Wagner | Schattenbach | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 328 Seiten

Reihe: Carozzi-Krimi

Wagner Schattenbach

Ein Carozzi-Krimi
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-7099-7456-8
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Carozzi-Krimi

E-Book, Deutsch, Band 2, 328 Seiten

Reihe: Carozzi-Krimi

ISBN: 978-3-7099-7456-8
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Trügerische Idylle in der Landgemeinde Schattenbach

Eine verschwundene Madonnenstatue, ein abgetrennter Finger, eine Frauenleiche, mit einem Rosenkranz ans Chorgestühl der Dorfkirche gefesselt - im idyllischen Schattenbach inmitten der Weinberge der Wachau geschehen makabere Dinge.

Und mittendrin: Mario Carozzi, Archäologe und Genussmensch mit einem Hang zu ausgefallenen Chili-Rezepten. Um sich vom Verdacht zu befreien, selbst der Täter zu sein, beginnt er seine privaten Ermittlungen und muss bald feststellen, dass sämtliche Honoratioren des Dorfes, vom Bürgermeister bis zum Pfarrer, einiges zu verbergen haben.
Christoph Wagners Krimi-Debüt: Eine fesselnde Detektivstory aus der bigotten Welt der österreichischen Provinz, garniert mit viel schwarzem Humor - und einigen höllisch scharfen Rezepten.

"Die Hauptfigur Mario Carozzi, die nach jahrelangem Mexiko-Aufenthalt nach Niederösterreich zurückkehrt, kämpft gegen das Unrecht in der scheinbar idyllischen Landgemeinde Schattenbach. Dabei verstrickt er sich aber immer weiter in einen Mordfall. Seine Erinnerungen an Mexiko und die kulinarischen Genüsse, mit denen er sich immer wieder in ferne Welten zaubert, halten ihn über Wasser. Wo die weite Welt auf ein kleines Nest trifft, kommt es nicht selten zu Konflikten. Scharfer Lesestoff für alle, die gerne in die Ferne schweifen."

