Geschichte und Technik der Audioaufzeichnung und Audiodigitalisierung
E-Book, Deutsch, 108 Seiten
ISBN: 978-3-347-96943-8
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gerd Weichhaus ist seit mehreren Jahren freiberuflicher Autor und schrieb bereits mehrere Bücher zu Elektronikthemen. Die Hauptthemen sind Elektronik, technische Verfahren, wissenschaftliche Texte und Webseitentexte. Die Reparatur von älteren und neueren Geräten der Unterhaltungselektronik gehört schon seit einigen Jahrzehnten zu seinen Interessengebieten. Seine berufliche Laufbahn begann im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik. Ein beruflicher Wechsel führte zunächst in die Selbstständigkeit im Bereich Computer- und Netzwerktechnik, bis er schließlich seine Begabung, technische Vorgänge in möglichst leicht verständlicher Form schriftlich zu vermitteln, als freiberuflicher Autor ausübte. Aus Interesse an historischer sowie moderner Technik betreibt er mehrere Webseiten zum Thema Elektronik (www.bastelnmitelektronik.de) und Tonbandgeräte (www.bandmaschinenseite.de).
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Kapitel 2: Audiosignale aufzeichnen analog und digital Schaut man sich Filme aus den 1960er bis 1980er Jahren an, werden immer dieselben Geräte für fast jede Art der Audioaufzeichnung zu sehen sein: Tonbandgeräte oder Kassettenrekorder. Beim Aufnehmen von Telefongesprächen mit dem Erpresser in einem Krimi wird von der Polizei ein Tonbandgerät am Anschluss des Opfers installiert, mit dessen Hilfe die Tonaufnahmen zur späteren Überprüfung durchgeführt werden. Nimmt einen Reporter ein Interview auf, kommt dabei entweder ein tragbares Tonbandgerät oder ein kleines Diktiergerät mit Magnetbändern zum Einsatz. Läuft in einem Film im Hintergrund Musik, kommt diese entweder von der Schallplatte oder ebenfalls von einem Tonband, gegebenenfalls in Form der Kassette. Was haben diese ganzen Aufzeichnungen gemeinsam? Die Audioaufzeichnung erfolgt bei allen diesen Beispielen analog. Ganz anders ist dies bei modernen Filmen oder Fernsehserien, in denen meist digitale Geräte wie Handys bzw. Smartphones für die Aufzeichnung von Sprache und Musik eingesetzt werden. Doch was ist eigentlich der Unterschied zwischen beiden Aufzeichnungsarten und warum haben sich heute digitale Geräte durchgesetzt? Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Kopierverluste bzw. Generationsverluste Jeder, der schon einmal Kassetten oder Tonbänder überspielt hat, kennt diese klanglichen Verschlechterungen der Aufnahmen von Generation zu Generation. In den Zeiten der Tonbänder oder Tonbandkassetten wurden Aufnahmen von Schallplatte oder Radio auf Tonbänder überspielt, zum Teil fanden auch Überspielungen von einem Tonband auf das andere statt. Außerdem werden Musiker das Problem der Generationsverluste kennen, die beim Kopieren von Tonbändern auftreten. Bei jedem Bearbeitungsschritt durchläuft das Audiosignal etliche elektronische Bauteile, durch die es in seiner Qualität beeinträchtigt wird. Die Folge sind klangliche Verschlechterungen und eine Zunahme des Rauschanteils der Aufnahmen. Durch das Kopieren bedingte Qualitätsverschlechterungen sind bei der Digitaltechnik nicht zu befürchten. Hier ist die Kopie genauso gut wie das Original, ganz gleich, wie oft eine Audiodatei kopiert wird. Oft wird diese Eigenschaft heute fast als negativ angesehen, da es genau diese Tatsache ist, die Raubkopierern Tür und Tor öffnet. Die Musikdateien können ohne irgendwelche Einschränkungen über das Internet oder auf anderem Wege digital weiterverbreitet werden, ohne dass dabei Qualitätsverluste zu befürchten wären. Allerdings profitieren Musiker auch von den Möglichkeiten der Digitaltechnik und dem verlustfreien Kopieren von einzelnen Audiosequenzen. Während der gesamten Produktion kann die hervorragende ursprüngliche Audioqualität erhalten bleiben, und das auch während der ganzen Bearbeitungsschritte oder Überspielungen auf anderen Medien. Die digitalisierte Audiotechnik bringt den Musikern dadurch eine größere Freiheit und viel mehr Möglichkeiten. Die Bearbeitungsmöglichkeiten digitaler Audiodateien Die digitale Audiobearbeitung bietet heute Möglichkeiten, die bis vor wenigen Jahrzehnten nur sehr wenigen Leuten vorbehalten waren oder noch gar nicht umgesetzt werden konnten. Audiosignale lassen sich auf verschiedenste Weise schneiden, bearbeiten oder manipulieren. Jeder Computer oder Laptop ist heute in der Lage, ein Audiosignal mit geeigneter Software so zu bearbeiten, dass etwa ein Halleffekt hinzugefügt werden kann. Früher brauchte man dazu teure Spezialgeräte wie analoge Hallgeräte mit sogenannten Hallspiralen, die - eine entsprechende Qualität vorausgesetzt - auch eine gewisse Größe hatten. Zwar schwören auch heute noch viele Musiker auf den unnachahmlichen Sound, den diese originalen analogen Geräte haben. Allerdings wird keiner die Vorteile der modernen Digitaltechnik leugnen