Wallace | Das Gesetz der Vier | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 220 Seiten

Wallace Das Gesetz der Vier


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-1042-5
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

ISBN: 978-3-8496-1042-5
Verlag: Jazzybee Verlag
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Die Serie 'Meisterwerke der Literatur' beinhaltet die Klassiker der deutschen und weltweiten Literatur in einer Sammlung.

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Aus Staines wird der Tod von Mr. Falmouth gemeldet, der früher Direktor der Kriminalpolizei in London war. Man erinnert sich noch, daß Mr. Falmouth während seiner amtlichen Tätigkeit George Manfred, den berüchtigten Führer der Vier Gerechten, verhaftete. Die aufsehenerregende Flucht dieses bekannten Bandenführers ist vielleicht das bedeutendste Kapitel der modernen Kriminalgeschichte. Die "Vier Gerechten" waren bekanntlich eine Organisation, die sich selbst das Ziel gesetzt hatte, Ungerechtigkeiten zu rächen, die das Gesetz unbestraft ließ. Man nimmt an, daß die Mitglieder dieser Bande außerordentlich reiche Leute waren, die ihr Leben und ihr Vermögen dieser merkwürdigen und vollständig gesetzwidrigen Tätigkeit widmeten. Man hat seit langen Jahren nichts mehr von ihnen gehört.

*

Manfred las diese Notiz aus dem "Morning Telegram" vor, und Leon Gonsalez runzelte die Stirn.

"Ich muß energisch dagegen protestieren, daß man uns eine ›Bande‹ nennt", sagte er.

Aber Manfred lächelte nur.

"Der arme, alte Falmouth", meinte er nachdenklich. "Er war wirklich ein netter Mensch."

"Ich mochte ihn auch gerne", stimmte Gonsalez zu. "Er war soweit normal, nur Anzeichen von Progenismus –"

Manfred lachte.

"Entschuldige, wenn ich wieder einmal dumm erscheine, aber ich kann es auf diesem wissenschaftlichen Spezialgebiet nicht mit dir aufnehmen. Progenismus?"

"Der Laie sagt gewöhnlich ›hervorragender Unterkiefer‹", erklärte Leon. "Fälschlicherweise wird dieses Merkmal für ein Zeichen von Willensstärke gehalten!"

"Aber abgesehen von allem Progenismus war Mr. Falmouth ein guter Kerl", erwiderte Manfred, und Leon nickte beifällig. "Er besaß auch gutentwickelte Weisheitszähne", fügte Manfred ironisch hinzu.

Gonsalez wurde rot, denn die Erinnerung an seinen Irrtum war ihm peinlich. Trotzdem lachte er.

"Es wird dich vielleicht interessieren, mein lieber George", sagte er triumphierend, "daß der berühmte Doktor Carrara die Zähne von vierhundert Verbrechern und einer gleichen Anzahl von Nichtverbrechern untersuchte und dabei fand, daß die Weisheitszähne bei den normalen Menschen häufiger vorhanden waren."

"Ich gebe dir ja recht mit deinen Weisheitszähnen", sagte Manfred hastig. "Aber sieh doch einmal aufs Meer hinaus hast du jemals etwas Schöneres gesehen?"

Sie saßen auf einer saftigen, grünen Wiese; von der aus man Babbacombe Beach übersehen konnte. Die Sonne ging unter, ein herrlicher Tag neigte sich seinem Ende entgegen. Die Sonnenstrahlen vergoldeten alle Bäume und Sträucher. Hoch über der blauen See erhoben sich die brandroten Klippen und die grünen Felder von Devonshire.

Manfred schaute auf die Uhr.

"Wollen wir uns zum Abendessen umziehen? Oder ist dein Freund, für den du dich so sehr interessierst, mehr ein Bohemien?"

"Er gehört zu der neuen Generation", erwiderte Leon. "Über alte Traditionen fühlt er sich erhaben. Ich freue mich sehr, daß du ihn kennenlernst. Seine Hände sind direkt faszinierend."

Manfred war klug genug, nicht zu fragen, warum die Hände faszinierend waren.

"Ich habe ihn beim Golfspiel getroffen", fuhr Gonsalez fort. "Dabei haben sich verschiedene Dinge zugetragen, die mich sehr interessierten. Wenn er einen Regenwurm sah, blieb er zum Beispiel stehen und tötete das unschuldige Tier mit einer solchen Wut, daß ich höchst erstaunt war. Ein Wissenschaftler sollte doch keine solchen Schrullen und Vorurteile haben. Er ist sehr reich. Die Leute im Klub erzählten mir, daß ihm sein Onkel nahezu eine Million hinterlassen hätte. Außerdem ist er der einzige Erbe einer seiner Tanten oder Cousinen, die voriges Jahr starb und ihm ein großes Besitztum hinterließ, das man ebenfalls auf eine Million schätzt. Er ist natürlich eine glänzende Partie. – Ob Miss Moleneux allerdings dasselbe denkt, konnte ich nicht herausbringen", fügte er nach einer Pause hinzu.

