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E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Wagner Abnorm.

Wenn Menschen zu Bestien werden. Reportagen einer Strafverteidigerin.
3. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7693-8402-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wenn Menschen zu Bestien werden. Reportagen einer Strafverteidigerin.

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-7693-8402-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Es passiert plötzlich und ohne Vorwarnung. Menschen, die ein geordnetes, unauffälliges Leben führen. Unbemerkt staut sich etwas auf in ihrem Inneren, um sich mit ungeahnter Wucht zu entladen. Die bekannte Strafverteidigerin Astrid Wagner begleitet seit Jahrzehnten Menschen, die Tötungsdelikte begangen haben. Sie hat sich in ihre Akten vertieft, mit ihnen lange Gespräche geführt, sie vor Gericht nach bestem Wissen und Gewissen verteidigt. In ihrem neuen Buch, das wie immer auf wahren Fällen basiert, zeigt sie auf, welch verheerende Auswirkungen abnorme Geisteszustände auf das Leben von Tätern, Opfern und Angehörigen haben.

Dr. Astrid Wagner wuchs in Wien, Paris und der Steiermark auf. Seit 2001 führt sie eine Rechtsanwaltskanzlei in Wien. Sie vertritt immer wieder in brisanten, oftmals öffentlichkeitswirksamen Strafprozessen. Inspiriert durch ihre Fälle schrieb sie zahlreiche True-Crime Bücher, die sie inzwischen einem breiten Publikum bekannt gemacht haben.

