Weiler | Kühn hat Hunger | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 336 Seiten

Reihe: Martin Kühn

Weiler Kühn hat Hunger

Roman
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-492-99516-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 3, 336 Seiten

Reihe: Martin Kühn

ISBN: 978-3-492-99516-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Leben geht zwar immer weiter, aber es wird nicht unbedingt leichter. Jedenfalls nicht für jeden von uns: Kommissar Kühn zum Beispiel hat das Gefühl, schwerer zu sein, als es ihm gut tut. In der Seele und um die Hüfte rum. Während er sich damit abplagt, Gewicht zu verlieren, um interessanter für seine Frau Susanne zu werden, muss er sich gegen die Intrigen seines vermeintlich besten Freundes und Kollegen Thomas Steierer wehren: Seine Karriere bei der Mordkommission hängt an einem immer dünneren Faden - und er bekommt es mit einem Mörder zu tun, der ihm zeigt, wie tief man als Mensch sinken kann. Mit Empathie und einzigartigem Esprit erzählt Jan Weiler von Martin Kühn, dem sich die schwere Frage nach der Leichtigkeit des Lebens stellt.

Jan Weiler, 1967 in Düsseldorf geboren, ist Journalist und Schriftsteller. Er war viele Jahre Chefredakteur des SZ Magazins. Sein erstes Buch »Maria, ihm schmeckt's nicht!« gehört zu den erfolgreichsten Büchern der vergangenen Jahrzehnte. Es folgten unter anderem: »Antonio im Wunderland« (2005), »Mein Leben als Mensch« (2009), »Das Pubertier« (2014), »Kühn hat zu tun« (2015), »Im Reich der Pubertiere« (2016) sowie zuletzt »Und ewig schläft das Pubertier« (2017) und »Kühn hat Ärger« (2018). Jan Weiler verfasst zudem Hörspiele und Hörbücher, die er auch selber spricht. Jan Weiler lebt in München.

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Autoren/Hrsg.


