E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Weber Das Recht auf Informationszugang
1. Auflage 2005
ISBN: 978-3-86596-011-5
Verlag: Frank & Timme
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 352 Seiten
ISBN: 978-3-86596-011-5
Verlag: Frank & Timme
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Zugang zu Informationen wird in modernen Gesellschaften immer bedeutsamer. So einfach dies klingt, so weitreichend sind die Konsequenzen für die Menschen der neuen Informationsgesellschaften, da Bürgerrechte und gerechte Verteilung von sozialen Grundgütern zur Disposition stehen.
Nicht mehr nur staatliche Institutionen greifen in die Privatsphäre ein; moderne Informations- und Kommunikationstechnologie macht potentiell jedes Unternehmen und jeden Menschen zu einem kleinen Big Brother.
Gleichzeitig ist der Zugang zu Informationen ein wichtiger Baustein für die Verfolgung individueller Lebenspläne, für unternehmerischen Erfolg und politische Stabilität. Es gilt also, liberale Prinzipien zu entwickeln, um informationelle Grundversorgung und Eingriffsfreiheit zu schützen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Tabellen- und Abbildungsverzeichnis;8
3;Danksagung;10
4;1. Einleitung und Problemaufriss;12
5;2. IuK-Technologie als Gegenstand der politischen Philosophie;24
5.1;2.1 Indikatoren für Informationsgesellschaften;25
5.2;2.2 Wichtige Charakteristika des Internet;28
6;3. Informations- und Kommunikationstechnologie;36
6.1;3.1 Was ist das Internet?;37
6.2;3.2 Informationsbegriff;40
6.3;3.3 Eine kurze Geschichte der Computer- und Internetentwicklung;46
6.4;3.4 Technik des Internet;59
6.5;3.5 Netzwerktechnologien und soziale Folgen;67
7;4. Allgemeine Fragen der politischen Philosophie;72
7.1;4.1 Universalismus vs. Relativismus;76
7.2;4.2 Freiheit;81
7.3;4.3 Rechte;89
8;5. Libertäre, liberale und kommunitaristische politische Philosophien;98
8.1;5.1 Libertäre Positionen;98
8.2;5.2 Liberale Positionen;110
8.3;5.3 Kommunitaristische Positionen;121
8.4;5.4 Wechselseitige Einwände;134
9;6. Von der Theorie zur Praxis;148
10;7. Die Bedingungen der Möglichkeit der Netzwerkkommunikation;154
10.1;7.1 Verkehrsinformationen;154
10.2;7.2 Nozicks Anspruchstheorie und Informationen in Netzwerken;156
10.3;7.3 Anwendung der Analyse der Anspruchstheorie auf das Internet;168
10.4;7.4 Einwände gegen die Anspruchstheorie;176
10.5;7.5 Aufgaben des Minimalstaats in der Informationsgesellschaft;179
11;8. Liberale Freiheit und Rechte in der Informationsgesellschaft;186
11.1;8.1 Datenschutz, Anonymität und Privatsphäre;188
11.2;8.2 Theorien der Privatheit;191
11.3;8.3 Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung;202
11.4;8.4 Das Recht auf freie Meinungsäußerung;208
12;9. Das kommunitaristische Unbehagen an der Informationsgesellschaft;228
12.1;9.1 Zurückdrängung des Marktes;229
12.2;9.2 Aufrechterhaltung eines homogenen Normen- und Wertegefüges;237
12.3;9.3 Gemeinschafts- und Gruppenrechte;239
13;10. Digitale Spaltung;252
13.1;10.1 Definitionsversuche;254
13.2;10.2 Lösungen der digitalen Spaltung;265
13.3;10.3 Grenzen der Betrachtung;267
14;11. Informationelle Grundversorgung und Eingriffsfreiheit;270
14.1;11.1 Eigentum, Handel und ein paar andere Probleme;270
14.2;11.2 Gerechtigkeit als Fairness: politisch, moralisch, aber nicht metaphysisch;278
14.3;11.3 Informationelle Grundversorgung;281
14.4;11.4 Informationelle Eingriffsfreiheit;287
14.5;11.5 Wider den Zeitgeist: Informationelle Gerechtigkeit;301
15;12. Wie es weitergehen könnte;306
16;Sachregister;312
17;Personenregister;316
18;Literaturverzeichnis;324
We hold these truths to be self-evident,
that all men are created equal.