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RÄCHER
Eine Bar hoch über der Wiener City
Der Blick aus der getönten Glasfront ist spektakulär. Riesige, zackenförmige Muster aus abertausenden verschiedenfärbigen Dachziegeln. Kunstvoll ziselierte, himmelwärts strebende Türmchen. Die Bar befindet sich in der obersten Etage des modernen Glaspalastes im Herzen der Wiener City. Ich liebe nicht nur den Ausblick auf das Dach des Wiener Stephansdoms, sondern auch das Ambiente aus gedimmten Licht und unaufdringlicher Lounge-Musik. Die Frau, die mir gegenübersitzt, hat ein rundes, hübsches Gesicht. Der rote Lippenstift betont den hellen Teint. Ihre dunkelbraun glänzenden Augen erinnern mich an kleine Kirschen, sie verleihen ihrem Blick etwas Liebliches, ja Fröhliches. Und doch wirken sie unendlich traurig an diesem späten Nachmittag. „Er hat mich auf Händen getragen…“ Ihre Stimme klingt leise, fast flehentlich. Gedankenverloren rührt sie im Milchschaum ihres Cappuccinos. Plötzlich hebt sie ihren Kopf und sieht mich eindringlich an: „Aber ich hadere mit mir selbst. Wieso ist mir nichts aufgefallen? Hätte ich es verhindern können?“ Sie beginnt zu weinen. Ich lege meine Hand auf ihre Schulter und erkläre ihr: „Machen Sie sich keine Vorwürfe. Es kommt oft vor, dass die Umwelt nichts bemerkt, wenn ein Mensch psychisch krank wird. Weil man die Symptome falsch deutet. Weil man dem Menschen nahesteht und man es nicht wahrhaben will. Weil man keine Erfahrung damit hat.“ Wenige Wochen zuvor, an einem Abend im November
Es ist später als sonst. Harald weiß, dass sie heute nach der Arbeit mit einer Freundin verabredet war. Jetzt, um Punkt 22 Uhr, wartet er wie immer am Parkplatz bei der Wiener Staatsoper auf sie, um sie nach Hause zu fahren. Mehr als zwei Jahrzehnte sind sie inzwischen verheiratet. Harald erinnert sich heute noch an den Augenblick, als er ihr in diesem Kaffeehaus das erste Mal begegnet war. Sie servierte dort und war zu seinem Tisch gekommen, um die Bestellung aufzunehmen. Er blickte in dunkelbraune, fröhliche Augen. Irgendetwas ermutigte ihn zu einer lustigen Bemerkung, was sonst gar nicht seine Art war. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Seitdem weiß Harald, dass es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gibt. Später erfuhr er ihre Lebensgeschichte, die ihn berührte und ihm zugleich Respekt einflößte. Silvia war mit fünf Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen am Land aufgewachsen. Schon mit vierzehn war sie in die Großstadt aufgebrochen, um sich alleine durchzuschlagen. Nach einem halben Jahr machte er ihr einen Heiratsantrag. Sie musste weinen, vor Glück und vor Rührung. *** Es ist eine parkähnliche Wohnhausanlage am Rande des Wienerwalds. Vor rund einem Jahrzehnt sind sie aus der lärmenden Stadt hier hinausgezogen. Seitdem findet Harald sich jeden Abend mit seinem Auto beim verabredeten Ort bei der Oper ein, um Silvia von ihrer Arbeitsstelle in der City abzuholen. Zuhause steht das Abendessen schon am Tisch, denn beim Stadtgartenamt ist schon um vier Uhr nachmittags Schluss. Seit drei Monaten hat Harald noch mehr Zeit: Die Gemeinde hat ihm seine Stelle als Gärtner gekündigt. *** Er erblickt sie schon von Weitem. Elegant wirkt sie, in ihrem hellen Trench-Coat und den hohen schwarzen Stiefeln. Sie hatte immer schon einen guten Geschmack, was ihr bei ihrer Arbeit als Modeverkäuferin zugutekommt. „Hallo Schatz“, begrüßt sie ihn mit einem flüchtigen Kuss, nachdem sie sich auf den Beifahrersitz gesetzt hat. Silvia weiß, wie sehr die Kündigung Harald zu schaffen macht. Er ist jetzt Mitte vierzig und war immer schon ein in sich gekehrter Mensch gewesen. Einer, der keine Freunde hat. Ein Eigenbrötler, der abends nicht gern ausgeht, sondern sich lieber mit Videospielen beschäftigt oder im Netz surft. Seit der Kündigung hat er sich noch mehr in sich verkrochen. Er sitzt oft stundenlang teilnahmslos am Sofa, und wenn sie ihn dann anspricht, scheint er sie gar nicht zu hören. Als ob er sich in diesen Momenten in einer anderen Realität befinden würde. Vor ein paar Nächten war er unvermutet aufgestanden und hatte sein Ohr an die Wand gelegt: „Hörst du das?