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2 – 45 Kilo
Am liebsten ist Sebastian der Geruch im Rosalita’s. Dort versprüht man einen Duft, der ihn an etwas in seiner Kindheit erinnert. Es fällt ihm zwar nicht ein, was es ist, aber er saugt diesen blumigen Geruch ein und freut sich über die Aufmerksamkeit der Betreiber, die ihren Laden offenbar gut pflegen. Anderswo stinkt ihm und den Kollegen eine Mischung aus Parfüm und Desinfektionsmitteln entgegen, die Sebastians Augen tränen lassen. Dann sieht er die Mädchen und die Gäste sekundenlang nur durch einen Schleier, muss zwinkern und sich mit dem Handrücken über die Augen fahren, bis er sich einen Überblick verschaffen kann. Aber das kommt nur selten vor, denn sie gehen nicht oft in die Tabledance-Bars oder Nightclubs hinein. Keiner der Barmänner oder der Mädchen ruft gerne nach der Polizei, es ist nicht gut fürs Geschäft. Die Gäste werden davon nervös. Aber manchmal muss die Polizei kommen. Ein amerikanischer Tourist weigert sich, die zweite Flasche Sekt zu bezahlen, weil er sie angeblich nicht bestellt habe. Oder ein Student randaliert, bereits vom Leben enttäuscht und nun wütend, weil er gerne mehr bekommen hätte als einen Tanz an seinem Platz. Gibt aber nicht mehr, das ist der Hauptbahnhof und nicht das Gewerbegebiet. Gewerbe gibt es dort, hier wird nur getanzt. Man kann wen kennenlernen, das geht die Wirte ja nichts an. Aber in der Bar wird nur getrunken und geglotzt. Maximal wird gefragt, und wenn es einer übertreibt, begleitet man ihn nach draußen. Mancher landet dann direkt im Hauptbahnhof und taumelt betrunken, betrogen und empört durch die Halle. Wenn Sebastian im Dienst ist, lernt er Leute wie den Pharmavertreter aus Frankfurt kennen, der seine Uhr angeblich im Columbo gelassen hat. Die Uhr, die er als Bonus vor vier Jahren bekommen hat. Da war der Umsatz fantastisch und die Stimmung auch. Inzwischen ist beides im Keller. Sebastian mag den Mann nicht. Der zetert, dass sie ihm die Uhr geklaut haben. Kann stimmen oder nicht. Ob er eine Anzeige erstatten wolle, fragt Sebastian den Mann. Und der ruft, dass er sich die Uhr zurückhole. Sebastian bittet ihn, sich auszuweisen, aber der Mann will nicht, also muss er mit auf die Wache. Dort geht das Theater weiter, und Kollege Klaus setzt den Mann grob auf einen Stuhl. Dabei schlägt der mit dem Hinterkopf gegen die Wand und will erst einmal Anzeige wegen Körperverletzung erstatten. Bei wem er das könne? Und er wolle seine Uhr zurück. Man mache vermutlich gemeinsame Sache mit den Kriminellen aus diesem Columbo-Puff, und er werde damit zur Zeitung gehen. Zuerst geht er aber in ein Einzelzimmer zur Ausnüchterung. Obwohl er gar nicht so betrunken ist, dass es sein müsste. Da hat Sebastian schon ganz andere Gestalten erlebt. Aber Klaus und Erik haben das so beschlossen, damit der Mann die Klappe hält. Und das macht er auch irgendwann, und zweieinhalb Stunden später darf er wieder raus. Die Beamten legen ihm nahe, die Anzeige wegen des Diebstahls seiner Uhr am folgenden Tag zu erstatten, wenn er wieder klar im Kopf sei. Er solle erst einmal im Hotel nachsehen, ob die Uhr nicht vielleicht dort auf dem Waschbecken liege. Und genau dieser Mann begegnet Sebastian nur eine Viertelstunde später wieder. Allerdings hat er nun eine blutige Nase und sitzt beim Seiteneingang des Bahnhofs auf dem Gehweg. Sebastian und seine Kollegin Maxine helfen ihm auf die Beine, und er will gleich wieder über die Straße und rein ins Columbo, weil er nicht genug hat. Er habe nämlich soeben festgestellt, dass der Mann an der Bar seine Uhr am Arm trage, seine Uhr, seine Bonus-Uhr. Sebastian weiß jetzt auch nicht weiter. Seine Zuständigkeit endet ja an diesem Bürgersteig. Die Wache am Hauptbahnhof ist für die Clubs in der Nachbarschaft eigentlich nicht zuständig. Aber der Mann eiert schon wieder los, und er sieht aus, als würde er hinter dem Eingang des Columbo gleich die Treppe runterfallen; die ist steil und düster. Also laufen Maxine und Sebastian hinterher, und es verschlägt ihm den Atem, weil es hinter der Tür nach Ammoniak und Alkohol stinkt, unheilvoll und aggressiv. Es riecht, als sei man selber schuld, wenn man diese Treppe hinuntersteigt, als akzeptiere man mit dem Einatmen die Geschäftsbedingungen des Ladens. Stufe um Stufe geht es hinab in diese Hölle der Erwachsenenunterhaltung, und dann steht Sebastian in seiner warmen Schutzweste mitten im Elend des Columbo. Der Uhren-Mann ist erst einmal nirgends zu sehen, bloß zwei Damen sitzen in einer Ecke und ein Alter an der Theke. Und dahinter steht der Barmann mit Samurai-Zopf und Kinnbärtchen. Der Barmann fragt Sebastian, was er für ihn tun könne. Im selben Moment stürzt der Pharmavertreter aus Frankfurt von der Garderobe aus heran und versucht bäuchlings über den Tresen zum Samurai zu rutschen, um ihm die Uhr zu entreißen. Aber der tritt einen Schritt zur Seite, und der Vertreter rutscht an ihm vorbei und fliegt hinter die Theke mit dem Gesicht zuerst aufs Linoleum mit der rutschfesten, dreckigen Plastikmatte. Sebastian versucht nun, den Sachverhalt zu klären, aber der Barmann hebt die Hände und dreht die Handgelenke, und da ist keine Uhr. Der Alte am Tresen lacht blöde, der