E-Book, Deutsch, 140 Seiten
Weber Weihnachtsglanz & Sternenzauber
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-95520-818-9
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Unsere schönsten Weihnachtsgeschichten
E-Book, Deutsch, 140 Seiten
ISBN: 978-3-95520-818-9
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Lassen Sie sich von uns verwöhnen: Das festliche Lesebuch »Weihnachtsglanz & Sternenzauber« jetzt als eBook bei dotbooks. Weihnachten ist mehr als ein Feiertag, Weihnachten ist ein Gefühl - und darum hat auch die Adventszeit viele Facetten: mal warmherzig und voller nostalgischem Charme, mal humorvoll und turbulent. Mit diesem Lesebuch laden wir Sie ein, den Dezember und das Fest der Liebe mit allen Sinnen zu genießen. Sie werden schmunzeln und lächeln und sich an ihre Kindheit erinnern. Sie werden den Geschmack von Lebkuchen auf der Zunge und den zarten Kuss von Schneeflocken auf Ihrem Gesicht spüren. Sie werden erleben, wie der Alltagsstress von Ihnen abfällt und Sie zur Ruhe kommen. Denn Weihnachten ist mehr als ein Feiertag - Weihnachten ist ein Gefühl! Mit Erzählungen von Bestsellerautorin Steffi von Wolff, Kirsten Rick und Silke Schütze und den schönsten Gedichten von Theodor Fontane, Joseph von Eichendorff, Rainer Maria Rilke und vielen anderen. Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das festliche Lesebuch »Weihnachtsglanz & Sternenzauber« verwöhnt Sie in der Adventszeit und lässt Sie die Hektik des Geschenkekaufens und der Festtagsvorbereitungen vergessen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks - der eBook-Verlag.
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Kapitel 4
»Jingle Bells, Jingle Bells«, singen meine Eltern wie besessen durch das Telefon, »jingle all the way!« Und dafür rufen die mich von den Seychellen/Malediven/Mauritius an! Ich komme mir plötzlich schrecklich allein vor, so einsam im Schnee vor der Bar, meine Eltern ganz weit weg, und alle haben warme Weihnachtsgefühle, nur ich friere.
Ich reiße mich zusammen, wünsche meinen Eltern frohe Weihnachten und gehe wieder hinein, zurück zum Weihnachtsmann, der gerade von Whisky auf Spekulatius umgestiegen ist.
»Was ist denn nun so schrecklich?«, frage ich ihn. Ich weiß, dass an diesem Fest einfach alles schrecklich ist – jedenfalls finde ich alles schrecklich –, aber ich hätte doch gerne mal ein paar Details aus einer anderen Perspektive.
»Okay, das war so«, beginnt der Weihnachtsmann und schnipst ein paar Kekskrümel zur Seite. »Meine Freundin hat bestimmt, dass wir Weihnachten bei ihren Eltern feiern. Und dass ich den Weihnachtsmann für ihre Neffen spiele. Ich kann die Gören nicht besonders leiden, die sind so verwöhnt. Die ziehen T-Shirts nur an, wenn mindestens ein Krokodil drauf genäht ist. Aber was soll’s, dachte ich, wenn die Kleinen noch an den Weihnachtsmann glauben, ist das bestimmt eine nette Überraschung. Ich bin also hin zu den Eltern meiner Freundin. Die wohnen in einer fetten Villa in Wellingsbüttel.«
Ich bin kurzfristig beeindruckt. Neben mir sitzt nicht irgendein hergelaufenes Nikolausi, sondern ein Nobelweihnachtsmann. Wellingsbüttel ist eine Gegend, wo die Häuser nicht beleuchtet, sondern illuminiert sind.
»Ich bin da also rein, und sofort kläfft mich der Hund der Familie an, so eine asthmatische Dogge, die kann mich nicht besonders leiden. Da hab ich ihr schnell ein paar Kekse gegeben. Hat erst ganz gut funktioniert, sie hat aufgehört zu kläffen. Aber dann hat sie plötzlich den ganzen Teppich vollgekotzt. Mann, waren das Mengen! Und das stank! Leider konnte man die Keksreste noch ziemlich gut identifizieren, und ich wurde als Schuldiger überführt. Kann ich doch nicht wissen, dass die Töle nur ausgewogene Diätkost verträgt! Außerdem war ich völlig underdressed, mit Jeans und Hemd, dabei hatte ich das extra gebügelt. Die Damen – meine Freundin, ihre Schwestern und ihre Mutter – trugen alle Chanel-Kostüme in unterschiedlichen Pastelltönen, der Herr Direktor einen schwarzen Anzug und Krawatte.«
»Der Herr Direktor?«, frage ich erstaunt.
