Ward | Allein mit dem Tod | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

Ward Allein mit dem Tod

Eine verschwiegene Tragödie vom Fastnet Race 1979
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-7688-8368-9
Verlag: Delius Klasing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine verschwiegene Tragödie vom Fastnet Race 1979

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

ISBN: 978-3-7688-8368-9
Verlag: Delius Klasing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



"Allein mit dem Tod" erzählt die wahre Geschichte von Nick Ward, der während des Fastnet Race von 1979 zusammen mit vielen anderen Mitstreitern in einen Jahrhundertsturm gerät, und der – totgeglaubt – von seinen Mitseglern an Bord der lackgeschlagenen Yacht zurückgelassen wird.
Erst 30 Jahre nach der Tragödie um das Fastnet Race ist er in der Lage zu erzählen, wie es damals, in den Tagen des Sturms, wirklich war. Nachdem er kenterte, das Bewusstsein verlor und von seinen Mitseglern allein auf der Yacht zurückgelassen wurde, überlebte er das katastrophale Fastnet Race von 1979 nur knapp – und wurde als letzter Überlebender geborgen.
Ergänzt wird der packende Bericht durch Fotos, handschriftliche Aufzeichnungen des Autors, Wetterkarten und -analysen sowie Auszüge aus dem offiziellen Bericht über die Fastnet Race-Katastrophe mit Angaben zu Todesfällen und Schiffsverlusten.

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Im Yachthafen Hamble Point schlenderte ich über die Holzpier. Auf der anderen Seite des Flusses sah ich, gegenüber von Hamble, den Ort Warsash mit den roten Dächern des Segelclubs und dem wohlbekannten Pub »Rising Sun«. Die Flut lief auf, und das Glitzern der Sonne auf dem Wasser blendete mich. Das hatte mich schon von klein auf fasziniert. Wie oft hatte ich neben dem Yachthafen vom Ufer aus flache Steine über das Wasser springen lassen? Ich ging an dem Yachtausrüstungsladen vorbei, in dem sich Segler drängten, die in letzter Minute Karten, Handbücher und andere Ausrüstung verlangten. Den Laden und Chris, den Geschäftsführer, kannte ich gut.

»Hallo, Nick … viel Glück! Übrigens, wenn du wieder zurück bist, habe ich die Zeichnung für dich fertig.«

Chris hatte mir versprochen, eine Karikatur zu zeichnen, auf der ich mich an die riesige alte Eiche vor dem Laden lehnte. Er konnte sehr gut zeichnen und malen.

Nachdem ich Tschüs gesagt hatte, ging ich den Ponton F entlang. Überall an dem Schwimmsteg machten Segler ihre Boote klar. Einige wollten an der Fastnet-Regatta teilnehmen, andere nur auslaufen, um den Start zu beobachten. In mir und in der ganzen Marina spürte ich freudige Erregung. Im Hafen lagen mehr Yachten als sonst, Boote jeder Größe und Farbe. Anscheinend waren alle Liegeplätze belegt. Die Luft knisterte vor Spannung – Fastnet-Spannung –, die ich fast schmecken konnte. Auf jeden Fall roch ich sie, denn irgendjemand briet Speck. Ich hörte auch das Geräusch klappernder Fallen – Drähte, die an Aluminiummasten schlugen –, die Hintergrundmusik in jedem Yachthafen. Auf einem Schiff sah ich bekannte Gesichter. Drei Leute saßen in der Plicht, tranken Kaffee und rauchten. Es waren Kunden von mir, die mit ihrer anscheinend neuen Yacht vom Typ OOD 34 ebenfalls an der Wettfahrt teilnehmen wollten.

Einer von ihnen brüllte: »He, Nick, rechnest du dir gegen uns irgendwelche Chancen aus?«

Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. »Das werden wir ja sehen!«

Der Zigarettenrauch erinnerte mich an die halb volle Marlboro-Schachtel in meiner Hosentasche. Ich musste die Zigaretten noch in meinem Seesack verstecken, denn bei David durfte an Bord nicht geraucht werden. Matt und ich steckten uns trotzdem ab und zu insgeheim eine an. Ich rauchte nicht viel, vielleicht fünf Zigaretten am Tag. Fünf oder sechs Tage ohne Zigaretten würden mir nichts ausmachen. Doch es war gut zu wissen, dass ich ein paar Glimmstängel dabeihatte.

