeptiert, sondern sogar gefördert werden. In dem Maß, in welchem die Sakramentalien vernachlässigt und abgelehnt werden, haben glaubensfremde Rituale Hochkonjunktur. Selbst Katholiken wenden viel Zeit, Mühe und Geld für Dinge auf, die unserem Glauben fremd und zum Teil entgegengesetzt sind. Vielen ist das Vertrauen auf die heilende und befreiende Kraft der Sakramentalien abhandengekommen.
Die Glaubenskrise hat zu der schmerzlichen Situation geführt, dass die Gläubigen, vor allem Priester und Ordensleute, im Hinblick auf die Sakramentalien oft recht unwissend sind. So kann es vorkommen, dass ein Priester zwar einen Doktortitel in Theologie vorweisen kann, aber nicht weiß, wie bestimmte Segnungen zu erteilen sind, was eine nicht sakramentale Weihe ausmacht, und selbst nur mangelhaft mit Befreiungsgebeten (Exorzismen) vertraut ist. An dieser Stelle tritt ein schwerwiegendes Problem zutage, das seinen Ausgang in einer leider verbreiteten Art und Weise nimmt, wie heute »Theologie« betrieben wird. Mit Verweis auf die sogenannte »Wissenschaftlichkeit« wird sich dabei fast ausschließlich auf rein menschliche Kriterien gestützt, wonach der »Glaube« sich nach soziologischen Studien, statistischen Erhebungen und historischen Gewissheiten richtet. Der Blick für die übernatürliche Wirklichkeit, die durch die Offenbarung zu uns kommt, geht immer mehr verloren.
Das größte Problem, das die Theologie im Allgemeinen und die Sakramentalien im Besonderen betrifft, wird bereits an dieser Stelle deutlich: der Mangel an Glauben. Sakramentalien lassen sich in der Tat nicht verstehen, wenn nicht der Glaube als eine »übernatürliche Gabe«5 angenommen wird, der eine verwandelnde Kraft innewohnt.6 Wegen des fehlenden Glaubens wies der Herr die Apostel zurecht, als sie nicht in der Lage waren, einen Dämon auszutreiben. Er sagte: »Wegen eures Kleinglaubens. Amen, das sage ich euch: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, dann werdet ihr zu diesem Berg sagen: Rück von hier nach dort! und er wird wegrücken. Nichts wird euch unmöglich sein« (Mt 17,20). Diese Perikope lässt deutlich werden, dass es einen großen Unterschied zwischen den Sakramentalien und den sieben Sakramenten gibt, da die Wirksamkeit der Sakramentalien bis zu einem gewissen Grad vom Glauben abhängt. Deshalb ist es wichtig, sich die Worte aus dem Hebräerbrief in Erinnerung zu rufen. Dort heißt es:
»Glaube aber ist: Grundlage dessen, was man erhofft, ein Zutagetreten von Tatsachen, die man nicht sieht. Aufgrund dieses Glaubens haben die Alten ein gutes Zeugnis erhalten. Aufgrund des Glaubens erkennen wir, dass die Welt durch Gottes Wort erschaffen wurde und so aus Unsichtbarem das Sichtbare entstanden ist. Aufgrund des Glaubens brachte Abel Gott ein besseres Opfer dar als Kain; durch diesen Glauben erhielt er das Zeugnis, dass er gerecht war, was Gott durch die Annahme seiner Opfergaben bezeugte; und durch den Glauben redet Abel noch, obwohl er tot ist. Aufgrund des Glaubens wurde Henoch entrückt, sodass er den Tod nicht schaute; er wurde nicht mehr gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte; vor der Entrückung erhielt er das Zeugnis, dass er Gefallen gefunden habe bei Gott. Ohne Glauben aber ist es unmöglich, Gott zu gefallen; denn wer hinzutreten will zu Gott, muss glauben, dass er ist und dass er die, die ihn suchen, belohnen wird« (Hebr 11,1–6).
