E-Book, Deutsch, Band 2, 328 Seiten
Reihe: BeziehungsReich
Wie wir unser Paarsubstrat vermehren und schützen können
E-Book, Deutsch, Band 2, 328 Seiten
Reihe: BeziehungsReich
ISBN: 978-3-347-56953-9
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Frank Wecker, Diplom-Psychologe und Psychotherapeut (Verhaltenstherapie, Familientherapie), war mehr als drei Jahrzehnte in der Beratung von Kindern, Jugendlichen und Eltern tätig; zuletzt als Leiter einer großen Beratungsstelle im Ruhrgebiet. Als Autor hat er maßgeblich an der Erstellung mehrerer landesweit eingesetzten Handreichungen und einem Buch über den Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten in KITAS mitgewirkt. Aktuell begleitet er eine Praxis für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und betätigt sich als Buch-Blogger. Die Reihe "BeziehungsReich" ist sein bisher größtes und anspruchsvollstes Buchprojekt.
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II. Der Beziehungs-Tank Das Tank-Modell wird uns durch das Buch begleiten. Wir werden also alle Erkenntnisse, Erklärungen und Vorschläge rund um Ihre Partnerschaft immer wieder in das Bild des Beziehungs-Tanks übertragen. Natürlich kann eine solche – technisch und mechanisch anmutende – Analogie nicht die gesamte psychische und emotionale Komplexität menschlicher Beziehungen abbilden. Genau darin sehen wir aber den Vorteil: Gerade weil die von uns besprochenen Zusammenhänge in diesem Modell leicht zu erkennen und nachzuvollziehen sind, kann das Gefühl von Verständnis und Beeinflussbarkeit wachsen. Und das kann und soll dazu verhelfen, gezielter zu beobachten, konkreter zu reflektieren, leichter ins Gespräch zu kommen und Veränderungsschritte zuversichtlicher auszuprobieren. In dieser Einführung werden Sie die grundsätzlichen Funktionen und Zusammenhänge rund um den Beziehungs-Tank kennenlernen. Die Feinheiten werden dann in den jeweiligen Kapiteln ausgeführt. Der erste Blick in unsere Beziehungswelt führt also in einen Tank. In diesem hellen und freundlichen Behälter sammelt sich in unserem Bild all das, was Ihre Beziehung an positiven Erfahrungen, Erlebnissen und Gefühlen zu erzeugen vermag. Wir nennen diese Ansammlung Zufriedenheits-Substrat (oder Glücks-Substrat bzw. Paar-Substrat). Es füllt und nährt Ihr Beziehungserleben; solange der Beziehungstank gut gefüllt ist, geht es Ihnen in Ihrer Beziehung gut – weil Sie sich z.B. sicher geliebt, im Alltag unterstützt und in Gesprächen verstanden fühlen. Auch wenn es vielleicht zunächst überrascht: Jeder Partner hat seinen eigenen Beziehungstank, denn es geht uns um den individuellen Blick auf die Beziehung. Zufriedenheit und Glück, aber auch Probleme und Belastungen, erlebt und bewertet erstmal jeder für sich alleine; daher kann es kein gemeinsames Tanksystem geben. Gerade deshalb ist später der Vergleich zwischen zwei Beziehungstanks so spannend. Bei unserem Tank handelt es sich um ein komplexes Gebilde mit verschiedenen Funktionen, die sowohl für die kurzfristige als auch langfristige Konservierung von Beziehungsintensität sorgen. Auch unsere Grafik wird daher nach und nach differenzierter. Aber woher kommt das Substrat? Aus der Beziehung tanken Ausgangspunkt ist die Vorstellung, dass wir in einer Beziehung eine Reihe von wesentlichen Erfahrungen machen, die unsere partnerschaftlichen Bedürfnisse mehr oder weniger stark erfüllen und uns in dieser Beziehung wohlfühlen lassen bzw. zufrieden machen. In einem Modell von sechs Faktoren und 18 Dimensionen beschreiben wir inhaltlich, woraus diese positive Erfahrung, also diese Beziehungsqualität, besteht und welche Bereiche unserer Beziehungsbedürfnisse Sie betreffen. Wir nennen dieses von uns entwickelte Konzept Beziehungs-Struktur-Modell (BSM). Es stellt also dar, woraus die Qualität Ihrer Beziehung besteht – und zwar aus der Perspektive Ihrer ganz persönlichen Wahrnehmung und Bewertung. Wie auch immer genau dieser Mix zusammengesetzt ist – er liefert einen bestimmten Output, den wir uns als einen kontinuierlich fließenden Substrat-Strahl vorstellen. Dieser läuft in einer jeweils für diese Beziehung typischen Menge und Zusammensetzung in Ihren Beziehungs-Tank ein. Im Tank sammelt sich also Zufriedenheits-Substrat – einfach deshalb, weil Sie in einer Beziehung leben, die Ihre Bedürfnisse in einem bestimmten Umfang befriedigt. Sie tanken also kontinuierlich nach – weil Sie z.B. in Ihrer Beziehung die Nähe Ihres Partners genießen, mit ihm gemeinsame Interessen teilen oder sich von ihm gut versorgt fühlen. Je mehr Ihre Beziehung Ihren Bedürfnissen entspricht, desto mehr Substrat läuft in Ihren Tank. Schauen wir uns die Zusammenhänge bis hierhin einmal im Alltagsleben unseres Beispielpaares Rainer und Tanja an; wir hatten die beiden am Ende unserer Einleitung schon kurz vorgestellt. Rainer und Tanja führen