"Großer Gott", rief Manfred verwirrt, "sie kommt wohl auch heute abend zum Essen?"

"Sie kommt mit ihrer Mutter", erklärte Leon ernst.

"Diese tüchtige Dame hat brieflichen Unterricht im Spanischen genommen und redet mich immer mit ihrem Kauderwelsch an, wenn ich sie treffe."

Die beiden Freunde hatten für den Frühling Cliff House gemietet, um sich dort zu erholen. Besonders Manfred liebte Devonshire im April, wenn die Abhänge der hügeligen Landschaft mit Schlüsselblumen und Narzissen bedeckt waren, die wie ein goldener Sprühregen auf den grünen Wiesen schimmerten. "Señor Fuentes" hatte das Haus nach einer Besichtigung gemietet. Die Ruhe und der Frieden, die hier von der Natur ausströmten, taten seinem unruhigen, geschäftigen Geist unendlich wohl.

Manfred hatte sich zum Essen umgekleidet und saß im Wohnzimmer vor dem großen Kamin, in dem ein Holzfeuer brannte. Als er das Geräusch eines näher kommenden Autos hörte, das vorsichtig den Klippenweg herunterfuhr, stand er auf und trat ins Freie.

Leon Gonsalez war bei ihm, bevor die große Limousine vor der Eingangshalle hielt.

Zuerst stieg ein großer, schlanker Herr aus dem Wagen. Er sah nicht schlecht aus, obgleich sein Gesicht von Falten durchzogen war und seine Augen tief lagen. Die Brauen waren nicht gewölbt, sondern verliefen in gerader Richtung. Er grüßte Gonsalez mit einer gewissen Herablassung.

"Hoffentlich haben wir Sie nicht zu lange warten lassen, meine Experimente haben mich noch etwas aufgehalten. Heute ging alles schief im Laboratorium."

Manfred, der ihn scharf beobachtet hatte, wurde ihm und den Damen vorgestellt. Er reichte einem, ernsten, jungen Mädchen von eigenartiger Schönheit die Hand.

Manfred war sehr sensitiv und erkannte sofort, daß Miss Moleneux von einer heimlichen Sorge bedrückt war. Ihr freundliches Lächeln, das zweifellos aufrichtig gemeint war, erschien ihm gleichwohl mechanisch und leer. Leon, der die Menschen mehr nach Verstandes- als nach Gefühlsmomenten beurteilte, zog ebenfalls seine Schlußfolgerungen aus ihrem Verhalten. Der ungewisse Eindruck Manfreds formte sich bei ihm zu einer bestimmten Erkenntnis. Das Mädchen fürchtete sich! Leon hätte gerne gewußt, vor wem sie Angst hatte. Sicherlich nicht vor dieser untersetzten, selbstzufriedenen Frau, die ihre Mutter war, und sicherlich auch nicht vor diesem hageren, bebrillten Gelehrten.

Während die Damen ihre Mäntel in einem der oberen Zimmer ablegten, hatte Manfred Gelegenheit, sich ein Urteil über Dr. Viglow zu bilden. Er brauchte ihn nicht zu unterhalten, denn der Doktor war selbst ein gewandter Gesellschafter.

"Ihr Freund spielt recht gut Golf", sagte er, indem er auf Gonsalez zeigte. "Wirklich gut für einen Fremden. Sie sind doch beide Spanier?"

Manfred nickte. Eigentlich war er ja mehr Engländer als sein Gast, aber augenblicklich stattete er England als Spanier einen Besuch ab und war auch mit einem spanischen Paß versehen.

"Wenn ich Sie recht verstanden habe, sind Ihre Forschungen ungewöhnlich erfolgreich?" fragte Leon.

Dr. Viglows Augen leuchteten auf.

"Ja, ich bin sehr zufrieden." Plötzlich fragte er schnell: "Wer hat Ihnen denn das gesagt?"

"Sie haben es mir doch selbst im Klub erzählt."

Der Doktor runzelte die Stirn.

"So?" Er fuhr mit der Hand über die Stirn. "Ich kann mich gar nicht darauf besinnen. Wann war denn das?"

"Heute morgen. Aber Ihre Gedanken waren wahrscheinlich mit wichtigeren Dingen beschäftigt."

Der junge Gelehrte biß sich auf die Lippen.

"Ich hätte nicht vergessen dürfen, was heute morgen passierte", sagte er in besorgtem Ton.

Manfred hatte den Eindruck, daß er verzweifelt mit sich selbst kämpfte. Aber schließlich heiterte sich seine Miene wieder auf.

"Ja, ich habe wirklich einen ungewöhnlichen Erfolg...



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