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1
O happy earth! Reality of Heaven! Percy B. Shelley Am Freitag, an dem ich beraubt wurde, brach in Schattenbach die Welt zusammen. Das ist, um ehrlich zu sein, weniger dramatisch, als es vielleicht klingt. Denn die meisten Dinge, die mich hier in Schattenbach umgeben, sind ohnedies nicht von dieser Welt. Oder würden Sie meinen, dass Schluckbildchen zu dieser Welt gehören? Schluckbildchen. Briefmarkengroße Pergamentfetzen mit der Madonna drauf, oder mit heiligen Sprüchen. Auf die Zunge gelegt. Runter damit. Segen im Bauch. Das ist es, wovon ich zur Zeit lebe. Es ist schon ein wenig lachhaft, was ich hier treibe. Statt in Ephesos im Dienste der Wissenschaft Amphorenscherben auszubuddeln oder in Mexiko nach alten Aztekenschätzen zu graben, mache ich hier im alten Schiffsmeisterhaus hoch über der Lände von Schattenbach den dummen August. Wenn jemand um einen Zehner mit mir darum wettet, dass ich mich das traue, dann schlucke ich sogar ein Schluckbildchen. Kein echtes, versteht sich, sondern ein präpariertes aus Oblaten, die ich selber mit Tintenfischtinte gestempelt habe. Die echten Bildchen wären zu wertvoll – und schmecken überdies scheußlich. Es ist ein einsamer Job in einem einsamen Kaff ohne jede gute Hoffnung, auf den ich mich da eingelassen habe. Halbwegs was los ist nur am Wochenende, wenn ich meine größten Erfolge damit erziele, den Leuten zu erklären, wie man eine Drud fängt. Eine Drud ist ein böser Geist, der nächtens erscheint und sich einem dann recht dreist aufs Brustbein hockt. Wenn man den Albdruck erst einmal schmerzhaft spürt, ist es allerdings meistens schon zu spät, um die Drud zu verjagen. Also lieber vorher das sichelförmige, an einem Ende spitz wie eine Nadel zulaufende Drudenmesser an einer Schnur, am besten mit einem Nagel an der Decke, befestigen und über dem Brustbein pendeln lassen. Die Drud ist zwar böse, aber dumm ist sie Gott sei Dank auch. Wenn sie kommt, übersieht sie in ihrer Gier das scharfe kleine Ding, hockt sich nichts ahnend aufs Brustbein, und während sie dann auf Herz und Seele drückt, schnellt der scharfe Stahl direkt auf sie zu, spießt sie auf, und hin ist die Drud. Man kann also wieder in Ruhe schlafen. Immer ein Lacherfolg, die Geschichte. Aber es haben mich auch schon Besucher gefragt, ob man so ein Drudenmesser nicht auch käuflich erwerben kann. Etelka, die mir gelegentlich aushilft, sagt, dass ich, wenn ich solche Geschichten erzähle, übertreibe. Aber nur wenn ich übertreibe, bekomme ich auch Trinkgeld, ansonsten ernte ich allenfalls ein müdes Lächeln. Natürlich sind die Schluckbildchen und die Drudenmesser bei Weitem nicht alles, was ich meinen Besuchern zu bieten habe. Ich verwahre in meiner Sammlung auch ein Osterei, auf dem vierundfünfzig kleine Hufeisen befestigt sind. Ferner verfüge ich über einen Bierkrug, der sich auf vier Beinen bewegen kann und, während er, durch ein Laufwerk in Gang gesetzt, behände von einem Trinker zum anderen krabbelt, „In München steht ein Hofbräuhaus“ intoniert. Auch er ist allerdings nur eines von 924 mehr oder minder kuriosen Objekten, die im Laufe der Zeit, oft nach vielen Umwegen, hier in dem alten Schiffsmeisterhaus gelandet sind. Im diesem ehrwürdigen Gebäude ist nämlich das Heimatmuseum von Schattenbach untergebracht. Es nennt sich ganz bescheiden Heimathaus, ist aber tatsächlich ein wirkliches Museum, allein schon weil es wie jedes echte Museum ziemlich komplizierte und unübersichtliche Öffnungszeiten hat, die noch von meiner Vorgängerin, offenbar zur Verwirrung unliebsamer Besucher, eingeführt wurden. Mein Büro ist in dem alten Ladenkontor gleich neben der Eingangstür, in dem ich die eintretenden Gäste begrüße und sie bitte, bis zur nächsten Führung ein wenig zu warten. Hier erledige ich nicht nur den bürokratischen Kram und verkaufe die Eintrittskarten, sondern habe auch einen kleinen Souvenir-Shop mit Ansichtskarten, Ausstellungspostern, Strohblumensträußchen und kleinen Säckchen voll Mohn, Nüssen, Johanniskrauttee und gerösteten Kürbiskernen eingerichtet. Die Registrierkasse ist aus Messing, das allerdings wieder einmal blankgescheuert werden müsste. Ich darf nicht vergessen, Etelka darum zu bitten, auch wenn es für die Funktionstüchtigkeit des Museumsbetriebs gänzlich unerheblich ist, ob die Kassa glitzert und gleißt oder ob sie schmutzig und fettig aussieht wie jetzt. Ich beginne meine Führung stets in der Mineraliensammlung, allein schon deshalb, weil mich dieser Abschnitt selbst am wenigsten freut, aber eben auch erklärt sein will. Die Mineraliensammlung hat jedoch nicht nur eine regionale, sondern auch eine dramaturgischen Bedeutung, die ich nur wenige Tage, nachdem ich meinen Posten als Kustos von Schattenbach angetreten hatte, sogleich produktiv zu nutzen verstand. Sie mündet nämlich in eine Reihe von Vitrinen mit in Spiritus präparierten Embryos, die, einmal rein pathologisch betrachtet, geradezu exemplarisch schöne Missbildungen aufweisen. In meinem Vortrag gehe ich allerdings nicht näher auf diese Missbildungen ein, sondern sage, nachdem ich eine lange Pause verstreichen habe lassen, in einer Stimmlage, die zarter besaitete Museumsbesucher an Gefühlskälte erinnern mag: „Brauchen Sie jetzt vielleicht einen Schnaps?