Vossenkuhl Ethik
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8312-5605-1
Verlag: Komplett-Media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Philosophie
E-Book, Deutsch, 144 Seiten
ISBN: 978-3-8312-5605-1
Verlag: Komplett-Media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Wer bin ich? Was kann ich wissen? Was darf ich tun? Der Mensch ist das einzige Lebewesen auf der Erde, das sich selbst erkennt und mit diesem Bewusstsein Fragen zu seiner Existenz stellt. Ethik, Identität und Freiheit bringen die Vorlesungen von Prof. Wilhelm Vossenkuhl eindringlich nahe.
ETHIK - GRUNDLAGEN
Was bedeutet Ethik und wie sind ethische Normen und Regeln mit der Welt, in der wir leben, verbunden?
ETHIK - WAS WIR SOLLEN
Wir Menschen sind für uns selbst und für andere verantwortlich. Die Verantwortung besteht aus Pflichten sich selbst und anderen gegenüber.
ETHIK - DAS GUTE LEBEN
Aristoteles hat die Aufgabe der Ethik darin gesehen, dem Ziel eines guten Lebens der Menschen zu dienen. Was wir heute für gut halten, kann übermorgen nicht mehr gut sein. Wie können wir ethisch mit der Unbeständigkeit des Guten umgehen?
IDENTITÄT
Wie können wir etwas Zuverlässigkeit über uns selbst wissen und uns über uns selbst klar werden? Das, was ich bin, verdanke ich vielen anderen. Selbst das Wissen von mir selbst setzt - so merkwürdig das scheint - andere voraus.
FREIHEIT
Es gibt mehrere Arten der Freiheit, die des Willens und die des Handelns. Wie groß ist der Spielraum unserer Freiheiten? Können wir einfach, was wir sollen und wann nicht, warum nicht?
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
ETHIK
Grundlagen SITTE UND ETHIK Was bedeutet Ethik und wie sind ethische Normen und Regeln mit der Welt, in der wir leben, verbunden? Warum sind die sittlichen, in Kultur und Religion verankerten Normen nicht ausreichend? Es geht darum zu verstehen, dass die Ethik eng mit der Sitte verbunden, aber doch eine eigene, unabhängige wissenschaftliche Disziplin ist. GELTEN UND RECHTFERTIGEN Die Menschenwürde, die Freiheits- und Gleichheitsrechte und das Verbot, Menschen zu töten, sind Beispiele „sittlicher Tatsachen“. Auch die Selbstbestimmung der Person ist eine sittliche Tatsache. Wo liegen deren Grenzen? UNIVERSALE FORDERUNGEN UND KULTURKONFLIKTE Trotz der Wurzeln der Ethik in Kultur und Religion, ist sie verpflichtet, auch dann für universale Forderungen wie die Menschenwürde einzutreten, wenn dies zu Kulturkonflikten führt. Ein Beispiel dafür ist die Frauenbeschneidung. ETHIK ALS KONFLIKTWISSENSCHAFT Es gibt eine zunehmende Menge von Konflikten, die durch die Entwicklung der Medizin und der Lebenswissenschaften, aber auch durch die wirtschaftliche Globalisierung erst entstehen konnten. Die Ethik trägt dazu bei, diese Konflikte zu lösen. „Ethik“ ist ein sehr gebräuchliches Wort geworden. Fast täglich steht es in irgendeiner Verbindung in der Zeitung. Politische Ethik, oder die Ethik in der Wirtschaft – Wirtschaftsethik – oder Medizinethik. Ständig lesen wir dieses Wort, aber was heißt es eigentlich, wo kommt es her? Es stammt aus dem griechischen, ist ein Kunstwort, abgeleitet von dem griechischen Wort „Ethos“. Ethos ist das Brauchtum, die Sitte, die Gepflogenheiten. Soweit zur Herkunft des Wortes, aber was bedeutet es? Unterscheidung zwischen „gut“ und „schlecht“
Es hat noch immer etwas mit dieser Herkunft zu tun, es hat immer noch etwas mit den Sitten oder der Sitte zu tun – mit dem was richtig ist, was man tun sollte. All das ist schon in den Sitten enthalten. Aber es gibt einen ganz wesentlichen Unterschied. Sitten sind die Umgangsformen, die wir Menschen von Kindesbeinen an lernen. Ethik ist etwas ganz anderes. Man kann es auf eine kurze, knappe Formel bringen und sagen: Die Sitte reicht uns für den Alltag. Sie sagt uns, was richtig, falsch, gut, schlecht ist. Dazu brauchen wir normalerweise keine Ethik, also wenn Ihr Freund, Ihre Freundin, Ihr Kind oder Partner krank geworden ist, oder auch nur etwas braucht, dann denken sie sicherlich nicht lange darüber nach. Sie helfen einfach. Etwas, das ganz normal ist, gehört also zur Sitte. In der Sitte kennen wir – wie ich schon sagte – die Unterscheidung zwischen „gut“ und „schlecht“. Was ist nun dagegen die Ethik? In der Ethik steckt genau die gleiche Unterscheidung zwischen „gut“ und „schlecht“, „richtig“ und „falsch“. Aber im Unterschied zur Sitte fällt uns, wenn es um ein ethisches Problem geht, nicht sofort und auf Anhieb ein, was nun wirklich „gut“ ist. Nehmen wir noch einmal das Beispiel mit dem Freund oder Kind, dem es gerade schlecht geht. Da brauchen sie nicht nachzudenken, ob Sie helfen sollen, Sie tun es einfach. Wie ist es aber, wenn Sie es mit jemandem zu tun bekommen, den Sie noch nie gesehen haben, der fremd ist – vielleicht sogar „fremdländisch“ aussieht. Der vielleicht auf der Straße liegt und von dem sie ganz genau wissen: dieser Mensch braucht Hilfe. Werden sie ihm helfen? Das ist nicht ganz leicht zu entscheiden, sie müssen nachdenken. Sie müssen überlegen: Was habe ich eigentlich mit diesem Menschen zu tun? Natürlich braucht er Hilfe, aber braucht er gerade meine Hilfe? Muss ich mich um ihn kümmern? Trennung zwischen „Sitte“ und „Ethik“
Häufig ist diese Frage mit einem klaren „nein“ zu beantworten, nämlich genau dann, wenn andere ohnehin schon helfen. Aber das ist so eine Art „Trennlinie“ zwischen Sitte und Ethik. In der Sitte oder in dem, was sittlich „normal“ ist, wissen wir ohne nachzudenken was gut und schlecht ist. Wenn es um eine ethische Frage geht, müssen wir nachdenken. Sollen wir einem Fremden helfen? Das ist nicht so ohne weiters klar. