Wachsmuth | Maschinen, Computer, künstliche Intelligenzen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 116 Seiten

Wachsmuth Maschinen, Computer, künstliche Intelligenzen

Eine persönliche Zeitreise
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-7997-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine persönliche Zeitreise

E-Book, Deutsch, 116 Seiten

ISBN: 978-3-7578-7997-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Maschinen sind aus dem Alltag nicht wegzudenken. Wir haben uns daran gewöhnt, mit der Technik zu leben. Aber verstehen wir noch, was dahintersteckt? Unsere Welt verändert sich so schnell, dass wir aufpassen müssen, nicht den Anschluss zu verlieren. Oft finden wir heute Computer vor, wo uns gestern noch ein Mensch begegnet ist. Was kommt auf uns zu, wenn Maschinen immer "intelligenter" werden? Begleiten Sie den Autor auf einer Zeitreise - von seinen ersten selbstgebauten Maschinen aus Gummibändern, Drähten oder ausrangierten Telefonteilen - in die Welt der Wissenschaft. Später sind seine Maschinen zum Beispiel Computer, die Sprache verstehen, oder Roboter, die in der Pflege eingesetzt werden. Auch ethische Aspekte werden erörtert und schließlich die Frage, ob Maschinen eine Persönlichkeit entwickeln können und was das für uns bedeuten würde. Ein Buch für alle, die sich für Technik interessieren und gerne Geschichten lesen, in denen es - auch für Laien verständlich - einiges zu lernen gibt.

Ipke Wachsmuth, Jahrgang 1950, Abitur in Rinteln, hat in Hannover studiert und promoviert, an der Universität Osnabrück, der Northern Illinois University (USA) und bei IBM Deutschland geforscht und mehr als 25 Jahre Informatik und Künstliche Intelligenz an der Universität Bielefeld gelehrt.

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2. Relaismaschinen aus Postschrott
Eines Tages kam der Physiklehrer in den Unterricht – es war 1966 in der elften Klasse – und erzählte uns von „Jugend forscht“, ein Jugendwettbewerb für Naturwissenschaften und Technik, den die Zeitschrift STERN im Jahr zuvor ins Leben gerufen hatte. „Wir suchen die Forscher von morgen“ hieß es in der Broschüre, die der Lehrer verteilte, um uns für den Wettbewerb zu begeistern. Unter anderem erklärte er uns den „bedingten Reflex“, den ein Wissenschaftler namens Pawlow in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckt hatte. Das klang spannend und führte dazu, dass ich gemeinsam mit meinem Mitschüler Karl einen „Lernsimulator“ bauen wollte – eine Maschine, die einen einfachen Lernvorgang Schritt für Schritt technisch nachahmt (simuliert), und zwar Lernen durch bedingten Reflex. Was ist denn ein bedingter Reflex? Davon hatten wir noch nicht gehört. Aber was ein Reflex ist, wussten wir schon: Eine unwillkürliche Reaktion des Nervensystems auf einen bestimmten Reiz. Zum Beispiel der Kniesehnenreflex, bei dem unser Bein nach vorne schnellt, wenn man an einer bestimmten Stelle leicht auf das Knie schlägt. Oder wenn man Essen im Mund hat, wird unwillkürlich Speichel abgesondert. Das ist nicht nur beim Menschen so, sondern zum Beispiel auch beim Hund. Iwan Pawlow, ein russischer Mediziner und Physiologe, hatte einen interessanten Effekt entdeckt. Er spritzte Hunden Fleischbrühe ins Maul; dabei sonderten sie Speichel ab, der durch einen Schlauch abgeleitet wurde. Bevor aber die Fleischbrühe eingespritzt wurde, ließ Pawlow jedes Mal eine Klingel ertönen. Wenn Ton und Fleischbrühe wiederholt so dargeboten wurden, passierte das Folgende: Allein schon beim Klingelton sonderten die Hunde Speichel ab! Der Ton bedeutete offenbar „Futter“ für sie. Pawlow nannte das den bedingten Reflex: eine gelernte Reaktion auf einen Reiz, der für sich allein diese Reaktion nicht auslöst. Das kam mir bekannt vor: Mein Bruder hatte ein Aquarium, und wenn er seinen Fischen Futter einstreute, sammelten sie sich an der Futterstelle. Doch pflegte er zuvor an die Aquariumscheibe zu klopfen, und schon kamen die Fische herbei. Aha: Das Klopfgeräusch war wohl ein bedingter Reflex auf Futter, den die Fische gelernt hatten. Idee für unsere Lernmaschine
Daraus entstand die Idee, eine Maschine zu bauen, die das Lernen eines bedingten Reflexes simuliert. Unser Physiklehrer erwähnte, dass es schon eine elektrische Schaltung gab, die den Pawlowschen Reflex technisch nachahmte (die sogenannte Lernmatrix, ein Spezialfall dessen, was man heute als künstliches neuronales Netz bezeichnet). Wir sollten aber etwas Neues aufgreifen: Unsere Maschine sollte auch „vergessen“ können. Ob Hund oder Fisch – der bedingte Reflex würde wohl nur auf Dauer funktionieren, wenn nach dem Ton auch die „Futterbelohnung“ kam. Sonst würde das Gelernte wieder vergessen werden. Der Zufall wollte es, dass ich ein Buch über moderne Lerntechnik in die Hände bekam („Kopfarbeit mit Köpfchen“ von Walter F. Kugemann). Darin fand sich einiges über den Mechanismus von Lernvorgängen, so auch der Hinweis, dass Vergessenes sich durch Wiederholung auffrischen lässt: Es muss nicht alles neu gelernt werden. Sollten wir das nicht auch berücksichtigen? Dass also nach dem Vergessen (bei ausbleibender Belohnung) sich der bedingte Reflex durch kürzeres Nachtrainieren wieder hervorholen lässt? Bald stand fest, wie unsere Maschine im Detail funktionieren sollte. Anfangs sollte sie nur auf „Futter“ reagieren; ein Ton sollte keine Reaktion auslösen. Wenn dann Futter und Ton mehrmals gemeinsam dargeboten wurden, sollte sie schließlich eine Reaktion auf den Ton allein zeigen, als erlernter bedingter Reflex. Wenn danach der Ton eine Weile nur alleine dargeboten wurde, sollte die Maschine das Gelernte „vergessen“ und nicht mehr auf den Ton reagieren. Doch wenn man im Anschluss Ton und Futter wieder zusammen darbot, sollte sie den bedingten Reflex (auf den Ton alleine) wieder lernen, und zwar mit weniger Trainingsschritten als zu Anfang. Aber wie sollte unsere Maschine konkret aussehen, um das Ganze anschaulich vorzuführen? Die Fische meines Bruders gaben die Inspiration. Ein großer Fisch sollte der „Lerner“ sein, ein kleiner das „Futter“, und ein Klingelton sollte der bedingte Reflex werden, auf den der große Fisch nach dem Lernvorgang reagieren sollte. Ein Lernsimulator wird gebaut
