E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Webber Die Ärztin und der Wüstensohn
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7337-1976-0
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-1976-0
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
'Ja, ich helfe. Wenn du meinen Neffen heiratest.' Die junge Ärztin Kate ist sprachlos. Der Sultan von Amberach will, dass sie Fareed heiratet? Sie ist doch keine gekaufte Braut! Doch die Not ihrer Eltern ist groß, und da ist Fareeds sinnliche Ausstrahlung, heißer als die Wüste ...
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1. KAPITEL
Das Bild von der rothaarigen Reiterin stand Fareed noch lebhaft vor Augen, als die Wagen auf dem großen gepflasterten Vorplatz hielten. Eine Frau mittleren Alters wartete am Tor auf sie und kam nun näher.
Der Fahrer öffnete bereits Ibrahims Tür, während die Leibwächter aus den anderen Wagen sprangen und einen menschlichen Schutzwall um ihn bildeten.
Wollte Ibrahim die Leute beeindrucken?
Fareed bezweifelte es, denn Ibrahim war ein sehr bescheidener Mann, der selten einmal seine Position herausstrich. Nein, es musste noch mehr hinter dieser Reise stecken als nur der Pferdekauf, nur wusste er absolut nicht, was.
„Ich bin Sally Walker. Willkommen auf dem Gestüt Dancing Water.“ Die Frau lächelte charmant, klang aber nervös, und ihre Hand bebte leicht, als sie sie Ibrahim hinhielt. Zu Fareeds großer Überraschung nahm sein Onkel sie nicht nur, sondern hob sie zum Mund und hauchte einen Kuss darauf.
Sally Walker errötete tief, und sie tat Fareed kurz leid.
„Sultan Ibrahim ibn …“ Sein Onkel unterbrach sich und lächelte Sally an. „Den Rest brauchen Sie nicht zu wissen. Wir kennzeichnen den Sohn eines Mannes mit ibn, und dann folgt wieder ein ibn, weil auch dieser der Sohn eines Vaters ist. Es würde eine ganze Woche dauern, Ihnen meinen vollen Namen zu nennen. Sagen Sie bitte Ibrahim.“
Wie bitte? Ibrahim kehrte also den Charmeur heraus. Fareeds Misstrauen wuchs.
„Möchten Sie vielleicht einen Tee oder ein kaltes Getränk?“, bot ihre Gastgeberin an.
„Später vielleicht, meine Liebe“, erwiderte Ibrahim. „Zuerst würden wir gern die Pferde sehen.“
Die Frau ging ihnen voran zu den Ställen. „Das Gestüt wurde von meinen Urgroßeltern aufgebaut“, erklärte sie. „Damals lag der Schwerpunkt auf der Zucht. Als dann mein Großvater das Anwesen übernahm, beschloss er, es mit dem Training zu versuchen, und er war sehr erfolgreich damit. Er fand es besonders faszinierend, seine eigenen Pferde zu trainieren. Und das muss er an meinen Vater und an mich vererbt haben.“
Sie erreichten die breite Tür zu einem langen, niedrigen Gebäude, in dem es nach Heu, Pferden, Sattelzeug und Lederfett roch. Zufällig fiel ein Sonnenstrahl in den schattigen Bereich, wo eine schlanke Frau hingebungsvoll den Palomino striegelte, den Fareed vorhin gesehen hatte. Das warme Sonnenlicht ließ Frau und Pferd wie auf dem Bild eines alten Meisters erscheinen, das tizianrote Haar der Frau leuchtete auf.
Wie gebannt von dem Anblick blieb Fareed stehen. Er hörte seinen Onkel scharf nach Luft schnappen. Als er zu ihm hinübersah, nickte Ibrahim, als wäre er zutiefst zufrieden.
Diese Australienreise wurde immer mysteriöser.
Oh, da sind sie schon, und ich bin nicht fertig.