»Das Familienoberhaupt.« Der Weihnachtsmann seufzt. »Oder einfach gesagt: der Vater meiner Freundin. Aber von mir lässt er sich grundsätzlich als Herr Direktor ansprechen.«
»Der mag Sie offensichtlich nicht«, erkenne ich messerscharf. Und wundere mich, dass ich automatisch ins förmliche Siezen verfalle. Aber irgendwie ist der Weihnachtsmann doch eine Respektsperson.
»Nein, wirklich nicht. Ich spiele ja auch nicht in seinem Tennisverein, so wie der neue Freund seiner jüngsten Tochter. Der trug sogar Smoking! Sah aus wie ein Pinguin und benahm sich auch so. Und überall diese historische Weihnachtsdeko, alles Erbstücke, man musste höllisch aufpassen, dass man nicht aus Versehen eines der hauchzarten Arrangements streifte. Die Kugeln am Baum waren pro Stück ungefähr 10.000 Euro wert, wie die Mutter betonte.«
»Dass reiche Leute immer so protzen müssen – ich meine, Kugeln für 5.000 Euro hätten doch auch gereicht, oder?«, grinse ich ihn breit an.
Santa Claus from Hell lacht, bestellt beim Barkeeper noch eine Runde für uns beide und fährt mit seinem Weihnachtskatastrophenmonolog fort: »Ich musste dann nach hinten in die Garage, saukalt war es dort, und mich umziehen und den Sack mit den Geschenken holen. Das Weihnachtsmannkostüm, das ich mir von einem Kumpel geliehen habe, ist zwar schon reichlich mottenzerfressen«, zum Beweis hält er mir den leicht löchrigen Ärmel hin, ich nicke mitleidig, ergriffen und zustimmend, »aber es war halt so kurz vor Weihnachten nichts anderes mehr zu bekommen. Statt einer Rute habe ich eine Reitgerte aus dem SM-Shop bei mir um die Ecke besorgt. Ich dachte, das sei ein guter Gag, aber der Herr Direktor ist später bei dem Anblick krebsrot geworden. Dem standen plötzlich Schweißtropfen auf der Stirn, keine Ahnung, wieso. Auf jeden Fall habe ich mich also in der Eiseskälte umgezogen, mir ein Kissen unter den Mantel gestopft, den Bart umgebunden und mir den Sack gegriffen. Da sollten, wie verabredet, die Geschenke drin sein. Und dann bin ich wieder ins Wohnzimmer, wo die Neffen warteten.«
»Haben die …« Ich stürze einen großen Schluck meines neuen Cocktails hinunter, bevor ich das eigentlich Unaussprechliche hervorstoße. »… etwa ein Gedicht aufgesagt?«
Der Weihnachtsmann schnaubt. »Die haben gestritten, wessen Turnschuhe teurer waren. Ich meine, die sind vier und sechs, in dem Alter habe ich noch nicht mal gewusst, dass Schuhe Geld kosten – oder es war mir einfach egal. Auf jeden Fall wollen die Gören kein Gedicht aufsagen, sondern gleich die Geschenke haben, und ich denke mir, okay, lieber keinen Streit anfangen, ich zurre also den Sack auf, greife rein, aber blöderweise sind nur alte Blumenübertöpfe drin.«
»Blumentöpfe?«
»Blumentöpfe.«
Ich überlege kurz. Dann dämmert es mir. »Garage …«
»Garage mit Mülltonnen hinter dem Mercedes«, bestätigt der Weihnachtsmann. »Das Geplärre, das daraufhin losgeht, ist ohrenbetäubend. Der Größere kreischt: Ich verklag dich, ich verklag dich, dann kannst du zahlen bis an dein Lebensende. Ich sehe mich hilflos nach meiner Freundin um, aber die rollt nur genervt mit den Augen. Alles stürzt los, um die lieben Kleinen zu beruhigen. Ich ziehe mich dezent in den Hintergrund zurück. Auf dem Tisch steht ein Teller mit einem einzelnen Muffin, den nehme ich mir – in Stresssituationen brauche ich unbedingt etwas Süßes.«
Ich verstehe den Wink mit dem Zaunpfahl und informiere den Barkeeper, dass wir als Nächstes zwei Piña Colada nehmen.
