E-Book, Deutsch, 206 Seiten
Wallace Der Mann der alles wusste
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-1052-4
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 206 Seiten
ISBN: 978-3-8496-1052-4
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vom Goldschürfer in Afrika zum Bankier und Millionär - die Karriere des John Minute ist nicht nur mit guten Taten gepflastert. Das kostet Minute Schweigegelder - aber wenn er den Forderungen der Erpresser nicht mehr nachkommt, muss er mit dem Leben bezahlen. (Zitat aus www.krimi-couch.de)
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8
Die große Bibliothek in Weald Lodge war hell erleuchtet, und niemand hatte daran gedacht, die Vorhänge zuzuziehen. Jeder, der sich die Mühe machte, über die niedrige Gartenmauer zu springen und sich durch die. Sträucher heranzuschleichen, konnte daher sehen, was in dem Raum vorging.
Polizist Wiseman ging langsam den nassen Weg entlang. Er war nicht allzu neugierig und bemerkte nur im Vorbeigehen, dass ein Teil des Parks durch die Bibliotheksfenster auffallend erhellt wurde. An diesem Juniabend hatten die Regenwolken den Himmel so verdüstert, dass man schon um neun Uhr Licht machen musste.
Er setzte seine Streife fort, bis er seinen etwas ungeduldigen Vorgesetzten traf.
"Es ist alles in Ordnung", berichtete er. "Nur bei Mr. Minute stehen die Bibliotheksfenster offen, während drinnen das Licht brennt."
"Dann gehen Sie doch hin und machen Sie ihn darauf aufmerksam", entgegnete der Sergeant. Er hatte schon einen Fuß auf dem Pedal seines Fahrrads, zögerte jedoch noch. "Ich würde ihn selbst warnen, aber ich glaube nicht, dass er sehr erfreut sein wird, wenn er mich sieht." Er grinste. "Komischer Mensch, dieser Minute, was?"
"Ja, das stimmt", pflichtete der Polizist eifrig bei.
Sein Bezirk war ziemlich einsam, und er langweilte sich. Es war daher verständlich, dass er sich die Zeit gern durch eine kleine Unterhaltung mit seinem Vorgesetzten verkürzte. Sergeant Smith hatte getrunken und war deshalb redseliger als sonst. Wiseman wusste allerdings, dass er in diesem Zustand allen Leuten widersprach.
"Kommen Sie mit in den Schatten der Mauer", sagte Smith und lehnte das Rad dort an.
Der Sergeant wollte die Meinung seines Untergebenen wahrscheinlich zu seinen eigenen Gunsten beeinflussen.
"Wissen Sie, Mr. Minute ist ein gefährlicher alter Teufel."
"Das habe ich auch schon gemerkt", erwiderte Wiseman im Brustton der Überzeugung. Die Erfahrungen, die er mit diesem Herrn gemacht hatte, berechtigten ihn freilich auch dazu, denn der Millionär war nicht gerade sehr erbaut gewesen von den Anzeigen, die der Polizist gegen ihn erstattet hatte.
"Denken Sie immer daran, Wiseman. Wenn ich sage, er ist gefährlich, dann soll das heißen, dass ich Sie vor ihm warnen will. Das ist so ein Mann, der einen Polizisten zu einem Glas Wein einlädt und ihn nachher anzeigt, weil er während der Dienstzeit getrunken und Geschenke angenommen hat."
"Donnerwetter!" Die von Smith angedeutete Möglichkeit harre auf Wiseman großen Eindruck gemacht.
Der Sergeant nickte.
"Ja, so ist er. Ich kenne ihn schon viele Jahre – ich war doch früher bei der berittenen Polizei im Matabele-Land. Daher datiert unsere Bekanntschaft. Und ich sage Ihnen, es ist nichts zu gemein und schmutzig für diesen Millionen-Minute. Ein verdammter Kerl."
"Sie scheinen ein hartes Leben gehabt zu haben, Sergeant", ermutigte Wiseman seinen Vorgesetzten zum Sprechen.
Smith lachte bitter.
"Ja, das stimmt."
Sergeant Smith war noch nicht lange in Eastbourne stationiert und hatte seine Beförderung einem Fürsprecher zu verdanken. Man wusste nichts Genaues darüber, aber man sagte, dass sich John Minute selbst für ihn eingesetzt habe. Viele Leute glaubten allerdings nicht daran, weil Sergeant Smith immer etwas Schlechtes von John Minute zu erzählen wusste. Wiseman machte sich seine eigenen Gedanken darüber. Im geheimen las er Kriminalromane, und als er eines guten Tages eine Anzeige gegen John Minute erstattete, fürchtete er, dass der Sergeant diese sofort niederschlagen werde. Aber zu seinem nicht geringen Erstaunen hatte ihn Smith sogar ermutigt und dafür gesorgt, dass John Minute bestraft wurde. Es handelte sich allerdings nur um eine Geldbuße von zwanzig Schilling.
"Bleiben Sie auf Streife", sagte Smith plötzlich. "Ich fahre doch selbst zu dem alten Minute und sehe einmal nach dem Rechten."
Er stieg aufs Rad und fuhr den Hügel hinauf. Vor Weald Lodge lehnte er sein Rad an die Mauer und schaute einige Zeit zu der offenen Glastür der Bibliothek hinüber. Dann sprang er über die Mauer und ging langsam über den Rasen. Er vermied zunächst den kiesbestreuten Weg, um seine Anwesenheit nicht zu verraten. Schließlich erreichte er einen Platz, von dem aus er den Raum gut übersehen konnte.
