Wehle | Kommt Zeit, kommt Mord | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 312 Seiten

Reihe: Hofrat-Halb-Krimi

Wehle Kommt Zeit, kommt Mord

Ein Wien-Krimi
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7099-3551-4
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Wien-Krimi

E-Book, Deutsch, Band 1, 312 Seiten

Reihe: Hofrat-Halb-Krimi

ISBN: 978-3-7099-3551-4
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ermittlungen mit Stil im Wiener Blutgassenviertel: Kaum kehrt Hofrat Ludwig Halb ins Bundeskriminalamt zurück, überschlagen sich die Ereignisse - ein Mann gesteht auf seinem Totenbett einen Dreifachmord, für den seit Jahren ein anderer einsitzt. Gleichzeitig flattert Halb eine unerwartete Erbschaft ins Haus. Zwischen Wiener Nobelbezirken, Kaffeehäusern und Rotlichtviertel muss er bald erkennen, dass nichts so ist, wie es scheint.

Peter Wehle hat mit Hofrat Halb einen liebenswerten Ermittler geschaffen, der beweist, dass man dem Bösen auf der Welt auch mit Stil zu Leibe rücken kann - ein Krimi voll Witz, Charme und verblüffender Wendungen.

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Montag, 6. Mai 2013, 9.15 Uhr
„Herr Franz!“ Nichts. „Herr Ober!“ Wieder nichts. „Herr Franz, es tut mir ja leid, aber ich bin doch auch nur ein Mensch! Wollen Sie mich wirklich verdursten lassen, noch dazu an einem Tag, so wunderschön wie heute? … und an dem ich so entsetzlich nervös bin, dass mir das vorhin so herausgerutscht ist. Ich hab’s wirklich nicht so gemeint, wie es vielleicht geklungen hat, aber trotzdem entschuldige ich mich dafür! So, Herr Franz, jetzt aber – jetzt bringen Sie mir doch bitte endlich meinen Tee!“ Ludwig Halb war es nicht gewohnt, solche Wortkaskaden von sich zu geben. Dass er das soeben getan hatte, war ein deutliches Zeichen dafür, wie angespannt er heute war. „Bitte schön, Herr Hofrat, eine kleine Kanne Darjeeling Puttabong first flush Flugtee für den Herrn Magister!“ Mit feiner, leicht gekränkter Ironie in der Stimme und vollendeter Serviergeste stellte der Ober das silberne Tablett vor den Stammgast, den er als kleinen Buben kennengelernt hatte. Damals, vor rund vierzig Jahren, war noch keine Rede davon gewesen, dass aus diesem schüchternen Knaben einmal ein „mordsmäßiger Mörderjäger“ (diesen Spitznamen hatte ihm eine Tageszeitung bei seinem letzten spektakulären Fall verpasst) werden würde. „Ein klassischer Tee für den Herrn Hofrat! Wohl bekomm’s, Herr Magister!“ Ein anderer als der angesprochene „Magister Hofrat“ hätte angesichts der wiederholten, doppelten Beleidigung selbst einen „Stammober“ wie den Herrn Franz grob zurechtgewiesen. Aber mit der Routine eines altgedienten Ermittlers der Wiener Mordkommission tat Ludwig Halb auch diesmal seinem Gegenüber nicht den Gefallen, so zu reagieren, wie dieser es erwartet hätte. „Herr Magister“ und „Herr Hofrat“ – wenn der Herr Franz glaubte, ihn, der es hasste, mit seinem akademischen Grad oder seinem Amtstitel angesprochen zu werden, auf die Art provozieren zu können, sollte er sich getäuscht haben! „Danke, Herr Franz! Lieb von Ihnen, Herr Franz! Ja, das sind halt die Dinge im Leben, die einem selbst an einem so wunderschönen Tag wie heute alles noch herrlicher erscheinen lassen. Eine so edle Tasse Tee auf so vollendete Art an einem so traumhaften Ort serviert zu bekommen … perfekt!