“ hat er sie gefragt, um dann zu bemerken: „In der Wohnung nebenan weint ein Kind. Es tut mir in der Seele weh…“ Silvia hört nichts und schweigt. Sie will ihrem Harald nicht widersprechen, es könnte ihn verletzen. Sie weiß, wie sensibel er in manchen Momenten sein kann. *** Die Farben des Fotos sind längst verblasst. Es zeigt ein auffallend hübsches, schüchtern lächelndes Mädchen mit langen dunklen Haaren. „Sabrina“ ist in goldenen, geschwungenen Lettern am schneeweißen Grabstein eingraviert, darunter Geburts- und Sterbedatum. Sie wurde nur sieben Jahre alt. Sie wohnten damals noch mitten in der Stadt an einer verkehrsreichen Straße. Sie war am Weg zur Schule. Ein unachtsamer Moment, der Autofahrer reagierte zu spät. Es war ihre einzige Tochter, und sie blieb es. Auch jetzt, fast zwanzig Jahre später, besuchen sie ihr Grab so oft es geht. Es ist seltsam: Wenn Harald länger nicht dort war, taucht Sabrina in seinen Träumen auf. Dann weiß er, er muss wieder zum Friedhof, um ihr nahe zu sein. *** „Bist du müde?“ fragt er sie, als sie am Wiener Ring in Richtung ihres Heimatbezirkes fahren. „Überhaupt nicht! Ich habe Kaffee getrunken“, antwortet sie. Er schlägt vor, ein bisschen durch die Gegend zu fahren. Silvia ist erfreut. Morgen hat sie frei. Sie liebt es, mit dem Auto in der Landschaft zu kurven. Einfach so, ohne Ziel und ohne Plan. Das hatten sie früher oft gemacht, zuletzt aber immer seltener. Aus finanziellen Gründen, denn seit Haralds Kündigung müssen sie sparen, auch beim Benzin. Sie fahren über die Außenbezirke an den Stadtrand, wo Wien mit seinen Weinreben und Winzerhäuschen schon ländlich wirkt, hinauf zur alten Höhenstrasse, die den Wienerwald durchzieht. Silvia erzählt allerlei Belangloses aus ihrem Arbeitsalltag. Von einer arroganten Kundin und davon, dass schon wieder eine Verkäuferin wegen Schwangerschaft ausfällt. Harald wirkt in sich versunken und schweigt. Als sie seine Hand streichelt, reagiert er nicht, sondern blickt starr auf die von den Autoscheinwerfern beleuchtete Straße vor ihm. Zwei Stunden vergehen, ohne dass zwischen ihnen ein Wort gewechselt wird. Aus einem Amtsvermerk des Landeskriminalamts Wien
Um 00:25 Uhr wurde die Hausbesorgerin der Wohnhausanlage, Christina R. (…) aufgesucht. R. gab zum Sachverhalt befragt an, dass sie gegen 21:15 einen lauten Knall von draußen hören konnte. Sie öffnete daraufhin ihr Fenster, welches in Richtung des Parks der Wohnhausanlage zeigt und sah jemanden in Richtung Stiege 3 laufen. Erkennen konnte sie diese Person jedoch nicht. Sie sah jedoch auch den Harald S., wie dieser ganz gemütlich in Richtung der Parkplätze auf der Gasse ging. Sie hat ihn gegrüßt und nickte ihr der S. noch zu. Er war bekleidet mit einer schwarzen Lederjacke und hatte seine Brille auf. Eine Waffe hat sie nicht gesehen. Eine Nacht im November
Gegen Mitternacht biegen sie in die Gasse ein, die sie zu ihrer Wohnung führt. Silvia erschrickt, als sie die Blaulichter der unzähligen Einsatzfahrzeuge von Polizei und Rettung sieht. „Da muss etwas passiert sein!“ ruft sie aus. In diesem Augenblick erkennen sie vor ihnen eine Polizeiabsperrung. Eine Zufahrt zur Wohnung ist nicht möglich. Harald bleibt gelassen. Er schlägt vor, einen Umweg zu machen, um über die Höhenstrasse von der anderen Seite zuzufahren. Jetzt fahren sie wieder durch den Wald. Sie war vorhin schon müde gewesen, aber das Szenario hat sie beunruhigt. Sie macht sich Gedanken, warum Harald so schweigsam ist. Das viele Blaulicht, die Absperrung… Er müsste sich doch auch fragen, was da passiert sei? Plötzlich spricht er es aus. Ohne Anlass, mitten in das nächtliche Schweigen hinein: „Ich habe einen Menschen getötet.“ „Hör auf! Mit so etwas macht man keinen Spaß!“ schimpft sie. Haralds Miene bleibt unbewegt: „Doch, ich habe es getan. Er war ein Pädophiler. Ich habe ihn erschossen.“ Sie verspürt einen Stich. Sie weiß von der schwarzen Pistole in der untersten Schreibtischlade. Plötzlich fühlt sich alles irreal an. Der dunkle Wald, die Scheinwerfer des Autos auf der nächtlichen Straße, Haralds versteinerte Miene. Ganz fremd ist er ihr mit einem Mal geworden. Wie kann er nur so einen bösen Scherz mit ihr treiben. Sie beginnt leise zu weinen. Endlich zeigt Harald Regung. Er streichelt ihre Wange. „Sag, dass es nicht wahr ist!“ flüstert sie, fast schon zornig. Er blickt sie mit traurigen Augen an, dann wendet er sich kopfschüttelnd ab. Es ist kurz vor vier Uhr morgens, als sie ihr Auto bei der Gasse neben der Wohnhausanlage einparken. Am Fußweg zum Wohnhaus gehen sie an einer Parkbank vorbei. Jemand hat darauf Grablichter gestellt. Das rötliche Flackern wirkt unheimlich, doch Silvia hat keine Kraft mehr, darüber nachzudenken. Sie folgt Harald zu ihrer im ersten...



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