eine langjährige Beziehung, in der zum Zeitpunkt der Betrachtung die einzelnen Qualitäts-Dimensionen einen spezifischen Beitrag zu dem kontinuierlich zufließenden Substrat leisten. Wie wir später im BSM sehen werden, werden Gesamtmenge und Verteilung von den beiden Partnern sehr unterschiedlich wahrgenommen. In der Abbildung ist lediglich zu erkennen, dass sich der Pegelstand von Rainers Zufriedenheits-Substrat weiter oben im Tank befindet als bei seiner Frau. Bei ihm fließt auch kontinuierlich mehr Substrat ein als bei Tanja. Wir wissen also bereits, dass er seine Beziehung positiver beurteilt und mit ihr auch aktuell zufriedener ist als seine Partnerin. Aus Situationen tanken Aber eine Beziehung besteht nicht einfach nur aus dem Grundrauschen, das durch ihre bloße Existenz ausgelöst wird. Es gibt auch einzelne Situationen und Ereignisse, die relevant für das momentane Glücksgefühl sind. Das kann ein Candlelight-Dinner sein, vielleicht aber auch einfach eine zärtliche Geste beim Einräumen der Spülmaschine. Auch aus solchen Begebenheiten, die entweder aktiv gestaltet werden oder die ohne unser geplantes Zutun passieren, können wir Zufriedenheits-Substrat für unseren Tank gewinnen. Es liegt nahe, sich diese Möglichkeit für ein gutes Tank-Management zu Nutze zu machen. Warum wir Substrat verbrauchen Wesentlich für unser Modell ist weiter der Umstand, dass Zufriedenheitssubstrat nicht dauerhaft in dem Tank verbleibt, sondern durch ein (steuerbares) Abfluss-System ausläuft. Während ein minimaler Durchfluss unvermeidbar ist – einfach, weil Beziehungsleben auch Energie benötigt, können besondere Umstände (also negative Situationen) den Abfluss deutlich beschleunigen und damit zu einer Abnahme des Beziehungs-Wohlbefindens führen. Dies geschieht z.B. in Alltagssituation, die durch (emotionale) Distanz, durch kleinere oder größere Nervereien bzw. Konflikte gekennzeichnet sind. Hier sind wir oft an dem Entstehen solcher Situationen aktiv beteiligt. Oder man muss eine extern verursachte Belastung, z.B. eine von außen diktierte Trennungszeit, bewältigen, in der situativ nichts nachfließen kann, während man den anderen heftig vermisst. Kommen wir zu den situativen Einflüssen von Rainers und Tanjas Substrat-Zufluss: Die Weihnachtsfeiertage der beiden laden uns geradezu ein, die unterschiedlichen Funktionen ihrer Tanks zu erläutern. Tanja ist ein absoluter Familienmensch. Sie zieht viel Zufriedenheit aus gemeinsam verbrachten Feierlichkeiten und Ereignissen. Rainer dagegen ist am liebsten mit Tanja allein. Er liebt es, seine Frau ganz für sich zu haben, und badet in ihrer Aufmerksamkeit für ihn. Tanja hat zugestimmt, den ersten Feiertag bei ihrer Familie zu verbringen. Sie freut sich auf die familiäre Begegnung und das Wiedersehen mit ihrem kleinen Neffen. Ihr ist klar, dass Rainer nicht so vorbehaltlos in Begeisterung ausbricht, bei dem Gedanken an sechs Stunden Eingepfercht-Sein in das weihnachtliche Setting seiner Schwiegerfamilie. Zum Trost hat sie ihm seine Lieblingsnachspeise als Anteil zum Weihnachtsessen vorbereitet. Tanja tankt an diesem Tag einen riesigen Schub an Substrat. Sie genießt die Zeit mit Rainer und ist stolz auf seine eloquente Erscheinung im Rahmen der Familie. Er hingegen tankt in dieser Situation nicht so viel Substrat, verliert sogar eine kleine Extra-Menge. Wir sehen hier sowohl die ersten Beiträge, die ein Partner aktiv gestalten kann (Tanja bemüht sich um eine kleine süße Substratquelle für ihn), als auch unterschiedliche Bewertungen einer Situation, die die persönliche Zufluss-Bilanz einer Situation entscheidend bestimmen (s.u.). Wie unsere Bewertungen den Tank steuern Wie uns das Beispiel gezeigt hat, passieren Situationen nicht nur einfach; sie können auch aktiv herbeigeführt oder beeinflusst werden. Situationen haben – wie wir bei unserem Paar sehen – keinen objektiven Substrat-Wert. Die Ausbeute des positiven Situations-Substrates für unseren Tank hängt von unserer ganz subjektiven Bewertung ab – denn was Ihnen eine zärtliche Geste von diesem Menschen bedeutet, können nur Sie entscheiden. Und nicht jeder Partner liebt den Hochzeitstag, den Heiligabend mit der Schwiegermutter oder den dreiwöchigen Urlaub mit der Familie ebenso wie der andere. Egal, ob es sich dabei um externe Herausforderungen (wie Stress mit den Eltern) handelt oder diese – z.B. als Streit – zwischen mir und meinem Partner entstanden sind: Auch die Auswirkungen von negativen Ereignissen auf den Füllstand unseres Tanks ist abhängig von meinen Maßstäben, Erwartungen und Bewertungen. In beiden Fällen nehmen wir durch einen regulierbaren Regler Einfluss auf die durchfließende Substratmenge. Wie wir Situationen gestalten und diese durch Bewertungen für unseren Tank nutzen, ist sicher nicht zufällig. Wir erkennen darin stabile Muster, die wir als Teil der...