Sergeant Smith war beruhigt, als er nur John Minute in dem Zimmer entdeckte. Der Millionär saß in einem tiefen Armsessel, hatte die Hände in die Taschen gesteckt und den Kopf gesenkt. Als er Schritte auf dem Kiesweg hörte, erhob er sich, um nachzusehen, wer es sei.
"Ach, Sie sind es", sagte er unliebenswürdig, als die Gestalt des Sergeanten in der offenen Fenstertür erschien. "Was wollen Sie denn?"
"Sind Sie allein?" fragte Smith, als ob er einem Gleichgestellten gegenüberstünde.
"Kommen Sie herein!"
Mr. Minutes Bibliothek war glänzend ausgestattet, und in dem großen, reichgeschnitzten Bücherschrank standen viele prachtvolle Bände, obwohl der Mann nicht das geringste literarische Interesse hatte.
Der Sergeant zögerte einen Augenblick, streifte dann die Schuhe auf der Matte ab und trat ein.
"Sie haben es hier ja sehr schön, John."
"Was wollen Sie?" fragte Minute gereizt.
"Ich hielt es für gut, Sie einmal aufzusuchen. Wiseman berichtete mir, dass Ihre Fenster und die Glastür weit aufstünden, und ich betrachtete es als meine Pflicht, Sie zu warnen. Wir haben in der letzten Zeit verschiedene Einbrüche in der Gegend gehabt, und es gibt genug Diebe hier."
"Einen kenne ich", entgegnete Minute anzüglich und schaute Smith scharf an. "Ach so, dieser dumme, dickköpfige Wiseman hat Ihnen das erzählt."
"Ich störe Sie ja nicht oft, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es gut wäre, heute Abend mit Ihnen zu sprechen. Durch den Bericht Wisemans wurde ich lebhaft an die alten Zeiten erinnert."
"Na, die waren ja für Sie recht unangenehm."
"Sechshundert Kilometer nördlich Gwelo liegt eine hübsche, kleine Goldfarm", meinte der Sergeant nachdenklich.
"Richtig, Mr. Smith – äh, Mr. Crawley! Und ein hübsches nettes Gefängnis liegt einen Kilometer südlich von Kapstadt. Die Regierung sperrt dort Wegelagerer ein, die den Postwagen nach Salisbury anhalten und ausplündern."
Smith, der den Namen Crawley tatsächlich zu Recht trug, lächelte.
"Sie müssen doch immer Ihre kleinen Spaße machen. Aber vielleicht darf ich Sie daran erinnern, dass in den Gefängniszellen noch reichlich Platz ist. Dort müssen auch Leute sitzen, die Land gestohlen und Eingeborene ermordet haben."
"Was wollen Sie eigentlich?" fragte Minute ärgerlich.
Der Sergeant grinste.
"Nur ein paar freundliche Worte mit Ihnen wechseln. Seit einem Jahr habe ich Sie nicht besucht, und das Leben bei der Polizei ist nicht gerade sehr interessant, selbst wenn man wöchentlich drei Pfund Zuschuss zu seinem Gehalt bekommt. Das ist gar nichts im Vergleich zu den Zeiten, die ich bei der berittenen Polizei im Matabele-Land erlebt habe. Aber wenn ich daran denke, wie ich damals in Salisbury vor Gericht stand und einen feierlichen Eid leistete, dass der alte John Gedding Ihnen auf dem Totenbett all seine Ansprüche auf die Goldmine in Saibuch übertragen habe – wenn ich daran denke, welche Meineide ich geschworen habe, obgleich ich Beamter der südafrikanischen Regierung war, ein Mann, der das Recht eigentlich schützen sollte, dann könnte ich schamrot werden."
"Aber Sie werden nicht schamrot bei dem Gedanken, dass Sie Hoffmanns Laden und Farm überfielen, ihn niederschossen und sein Geld wegnahmen? Das haben Sie wohl vollständig vergessen, Crawley? Und zum Donnerwetter, jetzt möchte ich endlich wissen, was Sie von mir wollen! Wenn es sich um Geld handelt, dann erkläre ich Ihnen von vorneherein, dass ich Ihnen nichts mehr gebe. Auf weitere Beförderung haben Sie keinen Anspruch, und Sie eignen sich auch nicht für einen höheren Posten. Und wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf –"
Der Sergeant unterbrach ihn.
"Sie brauchen mir keinen Rat zu geben, John. Ich weiß nur, dass Sie mir damals einen Anteil an der Goldmine in Saibuch versprochen haben. Sie wirft jetzt einen hohen Profit ab; ich habe erfahren, dass zur Ausbeutung eine Aktiengesellschaft mit zwei Millionen Pfund Kapital gegründet worden ist."
"Aber Sie sind doch gut genug bezahlt worden. Sie haben eine feste Abfindung bekommen."
"Fünfhundert Pfund ist nicht viel, wenn man seinen guten Ruf aufs Spiel setzt." Langsam nahm er seinen Regenmantel wieder um und ging zum Fenster.
"Also, hören Sie, John Minute." Er sprach jetzt nicht mehr gutmütig und freundlich, sondern zeigte sich als der alte Henry Crawley, dem es auf ein Verbrechen mehr oder weniger nicht ankam. "Ich lasse es mir nicht länger gefallen, dass Sie mir wöchentlich ein paar Pfund zahlen. Wenn Sie mich nicht anständig behandeln,...




