Weigele | Der Buchmaler von Zürich | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 544 Seiten

Reihe: Historische Romane im GMEINER-Verlag

Weigele Der Buchmaler von Zürich

Historischer Roman
2023
ISBN: 978-3-8392-7694-5
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Historischer Roman

E-Book, Deutsch, 544 Seiten

Reihe: Historische Romane im GMEINER-Verlag

ISBN: 978-3-8392-7694-5
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Zürich 1273: Dem begnadeten Schreiber und Buchmaler Bertram steht eine glänzende Zukunft im Grossmünsterstift bevor. Doch als er sich in die hübsche Pergamentertochter Fides verliebt, die bereits einem anderen versprochen ist, gerät sein Leben aus den Fugen. Auch Bertrams Ziehvater, der berühmte Gelehrte Konrad von Mure, hat Bedenken ob der Verbindung. Denn auf Bertrams Herkunft ruht ein Geheimnis. Eine Reise zum Konzil in Lyon soll dieses Rätsel lösen, bringt aber nicht nur Bertram in Lebensgefahr.

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1. Kapitel
Zürich, Grossmünster, Freitag, 22. September 1273 Die untergehende Sonne schickte ihre letzten Strahlen durch die Fenster der Schreibstube und tauchte den Raum in ein rötliches Licht. Bertrams Brüder hatten schon längst ihre Arbeit niedergelegt und waren zur Vesper gegangen. Von ferne drangen die Klänge des »Magnificat« an sein Ohr. Leise summte er die Melodie mit und vollendete zugleich die letzte Zeile auf dem Pergamentbogen, der vor ihm auf dem Pult lag. Heute hatte er sogar zwei Seiten mehr geschafft als geplant, Meister Konrad würde zufrieden sein. Bertram legte den Federkiel nieder und schüttelte sein Handgelenk aus. Er reckte sich ausgiebig und sah sich im Raum um. Wie so oft war er der Letzte. Während die Stehpulte am Fenster, die den erfahrenen Schreibern vorbehalten waren, tadellos aufgeräumt waren, herrschte neben den Hockern der Schüler ein heilloses Durcheinander. Gänsefedern, Wachstafeln und Griffel lagen auf dem Boden, als hätten ihre Besitzer es gar nicht abwarten können, endlich ins Freie zu kommen. Bertram konnte nicht verstehen, warum die meisten Schüler den Schreibdienst als lästiges Übel empfanden. Seit er als kleiner Junge zum ersten Mal die Schwelle des Skriptoriums überschritten hatte, war er dessen Atmosphäre verfallen. Er liebte den Geruch von Leder, Tinte und Kreidepulver, das gleichmäßige Geräusch der kratzenden Gänsefederkiele auf dem Pergament, und wenn er vor seinem Schreibpult saß, vergaß er alles um sich herum. Er war der jüngste Schreiber gewesen, dem Meister Konrad je erlaubt hatte, selbstständig Texte zu kopieren, und der Einzige im Stift, der es verstand, die Handschriften mit prachtvollen Miniaturen zu schmücken. Allmählich wurde es zu dunkel zum Schreiben. Bertram sah zu der Truhe hinüber, in der die Talglichter aufbewahrt wurden. Ob er eines anzünden sollte? Auf die Gefahr hin, dass der Sigrist sich auf der Kapitelversammlung wieder über den übermäßigen Verbrauch an Lichtern beschweren würde? Der dumpfe Knall einer zufallenden Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Eilige Schritte näherten sich und dann stürmte einer der älteren Schüler ins Skriptorium. »Friedrich!«, rief Bertram überrascht. »Was willst du denn noch hier? Solltest du nicht beim Chorgebet sein?« Friedrich nickte und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. »Ein Bote!«, stieß er hervor. »Ein Bote ist eingetroffen! Und Ihr sollt sofort zum Propst kommen!« »Endlich!