Kate bürstete noch einen Strich und richtete sich auf. Sicher hatte sie Stroh im Haar und Schmutzstreifen im Gesicht, und bestimmt roch sie nach Pferd. Wichtiger war jedoch, an der Seite ihrer Mutter zu sein, wenn verhandelt wurde.
Sie führte Marac in seine Box, vergewisserte sich, dass er Futter und Wasser hatte, und schloss die Tür. Dann fuhr sie sich mit dem Taschentuch über Gesicht und Hände und ging, die Besucher zu begrüßen.
Eine Gruppe düsterer Kerle umstand einen Mann, der etwas kleiner war als sie. Alle trugen Maßanzüge und machten grimmige Gesichter. Außer einem, der die anderen noch überragte – hochgewachsen, bronzener Teint und unglaublich gut aussehend. Allerdings trug er eine verächtliche Miene zur Schau. Sein Anzug war von deutlich besserer Qualität, und die breiten Schultern verdankte er nicht seinem Schneider. Prüfend sah sie ihn ein zweites Mal an. Mit der schmalen, geraden Nase, der hohen Stirn und dem willensstarken Kinn hatte er ein absolut klassisch geschnittenes Gesicht.
Die Lippen hast du vergessen, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf, aber das stimmte nicht. Besonders die Lippen hatten ihre Aufmerksamkeit erregt …
Und noch immer lag diese leichte Verachtung auf seinem Gesicht.
Vielleicht fand er es unter seiner Würde, ein unbedeutendes Gestüt zu besuchen?
„Dies ist meine Tochter Kate“, stellte ihre Mutter sie vor. „Kate, das ist Sultan Ibrahim ibn …“ Sie brach ab und lächelte nervös.
Kate reichte dem Sultan spontan die Hand – trugen Sultane nicht einen Turban? Doch dann fiel ihr ein, wo sie gewesen war. Rasch zog sie die Hand zurück.
„Tut mir leid, ich rieche nach Pferd. Ich hatte gedacht, ich würde fertig, bevor Sie kommen, aber Marac brauchte Bewegung. Zudem war es ein so schöner Morgen, dass ich nicht widerstehen konnte.“
Hoffnungsvoll lächelte sie den Sultan an, der nicht nur zurücklächelte, sondern auch vor dem Pferdeduft nicht zurückwich.
„Also, lassen Sie sich nicht von Ihrem Rundgang abhalten. Ich bleibe in der Nähe, falls Mum mich braucht.“
Sie ging an den Männern vorbei, ohne ihnen in die Gesichter zu blicken. Nur bei Mr. Gutaussehend konnte sie es nicht lassen. Weil sie einen Blick auf seine Lippen werfen wollte? Der große, athletische Mann übte eine besondere Anziehungskraft aus, der sie sich nicht entziehen konnte.
Warum, das wusste sie nicht. Er schaute immer noch verächtlich in die Gegend. Oder war es Abscheu, weil sie so stark nach Stall roch?
Konnte sie schnell ins Haus laufen und duschen?
Bist du verrückt? Was geht dich dieser Mann an? Außerdem durfte sie jetzt nicht so einfach verschwinden. Nicht wenn ihre Mum sie vielleicht brauchte.
Oder Billy.
Wo war Billy eigentlich?
Der Schmerz verging nie ganz, nistete in einer Ecke ihres Herzens – dieser Schmerz, der Billy war, der sanfte, empfindsame, in allem so langsame Billy. Er erinnerte sie an die Probleme, die vor ihnen lagen.
Ibrahim war vor einer halb geöffneten Box stehen geblieben und sprach ruhig auf den Wallach ein, der neugierig seinen Kopf herausstreckte. Soweit sie hören konnte, sprach er nicht Englisch, aber das Tier schien ihn zu verstehen und ließ sich sogar streicheln.
„Shamus hat im örtlichen Rennen der Zweijährigen gut abgeschnitten. Er ist der ältere Bruder von Tippy – ich meine, von Dancing Tiptoes.“
Das junge Pferd wandte seinen Kopf zu Kates Mutter und schnupperte an ihrem Haar.