Die Lernmaschine sollten wir mit Relais bauen, schlug der Physiklehrer vor. Ein Relais (gesprochen „Relee“, Plural: „Relees“) ist ein elektrisches Bauteil mit einer Kupferdrahtspule und einem Eisenkern (Bild), das nach dem Prinzip eines Elektromagneten arbeitet: Fließt Strom durch die Spule, wird der Eisenkern magnetisch und zieht eine Metallplatte an, wodurch diverse elektrische Kontakte geschlossen oder geöffnet werden, über die weitere Relais (oder zum Beispiel auch Kontrolllämpchen) an- oder ausgeschaltet werden können. Wir benötigten nun erst einmal solche Relais. Hier kommt der „Postschrott“ ins Spiel: Unsere Schule verfügte über ausrangierte Teile aus den Telefonverteilerkästen der Post. Das sind diese grauen Schränke am Straßenrand, in denen damals Relais dafür sorgten, eine Telefonverbindung herzustellen. Wurden bei der Wartung defekte Bauteile entdeckt, ersetzte man gleich eine ganze „Schiene“ mit cirka 20 Relais durch neue. Die alten wurden als Postschrott beim Fernmeldezeugamt gelagert (eine Einrichtung der damaligen Behörde Deutsche Bundespost); von dort hatte sie unsere Schule für den Physikunterricht bekommen. Mit ein oder zwei solcher Schienen zogen wir nach Hause, bauten die Relais aus und testeten zunächst, welche davon noch brauchbar waren. Meistens mussten nur die Kontakte mit einer Drahtbürste vorsichtig gereinigt werden, damit die Relais wieder funktionierten. Daraus löteten wir nach und nach unsere Maschine zusammen, nachdem wir uns die Schaltung auf dem Papier überlegt hatten. Als Stromversorgung diente mein Fleischmann-Trafo (eine elektrische Eisenbahn besaß ich nicht, aber den Trafo hatte ich mir fürs Basteln besorgt). Löten konnte ich schon längst, mein Patenonkel hatte es mir beigebracht. Karl hatte ein weiteres Netzteil und konnte auch löten, ebenso hatte er schon viel Elektrisches gebastelt. So waren wir ein gutes Team, und die Aufgabe kam uns gemeinsam leichter machbar vor als auf sich allein gestellt. Ich widerstehe der Versuchung, unsere Maschine genau zu beschreiben. Doch sei erwähnt, dass für das „Vergessen“ ein sogenanntes Thermorelais wichtig war: Darin wird bei Stromdurchfluss ein sogenanntes Bimetall warm und schließt dadurch einen Kontakt. Wir schalteten das Relais aber so, dass es nur dann Strom bekam, wenn man Futter und Ton gemeinsam darbot. Kam später nur der Ton alleine, floss kein Strom mehr durch – das Bimetall erkaltete und löste den Kontakt, das führte zum „Vergessen“ eines Teils des Gelernten. Dieses wärmeempfindliche Relais wird noch eine Rolle spielen für einen Misserfolg, den wir später erleben sollten. Aber unsere Lernmaschine funktionierte bei allen Tests tadellos, und wir meldeten uns mit der Arbeit „Konstruktion und Bau eines Lernsimulators“ beim Jugend-forscht-Regionalwettbewerb Niedersachsen an. Jugend forscht 1967
Der Regionalwettbewerb fand im Conti-Hochhaus in Hannover statt – damals der Sitz der Hauptverwaltung der Continental AG, die die Patenschaft für den Wettbewerb übernommen hatte. Wir waren gebeten, unsere Arbeit am 8. Februar 1967 in der Empfangshalle aufzustellen, wo sie am nächsten Tag öffentlich gezeigt und einer Jury präsentiert werden sollte. Mit 16 Jahren gehörten Karl und ich zu den jüngsten der 19 Personen, die für den Wettbewerb angemeldet waren. Pünktlich hatten wir unseren Stand aufgebaut, alle Grafiken und Beschriftungen angebracht, unsere Maschine angeschlossen und mehrmals getestet. Am Abend waren alle zu einem Empfang eingeladen. Zum ersten Mal habe ich einen Sherry getrunken und einen Krabbencocktail probiert. Viele interessante Gespräche wurden an diesem Abend schon geführt, bevor es in unsere Unterkunft ging. Am nächsten Morgen testeten wir die Maschine erneut. Alles lief wie am Schnürchen. Bald kamen die ersten Schaulustigen. Wir führten unsere Maschine vor und erklärten, was sie demonstriert und wie wir das gemacht haben. Ich weiß gar nicht mehr, ob wir überhaupt bemerkt haben, dass die Jury an unseren Stand kam. Es war einfach alles so aufregend. Gespannt erwarteten wir die Siegerehrung, die am Nachmittag stattfinden sollte. Wir kommen in den Landeswettbewerb
In der Abschlussveranstaltung wurde verkündet: Wir hatten uns für den Landeswettbewerb qualifiziert! Das stand in den nächsten Tagen auch in den Zeitungen. Wir waren schon ein bisschen stolz, als wir ein Foto von uns entdeckten mit der Unterschrift: „Eine Urkunde und einen Geldpreis erhielten Karl Bleibaum und Ipke...



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