« Bertram sprang so hastig auf, dass er beinahe sein Tintenhörnchen umgeworfen hätte. Das musste der Bote mit seiner jährlichen Leibrente sein, auf den er seit Ostern wartete. Seit fünf Monaten kein Geld und vor allem keine Gelegenheit, etwas über seine Familie zu erfahren. Er wollte den Mann unbedingt allein erwischen, bevor ihm der Propst wieder den Mund verbot. Er warf einen kurzen Blick auf die Unordnung und sah dann zu Friedrich, der resigniert nickte und anfing, die Griffel aufzusammeln. Bertram lächelte dankbar und eilte die Treppe ins Erdgeschoss hinab. Er schlüpfte in den Kreuzgang und blieb einen Augenblick erstaunt stehen. So voll war es hier nicht einmal zur Fußwaschung an Gründonnerstag! Es schien, als habe sich das gesamte Personal des Stifts mit allen Angehörigen hier eingefunden. Gesprächsfetzen drangen an sein Ohr. »Basel« verstand er und »Graf Rudolf« und »Bischof Heinrich«. Der Schreck fuhr Bertram in die Glieder. Er wusste von der Fehde zwischen dem Baseler Bischof und dem Grafen Rudolf von Habsburg, der die Stadt seit Monaten belagerte. War dem Bischof etwas zugestoßen? War er am Ende tot? Gab es wieder Krieg? Basel lag nur anderthalb Tagesritte von Zürich entfernt. Was dort geschah, war in kürzester Zeit auch in Zürich spürbar. Er drängte sich durch die Menschenmenge und erreichte den Eingang zum Chor in dem Moment, als Konrad von Mure heraustrat. Der Kantor sah ihm ernst entgegen. »Gelobt sei Jesus Christus«, begrüßte Bertram seinen Ziehvater. »In Ewigkeit, Amen«, erwiderte dieser mechanisch und fuhr gleich fort. »Gut, dass du da bist. Der Propst erwartet uns. Es ist etwas geschehen.« »Das habe ich gemerkt«, sagte Bertram mit einem Blick auf das Getümmel, aus dem sich jetzt unwillige Rufe erhoben. Mehrere Rebleute der Propstei hatten sich mit Stöcken bewaffnet und begannen, die Leute über die schmale Pforte aus dem Kreuzgang auf die Straße zu drängen. Nach einigen Minuten war der Spuk vorbei. Deutlich erklang das Einrasten des Riegels, dann herrschte Stille. Der Kantor wischte sich über die Stirn. »Endlich Ruhe. Ich habe die Knechte angewiesen, die äußeren Pforten zum Kreuzgang jetzt schon zu verriegeln, damit wir ungestört sind. Und jetzt komm mit.« Sie durchquerten den Kreuzgang und traten durch die geöffnete Tür in den kleinen Raum neben dem Refektorium, der dem Propst als Studierzimmer diente. Inzwischen war es dunkel geworden, die Talglichter in den Wandhalterungen warfen tanzende Schatten an die Wände und spiegelten sich in dem gläsernen Wasserkrug, der auf der Fensterbank stand. Die fein ziselierten Silberbecher daneben und das elfenbeinerne Tintenhorn auf dem Schreibpult zeugten von der Vorliebe des Propstes, sich auch im Alltag mit schönen Dingen zu umgeben. Doch im Moment hatte er keine Augen dafür. Er saß aufrecht in seinem gepolsterten Lehnstuhl und trommelte mit den Fingern auf der reich geschnitzten Armlehne. Er begrüßte die Eintretenden mit einem kurzen Nicken und wies auf zwei Scherenstühle an der Wand. »Bertram, schließ bitte die Tür und bringe die beiden Stühle zu mir. Wir müssen nicht lauter sprechen als unbedingt nötig. Die Wände haben Ohren.« Bertram tat wie geheißen und nahm neben dem Kantor Platz. Er musste an sich halten, um nicht ungeduldig mit dem Fuß zu wippen. Was war nur geschehen? Und was hatte es mit ihm zu tun? An den Geldboten glaubte er inzwischen nicht mehr. Ob er jetzt endlich erfahren würde, wer seine Eltern waren? Propst Heinrich lehnte sich zurück und sah Bertram ernst an. »Wie es aussieht, haben wir wohl endlich einen König. Unser neuer Papst scheint den Kurfürsten ordentlich Feuer unter dem Hintern gemacht zu haben.« Bertram traute seinen Ohren nicht. Seit er denken konnte, war das Reich ohne einen Regenten. Oder besser gesagt, es gab zu viele davon, aber keiner hatte das Sagen. Nach dem Tod des Stauferkaisers Friedrich II. und seines Sohnes Konrad vor knapp zwanzig Jahren waren zwar verschiedene Kandidaten gewählt worden, doch keinem war es gelungen, die allgemeine Zustimmung im Reich zu erlangen. Den traurigen Höhepunkt erreichte die Geschichte im April letzten Jahres, als nach dem Tod Heinrichs von Cornwall dessen Gegenkönig Alfons von Kastilien die päpstliche Anerkennung seines Königtums forderte, von Papst Gregor X. jedoch abschlägig beschieden wurde. Stattdessen hatte dieser die Kurfürsten im Juli aufgefordert, sich auf einen passenden Kandidaten zu einigen, andernfalls werde er selbst einen bestimmen. Bertram sah den Propst gespannt an. »Und wer ist jetzt unser König? Doch nicht der Böhme?