Die Gedanken an Nikotin waren verflogen, als ich einen Blick auf die am Stegende liegende erhaschte. Ich sah ihren Mast, das Rigg und einen Großteil des hellblauen Decks. Das 30 Fuß (9,15 m) lange Boot war kein Langkieler, kein schwerer, traditioneller Entwurf. Das Schiff mit dem leichten, auftriebsstarken Rumpf war für die komplizierte International Offshore Rule (IOR) gezeichnet und gebaut worden. Ron Holland, der Konstrukteur, hatte mit der eine schnelle, bequeme Yacht entworfen. Beim Näherkommen sah ich den blau lackierten Spiegel, dessen Form mir besonders gut gefiel. Ron muss beim Zeichnen der anmutigen Linien des Bootes an eine Frau gedacht haben. Ich sah auch den weißen Rumpf mit dem schön geschwungenen, dunkelblauen Namenszug. Das Boot sah fantastisch aus. Plötzlich war mein Mund trocken. Ich brauchte etwas zu trinken, einen Kaffee oder wenigstens einen Tee.

In der Plicht sah ich Matt sitzen. Ich hatte ihn gleich an seiner flachen Mütze mit Schottenmuster erkannt. Sie stand ihm nicht besonders gut, aber er setzte sie kaum jemals ab, obwohl seine Mitsegler ihn deshalb ständig aufzogen. David stieg vom Boot auf den Ponton und begrüßte mich mit freundlichem Lächeln und festem Händedruck. Neben der Yacht standen vier Leute. Gay Sheahan, Davids Frau, Matts jüngeren Bruder und seine Schwester erkannte ich gleich, die vierte Person aber nicht. Gay stellte sie als Gerrys Frau Margaret vor. Sie machte einen nervösen, aufgeregten Eindruck. Anders als die braungebrannte Gay hatte sie eine blasse Gesichtsfarbe, dazu dunkles Haar. Hinter ihr sah ich Mike und Dave, die auf dem Vorschiff damit beschäftigt waren, Leinen aufzuschießen und Fallen auszutörnen. Ich war als Letzter eingetroffen.

»Ich gehe nur eben unter Deck, um meinen Seesack zu verstauen«, rief ich den anderen zu, »dann bin ich gleich bei euch.«

Matt nahm mir den Seesack ab, und Gerry half mir über die Seereling an Deck. Gerry begrüßte mich mit einem sarkastischen Lächeln.

»Schön, dass Sie es doch noch einrichten konnten, Mister Ward.«

Der rothaarige Gerry hatte einen sehr trockenen Humor. Wir kamen gut miteinander aus, seit wir uns kannten. Ich grinste leicht gekünstelt:

»Ich hätte mir große Vorwürfe gemacht, wenn ich nicht gekommen wäre, Mister Winks.«

Matt warf mir den Seesack wieder zu, wodurch ich fast den Halt verlor. Gerry und er schienen ihren Spaß daran zu haben.

»Los, Leute … Wir müssen in Gang kommen.« Das war David, der uns zur Ordnung rief. Wir gehorchten.

Beim Aufbinden meiner braunen Docksides bemerkte ich, dass diese Schuhe kaum weniger seltsam aussahen als Matts Schottenmütze. Die Schuhe hatte ich auf Dick Langtons Vorschlag hin bekommen, als ich 16 war, und hatte sie seitdem bei jeder Regatta mit an Bord. Wie abergläubisch Segler und Seeleute doch sind! Pa hatte mir gesagt, dass es Unglück bringe, etwas Grünes an Bord zu haben, und seitdem habe ich nie etwas Grünes mit an Bord genommen. Auch manches andere soll Unglück bringen, zum Beispiel, am Freitag auszulaufen, einen Bootsnamen zu ändern, eine Pütz auf See zu verlieren, ja sogar, an Bord zu pfeifen. Am schlimmsten aber soll es sein, wenn jemand auf See stirbt und die Leiche an Bord bleibt. Ich hatte keinen Zweifel, dass jeder Teilnehmer dieser Regatta – im Ganzen waren es etwa 2500 Seglerinnen und Segler – irgendeinen Talisman bei sich hatte oder in unbeobachteten Momenten irgendwelche Rituale ausführte, die Glück bringen sollten. Ich selbst hatte mehrere solcher Angewohnheiten. Dazu gehörte es, dass ich beim Verstauen meiner Schuhe darauf achtete, dass der linke vor den rechten kam.