Es sei an dieser Stelle betont, dass die Sakramentalien weder mit Aberglauben noch mit Magie zu tun haben. Vielmehr sind sie untrennbar mit dem Glauben an Jesus Christus verbunden, der die Quelle ihrer Wirksamkeit ist. Die Enzyklika Lumen fidei bietet einen präzisen und tiefgründigen Überblick über die Beziehung zwischen dem Glaubensakt und seinen geistlichen Wirkungen. Insbesondere in den ersten drei Kapiteln wird jene theologische Grundlage gelegt, die helfen wird, die Bedeutung und Wirksamkeit der Sakramentalien zu verstehen.7
Ein weiterer Aspekt, der als Bezugspunkt für die nachfolgenden Ausführungen dienen wird, ist als Vorbemerkung notwendig. Wenn in diesem Buch der Gebrauch und die Wirkung von Sakramentalien erklärt wird, muss dies immer im Lichte des Glaubens geschehen, welcher sein Fundament in der Offenbarung und im Dogma seinen definitiven Ausdruck findet. Nur auf diese Weise lässt sich ein Subjektivismus und ein Abgleiten in die Gnosis verhindern. Dabei ist es notwendig zu unterstreichen, dass es keinen Widerspruch zwischen Dogma und pastoraler Praxis gibt, weil jeder pastorale Ansatz im Widerspruch zum Dogma die Beziehung zwischen der lex credendi und – in diesem Fall – der lex celebrandi zerstören würde.8 Mit anderen Worten, die Art und Weise der Feier der Sakramentalien muss dem Glauben der Kirche entsprechen. Sollte dieser Zusammenhang verloren gehen, wäre der Gebrauch der Sakramentalien eine leere Geste ohne geistliche Wirkung. Vielmehr muss das Verständnis der Sakramentalien fest in der Offenbarung verankert sein. Die unsichtbare Wirklichkeit Gottes wurde durch die Menschwerdung Jesu Christi sichtbar und untrennbar mit der Autorität der Kirche verbunden. Die Offenbarung kommt zu uns durch die Heilige Schrift und die Tradition.9 Bedeutung und Gebrauch der Sakramentalien erschließen sich nur aus einer sakramental-theologischen Perspektive, die fest in der »göttlichen Quelle« der Offenbarung verankert ist und den Grund für ihre Existenz und die Quelle für ihre Wirksamkeit darstellt. Es geht darum, in der Dualität des Seins die natürliche und übernatürliche Dimension der Existenz aufzuzeigen und nicht einem Dualismus zu verfallen, der beide im Widerstreit sieht. Dies wird nur gelingen, wenn die Vernunft wieder zu ihrer ganzen Weite zurückfindet, die die Gottesfrage einschließt und den Positivismus übersteigt. Erst so kann die Bedeutung und der Gebrauch der Sakramentalien erschlossen werden.
Die Glaubenskrise hat in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass die Sakramentalien stiefmütterlich behandelt wurden,10 obwohl sie paradoxerweise das tägliche Brot eines jeden Priesters und auch der Laien sein sollten. Es kam »zur Auflösung des sensus fidei in den neuen Generationen, die oft unfähig sind zu einer Gesamtsicht ihrer Religion«;11 ein Prozess, den Kardinal Joseph Ratzinger bereits in den 80er-Jahren beschrieben hat.
Gleichzeitig kann man eine Überbetonung der Sakramente beobachten. Natürlich ist es wahr, dass die Sakramente die wirkmächtigsten Gnadenmittel der Kirche sind, und dennoch darf nicht vergessen werden, dass auch die Sakramentalien von großer Bedeutung für das Leben der Gläubigen sind, zumal sie auf die Sakramente hingeordnet sind. In den vergangenen Jahrzehnten beschränkte sich die kirchliche Verkündigung bestenfalls auf die Sakramente, für die Sakramentalien blieb kein Platz.
In diesem Buch soll dem entgegengewirkt werden, indem in einem ersten Teil die theologischen Grundlagen der Sakramentalien erörtert werden, während im zweiten Teil pastorale Erklärungen in den Vordergrund treten. Auf diese Weise soll es möglich werden, das Bewusstsein zu schärfen, um von den geistlichen Wirkungen der Sakramentalien Gebrauch zu machen. Außerdem verbindet sich damit die Hoffnung, einen Beitrag zu einer theologischen Wiederentdeckung der Sakramentalien zu leisten, um durch sie wertvolle Hilfsmittel für das Glaubensleben eines jeden Christen zu entdecken.
1 Vgl. Benedikt XVI., Apostolisches Schreiben in Form eines Motu Proprio Porta fidei, 11.10.2011, in: VApSt 191, 2. Für einen detaillierteren Überblick vgl. Ralph Weimann, »Kirchenkrise – Glaubenskrise. Sackgassen und Lösungsansätze«, in: NOrd 74 (1/2020),...