« »Wenn ich unserem Boten aus Basel Glauben schenken soll, ist vorgestern Nacht der Burggraf Friedrich von Nürnberg im Feldlager Rudolfs eingetroffen und hat ihm im Namen der Kurfürsten die Krone angeboten. Und Rudolf hat angenommen.« Bertram fiel die Kinnlade nach unten. »Der Habsburger?« Der Propst nickte. »Genau der. Nun wird er seine Fehde mit dem Baseler Bischof wohl beilegen müssen, um rechtzeitig am Wahltag in Frankfurt zu sein. Und danach zur Krönung nach Aachen reisen.« Das waren in der Tat bemerkenswerte Neuigkeiten! Trotzdem wusste Bertram immer noch nicht, warum der Propst neben dem Kantor ausgerechnet ihn eingeweiht hatte. »Und was bedeutet das für unser Stift?«, wagte er endlich zu fragen. Der Propst seufzte. »In erster Linie viel Arbeit. Nach seiner Krönung wird der König durchs Land reisen, um seine Untertanen zu besuchen und Privilegien und Regalien zu bestätigen oder zu erneuern. Zürich ist Reichsstadt und als solche verpflichtet, den königlichen Hof unterzubringen und zu verpflegen. Hunderte von Menschen, dazu die Reit- und Lasttiere, ich darf gar nicht daran denken. Aber deswegen habe ich dich nicht rufen lassen.« Er warf einen Blick zum Kantor, welcher der Unterhaltung schweigend gefolgt war. »Unser Kantor ist seit jeher mit den Grafen von Habsburg befreundet. Wie du vielleicht weißt, hat er Rudolfs jüngste Tochter Guta aus der Taufe gehoben. Er wird also nach Aachen zur Königskrönung reisen. Das wird einige Wochen in Anspruch nehmen. Und er ist der Ansicht, dass du in dieser Zeit einen Teil seiner Aufgaben übernehmen könntest.« Bertram fuhr der Schreck in die Glieder. Hoffentlich erwartete man nicht von ihm, ihn bei der Leitung des Chores zu vertreten! Er war völlig unmusikalisch, nicht ohne Grund hatte man ihn bei den Messgesängen in die letzte Reihe verbannt und angewiesen, nur die Lippen zu bewegen und ja keinen Laut von sich zu geben. Der Propst schien sein Zaudern zu bemerken und lächelte. »Keine Angst, es geht nicht um die liturgischen Aufgaben, die werden der Leutpriester oder ich übernehmen. Es geht um die Arbeit im Skriptorium.« Er nickte dem Kantor zu, der daraufhin das Wort ergriff. »Bertram, du bist trotz deiner Jugend unser bester Schreiber und hast außerdem ein gutes Auge für die Qualität unserer Schreibstoffe. Ich möchte, dass du die Herstellung der Tinten überwachst und den Einkauf der Pergamente übernimmst. Außerdem sollst du unserem Schulmeister beim Schreibunterricht der jüngsten Schüler zur Hand gehen. Sozusagen als Hilfslehrer....


Weigele, Erika
Erika Weigele wurde 1965 in Karlsruhe geboren und studierte in Würzburg und München Germanistik und Kunstgeschichte. Sie promovierte 1995 über einen bebilderten Liebesroman des 13. Jahrhunderts, der heute unter der Signatur Cgm 63 in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrt wird. Er inspirierte die Autorin zu diesem Roman, der dem Leser ganz nebenbei einen Einblick in die städtische Handschriftenproduktion des 13. Jahrhunderts verschafft. Nach mehreren Jahren als Redakteurin, Buchherstellerin und Übersetzerin in München und Belgien lebt und arbeitet die Autorin heute im Westerwald. Sie ist Mitglied im Mediävistenverband. In ihrer Freizeit verschlingt sie historische Romane und intelligente Thriller und besucht Schreibseminare.



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