Ich zog meine rutschfesten, wasserdichten Seestiefel an und stieg die senkrechte, sechsstufige Niedergangsleiter in die Kajüte hinab. Dort unten sog ich den vertrauten Geruch der ein, den ganz speziellen Geruch nach natürlichen und synthetischen Werkstoffen, eine Duftmarke, die auf jeder Regattayacht anders ist. Dieser Geruch tat mir immer gut. Das Vorluk stand offen, und die Kajüte der sah hell und freundlich aus. Sechs Leuten bot sie nicht gerade viel Platz, aber ich war schon auf noch kleineren Booten gesegelt, deren Einrichtung lange nicht so hell und zweckmäßig war. Links von mir sah ich die Pantry mit der kleinen rostfreien Spüle voller benutzter Kaffeebecher. Ich war also mindestens eine Viertelstunde zu spät gekommen.

Rechts von mir war der Kartentisch, gleich darüber hingen UKWFunkgerät und Echolot. Zusätzlich zum UKW-Gerät hatte David eine Callbuoy-Seenotfunkboje und einen Empfänger für Lang- und Mittelwelle an Bord. Er wollte nichts dem Zufall überlassen. Auf dem Klappdeckel des Kartentischs lagen zwei gefaltete Seekarten. Anscheinend hatte David unseren Kurs abgesteckt. Es dauerte einen Augenblick, bis ich die Bleistiftlinie bemerkte, die bei Hurst Point, auf halbem Weg zur Solent-Mündung, begann. Es war keine gerade Kurslinie, er musste also die Einflüsse von Wind und Gezeitenströmen berücksichtigt haben. Neben den Karten lag ein Seehandbuch, das bei der Seite über Portland Bill und sein Leuchtfeuer aufgeschlagen war. Dieser Punkt lag etwa in der Mitte der eingezeichneten Strecke. Die berüchtigten Gezeitenstromschnellen dort gehören zu den für die Tidennavigation wichtigsten Punkten der ganzen Regatta. Einige Hoch- und Niedrigwasserzeiten, Kurs und Wetterangaben hatte David auf einen wasserfesten Schreibblock gekritzelt, der neben dem Handbuch lag. Gegenüber vom Kartentisch befand sich die Backbord-Hundekoje. Alle Kojen bestanden aus kräftigem blauem Stoff, der zwischen Aluminiumrohren gespannt war. Die Rohre selbst waren an Halterungen befestigt, die von oben herabhingen. Zu jeder Koje gehörte eine wasserdichte PVC-Stautasche für persönliche Sachen. Die Borde oberhalb der Pantry-Arbeitsplatte waren voller Konservendosen und Lebensmittelgläser, die von hölzernen Schlingerleisten gehalten wurden. Jeder verfügbare Platz war ausgenutzt. Während ich meinen Seesack auspackte und mein Ölzeug, den Sicherheitsgurt und die Schwimmweste in den Kleiderschrank hängte, ging ich die bevorstehende Fahrt und die zu passierenden Leuchttürme in Gedanken durch, wie ich es vor jeder Regatta tat. So, wie David auf den Papierkarten unseren Kurs abgesteckt hatte, tat ich dasselbe im Kopf. Vom Start vor Cowes an arbeitete ich mich gedanklich nach Westen vor. Ich habe keine Ahnung, ob andere Segler dieselbe Gewohnheit haben – ich habe nie mit jemandem darüber gesprochen –, aber ich machte es so. Wie man eine wohlbekannte Melodie summt, ging ich die Namen der Leuchtfeuer durch. »Hurst Point, die Needles, Anvil Point, Portland Bill, Berry Head, Start...



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