“ Der Moment, um diese Frage zu stellen, ist – ich kann es aus einer zwar kurzen, aber doch sehr eindeutigen Erfahrung sagen – ziemlich gut gewählt. Denn während ich die Schnapsfrage stelle, ist die Führung bereits am Ende des langen Museumsschlauches angelangt, der nicht nur in die Tiefen des alten Schiffsmeisterhauses, sondern auch zur Treppe in den Oberstock führt. Genau an dieser Bruchlinie zwischen Naturgeschichte im Parterre und Volkskunst im ersten Stock liegt jene unvergleichliche Museumseinrichtung, die ich meinen Tabernakel nenne. Von außen sieht man von dem direkt ins alte Bruchsteinmauerwerk eingelassenen Kästchen nur die in die Zirbenholzlamperie des Treppenhauses integrierte Schranktür, von der kein Besucher erwarten würde, dass sie plötzlich aufgeht. Es finden sich auch weder Schlüsselloch noch Riegel, die auf irgendeine verborgene oder gar offensichtliche Mechanik schließen lassen würden. Dennoch öffnet sich der Tabernakel, sobald ich eine Gruppe von Besuchern daran vorbeiführe, wie von Geisterhand. Selbstverständlich will nun jeder wissen, wie ich das Schränkchen in der Wand aufkriege, doch nicht einmal Etelka, die weiß Gott was darum geben würde, habe ich bis jetzt über die wahre Funktionsweise aufgeklärt. Nur so viel: Wichtig ist, dass die Tür sich dann öffnet, wenn keiner es erwartet. Umso wirkungsvoller ist es dann nämlich, wenn dahinter gleich mehrere Schnapsflaschen zum Vorschein kommen. Das hat noch jeden verblüfft: Ich sage also mit bewusst unterkühltem Sarkasmus: „Brauchen Sie jetzt vielleicht einen Schnaps?“, und bevor den Leuten noch ein befreiendes Jaaa!! aus der Kehle schnellt, geht die Geheimtür auf und bringt einen Vogelbeerbrand, einen Hetschepetschenschnaps, einen Trebernen, einen „Dirndl“ genannten Feinbrand aus Kornelkirschen sowie einen Zwei-Liter-Ballon voller Himbeergeist zum Vorschein. Wenn das nicht lebendige Museumsdidaktik ist! Und es passiert auch nicht oft, dass jemand, der sich bei den Mineralien gelangweilt und vor den Embryos geekelt hat, meinen Schnaps ablehnt, dessen gar nicht so unerheblicher Preis selbstverständlich nicht in der Eintrittsgebühr inbegriffen ist. Das Geschäft mit dem Tabernakel bringt jedenfalls allemal mehr als das für gewöhnlich recht bescheiden ausfallende Trinkgeld, von dem ich überdies die Hälfte Etelka zustecke, weil sie so eine geschickte Staubfängerin ist und es im Heimathaus von Schattenbach wahrlich genug Staub gibt. Die Schnapsflaschen sind übrigens mein bisher wichtigster Beitrag zum wenngleich bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung des Schattenbacher Heimathauses. Bevor ich das Museum als Kustos übernahm, waren im Tabernakel nämlich alles andere als Schnapsflaschen gestanden. Und es gibt einige im Ort, die meine Veränderungen am Tabernakel trotz aller ökonomischer Vernunft, die sich zweifellos dahinter verbirgt, als gotteslästerlich bezeichnen. Namentlich handelt es sich dabei um eine gewisse Frau Zidibulk, eine ortsansässige Matrone, die das Museum nach dem Ableben des alten Dorfschullehrers zwischenzeitlich reinigte oder, wie sie selbst es zu formulieren pflegt, „verwaltete“. Als Frau Zidibulk das erste Mal dahinterkam, was ich mit „ihrem“ Tabernakel angestellt hatte, war sie voller Entsetzen sofort zum Bürgermeister gerannt und hatte von diesem in seiner Funktion als Obmann des Verschönerungsvereins und damit als meinem unmittelbaren Vorgesetzten verlangt, meine sofortige Entlassung anzuordnen. Bürgermeister Hannes Munknast ist jedoch ein zwar in politischer Hinsicht einigermaßen rückschrittlicher, so aber doch, wenn man mit ihm privat zu tun hat, leidlich patenter Zeitgenosse. Er hörte sich Frau Zidibulks apokalyptische Ausführungen also mit der Geduld und gelassenen Miene eines in dieser Hinsicht so wasserdichten wie wetterfesten Provinzpolitikers an, gab ihr völlig Recht – und entließ mich trotzdem nicht. Dass ich die Einnahmen des Heimathauses, seit ich dort mit dem Schnapsverkauf begann, binnen weniger Wochen mehr als verdreifacht hatte, fiel dabei allerdings noch weniger ins Gewicht als eine andere Tatsache: Ich war nämlich vorausblickend genug gewesen, den Großteil der Schnäpse bei einem der prominentesten Schnapsbrenner des Ortes einzukaufen, und das war kein Geringerer als der Bürgermeister selbst, wenngleich dieser nicht müde wurde zu betonen, dass er seine...


Christoph Wagner geboren 1954, lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2010 als Autor, Publizist und Gastrosoph in Wien, Linz und Kindberg. Studium der Germanistik, Anglistik und des Kulturellen Managements. Er verfasste über 25 Jahre lang Gourmetkolumnen und Restaurantkritiken sowie zahlreiche Buchveröffentlichungen zu kulinarischen und kulturhistorischen Themen; außerdem 2002 Schattenbach, der erste Kriminalroman rund um Doktor Carozzi. Bei Haymon: Gefüllte Siebenschläfer. Kriminalroman (2007), Muj und der Herzerlfresser von Kindberg. Ein Südbahn-Krimi (2010). Bei HaymonTB: Die klassischen Gerichte Österreichs (mit Ewald Plachutta, 2010) und Die süße Küche Österreichs (mit Toni Mörwald, 2011).



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