Ernst Buschor, langjähriger Ausgräber des Heraion auf Samos, hat 1959 festgestellt: »Wohl kein anderes großes griechisches Heiligtum kann in so geschlossenem, anschaulichem Bild von seinen frühen Jahrhunderten bis in die späten verfolgt werden wie dieses, und von keinem anderen Fundort hat die altionische Baukunst so bedeutendes Licht empfangen«. Es war Buschors großes wissenschaftliches Verdienst, die Frühzeit dieses Heiligtums zu entdecken, mit den Hekatompedoi I und II, ›hundertfüßigen‹ Tempelbauten, die den beiden Riesentempeln Dipteros I und II vorausgingen, und sechs bis ca. 1000 v. Chr. zurückreichenden Steinaltären, die unter dem gegen die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. erbauten und mit Dipteros I zu verbindenden Großen Altar zutage kamen. Der Verlust von Fundmaterial und Grabungsdokumentation im Zweiten Weltkrieg verhinderte die endgültige Publikation dieser wichtigen Grabungen. Hauptziel der nach dem Zweiten Weltkrieg von Buschor wiederaufgenommenen Grabungen war es, zunächst die Bauten und Anlagen innerhalb des vor dem Krieg ergrabenen Bereichs erneut zu untersuchen, die verlorenen Befunde wiederzugewinnen und zu veröffentlichen. Nach Buschors Tod 1961 untersuchte Hans Walter mit Angelika Clemente als Architektin noch einmal den Kernbereich des frühen Heiligtums, die frühen Altäre und die Hekatompedoi I und II. Walters Weggang 1965 von Samos um den neu gegründeten Lehrstuhl für Klassische Archäologie an der Universität Salzburg zu übernehmen und die Ausgrabungen auf dem Kolonna-Hügel auf Ägina wieder aufzunehmen, führte zu einer großen Verzögerung der endgültigen Publikation der Grabungen der Jahre 1957 bis 1964 im samischen Heraion und – damit verbunden – zu Unsicherheiten in Hinsicht auf Datierung und Gestalt der frühen Bauten im Heiligtum und zu kontroversen Diskussionen um sie. Der vorliegende Band, in dem grundlegend die Topographie, Architektur und Geschichte des frühen Heraion von der ›minoischen Thalassokratie‹ über die mykenische Expansion, die ›Ionische Wanderung‹, den großen Aufschwung des Heiligtums im 7. Jh. v. Chr. mit den ersten Tempelbauten und zahlreichen Weihegaben aus Ägypten und dem Vorderen Orient bis in die Zeit der Errichtung des ersten Großtempels, Dipteros I, in der ersten Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. dargestellt und in den geographischen Rahmen der gleichzeitigen Entwicklungen auf den Inseln der Südost-Ägäis und an der Westküste Kleinasiens gestellt wird, schließt daher eine wichtige Lücke in der Samos-Reihe.
Walter / Clemente / Niemeier
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Hans Walter wurde nach der Zeit als Kustos und Privatdozent an der Universität München 1966 auf die neu gegründete Lehrkanzel für Klassische Archäologie an der Universität Salzburg berufen, die er bis zu seiner Emeritierung 1986 innehatte. Nach seiner zehnjährigen Grabungstätigkeit im Heraion von Samos leitete er ab 1965 die Ausgrabungen auf dem Kolonna-Hügel von Ägina und gab die Publikationsreihe Alt-Ägina heraus. Neben dem griechischen Heiligtum waren seine wesentlichen Forschungsgebiete die griechische Vasenkunst und Plastik mit dem Schwerpunkt mythologischer Darstellungen. Walter verstarb 2001./ Angelika Clemente war in den Jahren 1959 bis 1966 Architektin der Heraion-Grabung in Zusammenarbeit mit Ernst Buschor, Hans Walter und Ernst Homann-Wedeking./ Wolf-Dietrich Niemeier war von 1986 bis 1991 Professor für Klassische Archäologie an der Universität Freiburg und von 1991 bis 2001 an der Universität Heidelberg. Von 2001 bis zu seiner Pensionierung 2012 leitete er als Erster Direktor die Abteilung Athen des Deutschen Archäologischen Instituts. Ausgrabungen führte er in Israel (Tel Kabri), der Türkei (Milet) und Griechenland (Kerameikos in Athen, Apollon-Heiligtum von Kalapodi/Abai und Heraion auf Samos) durch. Sein hauptsächliches Forschungsgebiet ist die Archäologie des frühen Griechenland vom minoischen Kreta bis zur archaischen Epoche.
Hans Walter held after his time as curator and lecturer at the University of Munich from 1966 to his retirement in 1986 the newly founded chair of Classical Archaeology at the University of Salzburg. After ten years of excavating in the Heraion of Samos, Walter resumed in 1965 the excavations on the Kolonna-hill of Aegina and edited the publication series Alt-Ägina. Beside the Greek sanctuary his main fields of research were the arts of Greek pottery and sculpture with focus on mythological representations. Walter passed away in 2001./ Angelika Clemente was from 1959 to 1966 the architect of the excavations in the Heraion of Samos in collaboration with Ernst Buschor, Hans Walter and Ernst Homann-Wedeking./ Wolf-Dietrich Niemeier was from 1986 to 1991 professor of Classical Archaeology at the University of Freiburg and from 1991 to 2001 at the University of Heidelberg. From 2001 to his retirement in 2012 he was director of the Athens branch of the German Archaeological Institute. He has conducted excavations in Israel (Tel Kabri), Turkey (Miletus) and Greece (Kerameikos in Athens, sanctuary of Apollon at Kalapodi/Abai and Heraion of Samos). His main field of research is the archaeology of early Greece from Minoan Crete to the Archaic period.