»Der Pinguin versucht noch, mich zurückzuhalten, und rudert ganz komisch mit den Armen, aber ich bin schneller. Und – crunch – beiße ich auf etwas Hartes. Etwas sehr Hartes.«
Er sieht mich mit schicksalsschwangerem Blick an.
»Eine Nussschale?«, sekundiere ich.
»Denke ich auch. Aber ich kann das Ding doch nicht einfach ausspucken. Ich will mich nicht noch auffälliger danebenbenehmen, deshalb entscheide ich mich für die diskrete Variante: Schlucken statt spucken.«
Wir stoßen mit unseren frischen Cocktails an. Eigentlich müsste ich mal aufs Klo – aber die Geschichte ist eindeutig zu spannend für eine Unterbrechung.
»Ich würge diese scharfkantige Nussschale also runter und hoffe, dass meine Speiseröhre heil bleibt. In dem Moment, in dem ich beherzt gulp mache, schreit der Pinguin los: Das war der Verlobungsring! Die jüngere Schwester fällt in Ohnmacht. Die Mutter zischt: So ein Rüpel. Eine ganz und gar ungepflegte Erscheinung. Und er neigt zur Verfettung! Damit meint sie mich. Und irgendwie sehen die alle nicht mehr entspannt aus. Eher …«
»… unweihnachtlich?«
»Mordlüstern, würde ich sagen. Ich weiche also zurück, Richtung Weihnachtsbaum, den ich in dem Moment völlig vergessen habe, komme dabei mit dem Blumentopfsack an einen Zweig, die teure Edeltanne schwankt, ebenso die handgezogenen Bienenwachskerzen, das ganze Ding fängt Feuer, die Kugeln zerplatzen.«
»Autsch!« Ich muss zugeben, dass Weihnachten diesen armen Kerl deutlich mehr gebeutelt hat als mich. Bevor ich das allerdings verbalisieren kann, zwängt sich ein anderer Gedanke aus meinem Mund: »Und Ihre Freundin?«
»Der hatte es die meiste Zeit offensichtlich die Sprache verschlagen. Allerdings hat sie die genau in dem Moment wiedergefunden, als der brennende Baum nach hinten kippte. Und ich glaube nicht, dass man noch von meiner Freundin sprechen kann … Sie hat geschrien: Verschwinde! Du ruinierst mein ganzes Leben! Meine Mutter und meine Freundinnen haben mich gewarnt, aber ich dachte, ich probiere es mal mit einem, der so deutlich unter meinem Niveau ist wie du! Noch nicht mal Weihnachten kann man mit dir feiern!« Er imitiert die Stimme seiner Verflossenen so gekonnt, dass ich mich wegwerfen könnte vor Lachen. Das erscheint mir angesichts der Umstände aber eher nicht die richtige Gefühlsäußerung zu sein. Deswegen gebe ich mich sachlich: »Okay, das war deutlich.«
»Die Mutter hat dann noch gesagt: Verlassen Sie sofort mein Haus! Aber das war gar nicht mehr nötig, ich wollte sowieso nicht länger bleiben. Und jetzt bin ich hier.«
Einen Moment lang schauen wir beide unsere halbleeren Gläser an, lassen die Eiswürfel aneinanderklacken, schweigen. Im Hintergrund schwört Bing Crosby, dass er von weißer Weihnacht träumt. Und irgendwie dreht mir das gerade nicht den Magen um. Stattdessen überlege ich, was ich Schlaues sagen kann. Der Mann hat schließlich gerade seine Freundin verloren. Sicher geht es ihm schlecht. Der braucht Anteilnahme und ein paar wirklich aufbauende Worte.
»Ja, und jetzt?«, ist alles, was mir schließlich einfällt.
Er schaut mich an. »Ich bin so froh, dass ich dich getroffen habe. Das ist wie ein Wunder!«
»Ein Wunder?«
»Du bist ein Wunder!«
Ich bin baff. Doch dazu ist jetzt keine Zeit, ich muss inzwischen mehr als dringend zur Toilette. »Bin gleich wieder da. Nicht weggehen!«, sage ich.
»Keine Sorge. Wir warten auf dich«, antwortet der Weihnachtsmann, zieht einen schielenden Teddy aus der Tasche und setzt ihn vor sich auf die...