“ Nicht nur, weil ihm die Verherrlichungsadjektive schön langsam ausgingen, sondern auch, weil ihn das verblüffte Gesicht des Obers fast lautlos lachen ließ, hörte Ludwig Halb mit seiner Verbalinjurie der verkehrten Art auf. Der Ober stand drei Sekunden still, bis er eine passende Retourkutsche gefunden hatte. „Herr Halb, also, so beleidigen müssen Sie mich aber jetzt wirklich nicht! Beim Reinkommen bereits das Mich-Anknurren, und jetzt das? Bei anderen Gästen bin ich das ja gewohnt, aber bei Ihnen? Nein, Herr Magister, bei Ihnen, Herr Hofrat – das enttäuscht mich jetzt schon!“ Mit einer zackig-eleganten Drehung auf seiner rechten Ferse, die einem nordkoreanischen General mit Ballettausbildung zur Ehre gereicht hätte, wandte sich das gekränkte Faktotum um und strafte selbst noch mit der Gestik seiner Rückenmuskulatur seinen heute so aufmüpfigen Stammgast mit Verachtung. Halb sah ihm mit belustigtem Groll nach, bevor er seinen Blick aus dem Fenster über den Wiener Ring schweifen ließ. Diese Aussicht über einige der schönsten und berühmtesten Prunkbauten der ehemaligen Kaiserstadt hatte ihn schon getröstet, wenn er voller Sorgen auf seinen geliebten Opa, seinen Großvater, gewartet hatte. Halb hasste zwar jede Form nostalgischer Sentimentalität, aber jetzt musste auch er einen tiefen Seufzer unterdrücken. Was hätte ihm nicht alles passieren können, wenn nicht sein Großvater mütterlicherseits da gewesen wäre? Damals, Ende der 1960er Jahre, als seine Eltern bei einem Straßenbahnunfall mitten in Wien ums Leben gekommen waren. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie dumm ihm die Tröstungsversuche der Erwachsenen vorgekommen waren. „Deine Eltern, die sind jetzt beim lieben Gott da oben, als Engerln geht’s ihnen viel besser als hier auf der Erde.“ Er hatte damals den Herrn Pfarrer und alle, die es „… ja nur gut …“ mit ihm gemeint hatten, angebrüllt, dass sich der liebe Gott gefälligst hinten anstellen solle! Er habe ein Recht darauf, dass seine Eltern bei ihm seien. Er allein! Und nicht der liebe Gott! Und außerdem … seine Eltern seien sehr, sehr gerne auf der Erde gewesen! Bei ihm! Und der Papa bei der Mama und die Mama beim Papa! Die wollten keine „Engerln“ sein, ganz sicher nicht! Alle waren entsetzt vor ihm zurückgewichen – dass er das doch nicht sagen dürfe! Dass er das doch gar nicht verstehen würde! Dass er jetzt aber ein ganz ein böses Kind sei! Pfui! Nur sein Opa, also der „Mama-Papa“, der hatte kurz geschwiegen, dann ein knappes „Recht hast’!“ geseufzt, ihn einfach an der Hand genommen und zu sich nach Hause geführt. Die Oma war leider schon vor Jahren gestorben gewesen. Und die Papa-Eltern waren im Krieg umgekommen. Also blieb er jetzt bei seinem Opa. Das Jugendamt hatte keine Probleme mit dieser Lösung gehabt. Nur ein kurzer Besuch einer sehr strengen Sozialarbeiterin, bewaffnet mit einem ganzen Fragenkatalog … ob sein Enkel ein eigenes Bett habe? Wortlos hatte sein Opa „das Kontrollorgan“, wie sie später die gestrenge Herrin über das Kindeswohl nannten, in das große Kinderzimmer geführt, in dem schon Halbs Mutter ihre, von den Kriegsjahren abgesehen, glückliche Kindheit verbracht hatte, und der Fürsorgerin das Piratenschiff-Bett gezeigt, das ihm sein Opa gebaut hatte. … was für diesen keine Hexerei gewesen war, denn sein Großvater hatte zwei goldene Hände gehabt, wenn es um Handwerkliches ging. Das war auch der Grund gewesen, warum er vom einfachen Elektriker zum Chef der kompletten Beleuchtungsanlage des Wiener Burgtheaters aufgestiegen war. Und weil er eben als Genie nicht nur im Umgang mit Stromleitungen, Steckdosen und Sicherungskästen galt, sondern auch Tischler-, Installateur- und Tapeziererwerkzeuge mit einer Überlegenheit sondergleichen handhaben konnte, war sein Opa zum Lieblingshandwerker von Generationen von „komischen Alten“, „jugendlichen