The Declaration of Independence,
United States of America
10. Digitale Spaltung (S. 251-252)
Ähnlich wie die digitale bzw. die E-Economy, trotz der zahlreichen Firmenpleiten und des Absturzes der entsprechenden Aktien an den Börsen der Welt in den Jahren seit 2000, oftmals als Allheilmittel gegen jede konjunkturelle Schwäche und jedes strukturelle Problem gehandelt wird, überdeckt die Diskussion um die digitale Spaltung viele andere nationalstaatliche und globale Debatten. Selbst wenn es ein wenig überzeichnet sein mag: Die Schließung der digitalen Kluft wird als Weg zur Lösung so unterschiedlicher gesellschaftlicher Probleme wie Arbeitslosigkeit, fehlendes wirtschaftliches Wachstum (Zachary 2004), Defizite des Bildungswesens, mangelnde Berufsqualifikation (Darkwa, Eskow 2000; Darkwa, Mazibuko 2000), Politikverdrossenheit oder fehlendes Bürgerengagement angesehen, wobei sich diese Liste sicher noch beliebig verlängern ließe (kritisch Gurstein 2003). Auf globaler Ebene stellt sich die Diskussion ähnlich dar: Die Behebung der digitalen Spaltung wird helfen, den Analphabetismus zu bekämpfen, die allgemeine Armut zu beheben, die schwächelnde Weltwirtschaft anzukurbeln, die weltweite Demokratisierung voranzutreiben, den Menschenrechten zur Geltung zu verhelfen etc. Hier ist die Agenda der Hoffnungen ebenfalls beliebig erweiterbar.
Im Grunde wird jedes ökonomische, rechtliche, politische, soziale oder moralische Desiderat als durch die Schließung der digitalen Spaltung lösbar deklariert. Vom Einsatz einer bestimmten Technologie, eben der IuK-Technologie, wird Linderung oder gar Heilung sehr verschiedener und sehr bedeutender Probleme erwartet. Damit ist eine Denkweise verbunden, die eigentlich als überwunden gelten konnte. Denn hinter der Euphorie und den Heilserwartungen an die Segnungen der IuK-Technologie steht letztlich ein soziotechnischer Determinismus, bei dem unterstellt wird, dass die Innovation, Implementierung und Nutzung von Technologie notwendig zur Lösung der sozialen Probleme einer Gesellschaft oder gar der Menschheit führen wird oder die Basis sozialer und politischer Veränderungen darstellt: „It may be the case that from the seeds of an ideology, revolution, reform and reaction grow, but whether the seeds of any one ideology fall on fertile or stony ground is likely to be a matter of previous technological determination" (Carlisle, Manning 1999: 100).
Diese Sichtweise knüpft an Ideen, deren Entstehen bspw. mit dem Namen Saint-Simon verbunden werden kann, spätestens mit dem Marxismus ihren prägnanten Ausdruck gefunden und auch in der Folgezeit des 19. und 20. Jahrhunderts bis heute beileibe nicht nur in sozialistischen Gesellschaften immer wieder fröhliche Urstände gefeiert haben. Die 1960er und 70er Jahre waren geprägt durch die Virulenz der Idee, dass Technik und Planung letztlich alle oder doch alle wichtigen sozialen Phänomene lösen könne. Dass diese Ansicht jedoch mit dem Aufkommen und der Verfügbarkeit moderner IuK-Technologie in Form bspw. des Personal Computers und des Internet erneut aufblüht, ist nach dem Entstehen von grünen Parteien und einer weltweiten ökologischen Bewegung überraschend. Dies schon deshalb, weil die 1970er und 80er Jahre mehr als eine große technisch induzierte Katastrophe gesehen haben und die Veröffentlichung der Studie und des Buchs ‚Die Grenzen des Wachstums’ (Meadows, Meadows, Zahn, Milling 1973) deutlich aufgezeigt hat, dass der immense Verbrauch an natürlichen Ressourcen durch eine ungehemmt wachsende Wirtschaft (und Bevölkerung) ihr natürliches Ende finden wird – dann nämlich, wenn jene Ressourcen schlicht ausgebeutet sind. Wenn es also schon aus historischen Gründen überraschend erscheint, dass in der öffentlichen Debatte, so auch auf dem G8-Gipfel auf Okinawa im Jahr 2000 (G8 2000), eine doch sehr einfache oder zumindest vereinfachende Sicht auf schon intuitiv als tiefgehend erscheinende Problemebereiche existiert, erweist sich diese Perspektive bei genauer Betrachtung als völlig inadäquat.
Autoren, die eine kritische Sichtweise auf die bisherige Behandlung der digitalen Spaltung verfechten, verweisen immer wieder darauf, dass die Hoffnung, diese Spaltung und alle damit verbundenen sozialen Konflikte durch die bloße Verbreitung einer Technologie beheben zu können, zum einen jenem skizzierten Technikdeterminismus verpflichtet und zum anderen schlicht verfehlt sei. Mark Warschauer (2003: 7) bringt dies auf denn Punkt:
„In addition, the notion of a digital divide even in its broadest sense implies a chain of causality: that lack of access (however defined) to computers and the Internet harms life chances. While this point us undoubtedly true, the reverse is equally true; those who are already marginalized will have fewer opportunities to access and use computers and the Internet.