Vertreter kommt wieder zum Vorschein und will eine Lokalrunde ausgeben. Sebastian beschließt, dass der Einsatz vorbei ist, und rückt mitsamt seiner Kollegin ab. Den Geruch in seiner Nase bekommt er den ganzen Tag nicht mehr los. Und deshalb mag er das Rosalita’s so gerne. Es ist so frisch und hell und freundlich, dass man gar nicht auf die Idee kommt, dort könnten eventuell Prostitution oder Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder sonst was vorliegen. Aber es ist ja selten, dass sie in die Läden rund um den Hauptbahnhof kommen. Der ist ihr Revier, und das ist bloß ungefähr 15 Hektar groß. Diese befinden sich in der Bahnhofshalle inklusive der Bahnsteige und den Nebengebäuden sowie den Untergeschossen und dem Vorplatz. Man braucht nicht lange, um den ganzen Bereich der Inspektion zu kennen mitsamt den vielen Menschen, die hier arbeiten und Würstchen verkaufen oder Schließfächer warten oder Passanten anschnorren. Sebastian ist einer der Jüngsten in der Polizeiinspektion 16, wie die Wache im Hauptbahnhof offiziell heißt. Einundzwanzig ist er und seit elf Monaten dabei. Er hätte sich auch den Flughafen vorstellen können, aber da haben sie ihn nicht genommen. Und in anderen Einheiten auch nicht. Also hat er einfach akzeptiert, als sie ihm den Hauptbahnhof zugeschoben haben. So richtig dringend will da keiner hin, wegen der Kotze und den Aussätzigen und dem Lärm. Aber als Sebastian mal da ist, findet er es gar nicht mal so übel. Man hat ja Handschuhe an, wenn man die Schmutzigen rausschmeißt. Und man muss nicht jeden gleich anfassen, dem man einen Platzverweis erteilt. Klaus hat ihm vor der ersten Streife gleich mal erklärt, wie man durch den Bahnhof geht. Da dürfe man nicht wie ein ängstlicher Schwächling herumschleichen, man müsse sich schon auch aufmandeln. Schließlich repräsentiere man die Staatsgewalt. Und es reiche nicht, dass man seine Weste anhat und die festen Schuhe, die Mütze, die Handschuhe und die Dienstwaffe, das Spray, Handschellen, Funkgerät, dieses ganze Bullen-Charivari. Es gehöre auch der richtige Gang dazu. Klaus macht Sebastian das vor, auf dem Flur der Inspektion, nicht erst draußen. Das geht so: Beim Gehen die Daumen nach außen drehen. Ganz unauffällig, einfach die Daumen rechts und links vom Körper weg. Und schon hebt sich der Oberkörper, und die Schulter wird breit. Da brauchst du kein Fitnesstraining. Du kannst es üben, und irgendwann gehst du automatisch so, auch wenn die Daumen gar nicht draußen sind. Sebastian lernt schnell, und er mag lieber durch den Hauptbahnhof streifen, als in der Inspektion Anzeigen aufnehmen und Papierzeug erledigen oder an der Kaffeemaschine herumdoktern. Als seine Mutter ihn fragt, was er da alles macht, kann er gar nicht aufhören mit dem Aufzählen, so vielfältig sind die Aufgaben. Er hat schon Kerle eingesammelt, die sich am Bahnsteig entblößt haben. Dann die Besoffenen, das ist klar. Und Desorientierte und Omas, die nicht zum Taxistand finden. Dann die Personenüberprüfungen. Es gibt Millionen Schwarzfahrer, und viele stehen bei der Bahn in der Kreide, fahren aber trotzdem weiter mit dem Zug. Also überprüft man stichprobenartig die Personalien der Fahrgäste. Da sind Leistungserschleicher dabei, die der Bahn schon 600 oder 800 Euro schulden. Die siebt man raus. Und was einem da noch alles ins Netz geht: Idioten mit Anscheinswaffen. Seine Mutter weiß nicht, was eine Anscheinswaffe ist. Das sind Softair-Pistolen oder Schreckschussdinger, die aber genauso aussehen wie richtige Waffen. Die Leute denken vielleicht, man könnte damit durch den Bahnhof spazieren, aber so einfach ist das nicht. Dann die Gymnasiasten, die am Bahnhof Gras kaufen wollen, und die Obdachlosen, die Pfandflaschensammler und die armen Schweine, die nicht wissen, wo sie sonst hinsollen. Die eiligen Reisenden, die weinende Austauschschülerin aus Norwegen, die ihre Gastfamilie nicht findet. Die Abenteuersucher. Die Gestrandeten und die, die nicht nach Hause wollen. Oder können. Landet alles bei ihnen in der Inspektion, schichtweise. Immer wieder dieselben Kunden, wie Sebastian sie nennt. Figuren, denen man einen Platzverweis erteilt und die anschließend einmal um den halben Bahnhof laufen und am südlichen Ausgang wiederauftauchen. Klauende Kinder, gackernde Mädchen, die eben im Begriff sind, die falschen Jungs kennenzulernen. Aktentaschenträger, die den Mann vom Saft- und Früchtestand anzeigen, weil sie eine verschimmelte Erdbeere im Salat gefunden haben. Eltern, die ihren betrunkenen Sohn abholen. Ausländer, Asylanten,...


Weiler, Jan
Jan Weiler, 1967 in Düsseldorf geboren, ist Journalist und Schriftsteller. Er war viele Jahre Chefredakteur des SZ Magazins. Sein erstes Buch »Maria, ihm schmeckt’s nicht!« gehört zu den erfolgreichsten Büchern der vergangenen Jahrzehnte. Es folgten unter anderem: »Antonio im Wunderland« (2005), »Mein Leben als Mensch« (2009), »Das Pubertier« (2014), »Kühn hat zu tun« (2015), »Im Reich der Pubertiere« (2016) sowie zuletzt »Und ewig schläft das Pubertier« (2017) und »Kühn hat Ärger« (2018). Jan Weiler verfasst zudem Hörspiele und Hörbücher, die er auch selber spricht. Jan Weiler lebt in München.



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