Naiven“, „strahlenden Helden“ und sonstigen Burgschauspielerinnen und Burgschauspielern geworden … die diversen Burgtheaterdirektoren nicht zu vergessen. Sein Großvater hatte fast alle ihre Großwohnungen und Villen „im Pfusch“ Wochenende für Wochenende grundrenoviert und verschönert. Dieses rechtlich höchst zweifelhafte, sozial gleichzeitig höchst anerkannte Verhalten hatte seinen Opa zu einer der wichtigsten und vermutlich auch wohlhabendsten Persönlichkeiten des Wiener Burgtheaters der Nachkriegszeit werden lassen. … und so war er eben zu seinem Piratenschiff-Bett gekommen, weil er es sich gewünscht und sein Großvater es ihm ohne große Mühe, dafür mit wachsender Begeisterung gebaut hatte. Noch ein Seufzer entkam der gegenüber solchen Äußerungen an und für sich sehr kritischen Kehle Halbs. Beinahe panisch drehte er sich um – hatte jemand seinen Gefühlsüberschwang mitgekriegt? Erleichtert sank er zurück – um ihn herum herrschte so hektisches Kaffeehaustreiben, dass ihn niemand zur Kenntnis genommen hätte, selbst wenn er weinend über der Marmortischplatte zusammengebrochen wäre. Kurz überlegte Halb, ob er das vielleicht tatsächlich tun sollte – übermütig genug wäre er heute. Wie würden ihn wohl alle die, die ihn hier seit Jahrzehnten als kontrolliert-überlegten Zyniker kannten, anstarren, wenn er plötzlich großes Gefühlskino gezeigt hätte. Entgeistert? Fassungslos? Andererseits – selbst an einem so bemerkenswerten Tag durfte man zwar übermütig, aber doch nicht gleich so … so … so überemotionalisiert übermütig sein. Nein, das durfte man nicht! Abgesehen davon war er dazu gar nicht fähig. Schon damals, als er als frisch gebackene Vollwaise mit zitternden Knien an genau diesem Tisch auf seinen Großvater gewartet hatte, der ihn der Einfachheit halber nach seinen Nachmittagsproben-Beleuchterdiensten hier im Kaffeehaus mit einem meist üppigen Nachtmahl ernährt hatte, wäre er lieber vor Scham im Erdboden versunken, als dass er auch nur irgendwen einen Blick auf sein – damals oft tränenreiches – Nerven­kleid hätte werfen lassen. Noch heute, sechsundvierzig Jahre später, ließ der Gedanke Halb erschauern. Sein Innerstes preisgeben? Einem anderen Menschen? Undenkbar! Wobei … aber seine Eltern zählten nicht, denn die waren ja schon tot gewesen, als er ihnen über die Jahre nächtelang seine persönlichsten Gedanken und Gefühle preisgegeben hatte. Und … ja, doch – widerwillig musste sich Halb eingestehen, dass er auch seinem Großvater gegenüber immer wieder offen über seine Ängste und Sehnsüchte gesprochen hatte. Und … Jetzt schaffte es Halb doch, dass ihn die zwei weitgereisten Wienbegeisterten am Nachbartisch verblüfft anstarrten, denn plötzlich begann er sich wie ein nasser Hund zu schütteln. Einen Vorteil hatte der Gedanke, der ihn zu ebendieser, für ihn absolut atypischen spontanen Gefühlsäußerung verleitet hatte – er nahm ihn für einige Sekunden dermaßen gefangen, dass er das Erstaunen seiner Umgebung gar nicht bemerkte. Und das war gut so, denn sonst hätte er sich nicht nur geärgert, dass ihm nach langer Zeit wieder dieser unglückselige Name eingefallen war, er wäre auch noch wütend darüber geworden,...


Peter Wehle junior, 1967 in Wien geboren, ist der Sohn des 1986 verstorbenen Komponisten, Autors und Kabarettisten Peter Wehle senior. Der Musikwissenschafter und Psychologe stand von seinem fünften Lebensjahr an auf verschiedenen Konzertbühnen. Daneben zahlreiche Radio- und Fernsehaufnahmen sowie mehrere Veröffentlichungen als Autor. "Kommt Zeit, kommt Mord" ist sein Debüt als Krimiautor.



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