„Haben Sie schon einmal versucht, ihn bei größeren Rennen laufen zu lassen?“, erkundigte sich einer der Begleiter – der große mit der fast hochmütigen Miene.
Sally schüttelte den Kopf. „Seit …“ Sie sprach nicht weiter, und Kate, die genau wusste, unter welchem Druck ihre Mutter in dieser Situation stand, griff ein.
„Seit mein Vater vor zwei Monaten gestorben ist, wollte meine Mutter keine größeren Reisen unternehmen“, wandte sie sich direkt dem Mann zu. In seinen Augen stand eine Herausforderung, ein Blick, der ihr durch und durch ging. „Und logistisch ist es zudem schwierig, denn einer unserer Stallburschen wurde bei demselben Unfall getötet, bei dem auch mein Vater ums Leben kam. Auch wenn ich jetzt hier bin, sind wir knapp an Arbeitskräften.“
Die fast schwarzen Augen musterten sie intensiv.
Misstrauisch?
Kate schüttelte die aufkommende Unsicherheit ab und konzentrierte sich auf die Hauptperson – Ibrahim.
„Wenn ich mich zum Kauf von Dancing Tiptoes entscheide und ihn auf internationaler Ebene laufen lassen will, muss ich mir dann einen anderen Trainer suchen?“, wollte Ibrahim wissen.
„Kommen Sie, und sehen Sie ihn sich an“, sagte Kate, entschlossen, den anderen Mann zu ignorieren. „Über Trainingsmöglichkeiten sollten wir vielleicht erst reden, wenn er Ihnen gefällt.“
Aber wem würde er nicht gefallen, dachte sie und bekam Magendrücken bei dem Gedanken, Tippy zu verlieren.
Billy rannte draußen auf der Koppel neben Tippy her. Die beiden waren unzertrennlich.
„Das ist mein Sohn Billy“, stellte Sally ihn vor, und Ibrahim nickte, nachdem er einen kurzen, prüfenden Blick auf ihn geworfen hatte.
Sallys Pfiff lockte Tippy ans Gatter, und Billy folgte langsamer, seine angeborene Scheu vor Fremden hielt ihn zurück. Oder begriff er viel mehr, als Kate und ihre Mutter dachten, nämlich dass es um Tippys Zukunft ging?
Sally griff in ihre Hosentasche, aber Ibrahim war schneller und zog aus seinem Maßanzug einen kleinen rosaroten Apfel hervor.
„Darf ich?“, sagte er zu Sally, die nickte und ihre Zuckerwürfel wieder in die Tasche zurückschob.
Beinahe so argwöhnisch wie Billy musterte Tippy den Fremden, dann warf er den Kopf zurück, schnaubte, senkte den Kopf wieder und nahm den Apfel vorsichtig mit den Lippen aus der offenen Hand des Mannes.
„Äpfel mag er am liebsten.“ Billy war langsam näher gekommen und stand nun neben dem Pferd. Sein schmales Gesicht verriet, wie sehr er Tippy liebte.
„Ich auch“, erwiderte Ibrahim. „In meinem Land wachsen keine Äpfel. Deswegen esse ich jedes Mal so viele, wie ich kann, wenn ich hier bin.“
„Wo ist das Land denn?“
„Es heißt Amberach und liegt weit entfernt auf der anderen Seite der Welt. Mit Australien verglichen, ist es ein sehr kleines Land.“
„Sind Sie mit dem Flugzeug hergekommen?“
Kate spürte, dass ihre Mutter sich anspannte. Wenn Billy erst einmal anfing zu reden, konnte es Stunden dauern, ehe er wieder aufhörte. Sollte sie eingreifen?
Aber Ibrahim zeigte keine Ungeduld, einfach nur ein freundliches, offenes Gesicht.
„Ja, mit dem...