wollen, gerade was die Vielzahl der Effekte angeht. Nicht ohne Grund waren die ersten digitalen Hall- und Effektgeräte begehrte Objekte jedes Musikers oder Tonmeisters. Die Digitaltechnik bietet aber noch viel mehr Möglichkeiten. Die Audiosignale lassen sich in der Wellenform, natürlich auch in der Tonhöhe sowie im gesamten Klangcharakter, beeinflussen. Fast alle einzelnen Parameter der Audiosignale lassen sich auf digitale Weise verändern. Sehr interessant ist zum Beispiel die Möglichkeit, dass sich Musikstücke in der Tonhöhe problemlos verändern lassen, ohne dass dafür gleichzeitig eine Änderung der Wiedergabegeschwindigkeit erfolgen müsste, wie dies bei der analogen Tontechnik der Fall ist. Umgekehrt funktioniert es übrigens ebenso. So lässt sich die Geschwindigkeit von Audiosignalen verändern, ohne dass dafür unbedingt die Tonhöhe geändert werden müsste. Diese Möglichkeit ist vor allem bei der Wiedergabe von Sprachdateien hilfreich. Durchsagen oder Texte lassen sich so auf die minimal notwendige Länge reduzieren, ohne dass dabei die Sprache in der Tonhöhe verändert werden müsste und der Sprecher dabei eine Micky-Maus-Stimme erhält. Die Veränderung der Tonhöhe ohne Geschwindigkeitsänderung eines Musikstücks wird auch als „Pitch Shifting“ bezeichnet. Vielleicht kennen Sie die Veränderung der Stimme ohne eine Änderung der Sprachgeschwindigkeit (Schlumpfstimme). Umgekehrt geht es auch, nämlich mit dem sogenannten „Timestretching“, also der Veränderung der Wiedergabegeschwindigkeit ohne gleichzeitige Tonhöhenänderungen. Die Tonhöhenänderungen wiederum können zum Beispiel in der Musikproduktion eingesetzt werden, hier beispielsweise zur Anpassung der Tonlage der Singstimme an die Tonlage eines Musikstückes. Kostengünstiges Equipment nutzbar Wer früher ein professionelles oder zumindest ein semiprofessionelles Tonstudio einrichten wollte, brauchte dafür vor allem zwei Dinge: Platz und Geld. Bandmaschinen, Mischpulte oder das weitere Equipment benötigte jede Menge Platz und hatte natürlich auch seinen Preis. Doch die Größe und das finanzielle Budget für die Audiotechnik beschränkt sich nicht nur auf die Einrichtung eines Tonstudios oder Akustikraums. Auch unterwegs bringt die moderne Digitaltechnik erhebliche Vorteile. Sollten vor mehreren Jahrzehnten Konzerte aufgezeichnet werden, waren dafür sehr große und schwere Bandmaschinen notwendig. Außerdem mussten verschiedene Mikrofone mitsamt Verkabelung mitgeschleppt werden, ganz zu schweigen von den großen Bandspulen, die aufgrund der sehr hohen Bandgeschwindigkeiten verwendet werden mussten, um eine ausreichende Aufnahmezeit zu erhalten. Heute werden die Musikstücke in sehr hoher Qualität auf einen winzigen Mikrochip gespeichert, als Aufnahmegerät reicht ein moderner Audiorekorder, der praktisch in jede Jackentasche passt und der eine Aufnahmekapazität von etlichen Stunden bietet. Ein angenehmer Nebeneffekt der Digitaltechnik besteht darin, dass die zur Realisierung der Aufnahmemöglichkeiten notwendige Technik in großen Mengen produziert wird. Dementsprechend günstig sind heute die Preise für die Audio- und Speicherchips. Bereits zu Preisen von einigen hundert Euro erhält man heute Geräte zur Aufnahme von Musikstücken oder Audiodateien, während früher dafür Gerätschaften im Wert von mehreren tausend Euro (bzw. D-Mark) hingelegt werden mussten. Diese Preissenkungen sind aber nicht nur wegen der günstigen Speicherchips möglich geworden. Auch das Fehlen der aufwendigen Mechanik hochwertiger Bandmaschinen hat sich sehr deutlich auf die Preisentwicklung aktueller Audiotechnik ausgewirkt. Doch die Vorteile der Preissenkungen beziehen sich nicht nur auf die Anschaffung von speziellem Audioequipment. Wie bereits in einem vorigen Abschnitt angedeutet, kann handelsübliche Computertechnik verwendet werden, und zwar sowohl für die Aufnahme als auch für die spätere Verarbeitung der Audiodateien oder Musikstücke. Wenn Sie einen Computer Ihr Eigentum nennen (wovon man heute wohl fast ausgehen kann), sind Sie zumindest hardwaretechnisch in der Lage, digitale Audiodateien aufzuzeichnen. Auf Wunsch können Sie diese bearbeiten oder mit Effekten versehen und speichern, und das in sehr großer Menge. Zur Not tut es sogar das Smartphone, das dank des eingebauten Mikrofons die Möglichkeit bietet, Audioaufzeichnungen herzustellen (wenn bei einem Smartphone in der Regel auch nur in Mono). Um am Computer (oder auf dem Smartphone) die Audiodateien zu bearbeiten, reicht bereits kostenlose Software oder eine entsprechende App aus. Das mobile Musikstudio hat fast jeder heute in der Tasche, zumindest theoretisch. Für das Smartphone (oder das Tablet) sind fast unzählige Apps zum Bearbeiten von Audiodateien oder ganzen Musikstücken erhältlich. Einige bekannte Hersteller von Studiohard- und -software bieten sogar Ableger ihrer Programme für das Smartphone an. Das gilt für Synthesizersoftware ebenso wie für spezielle Apps fürs...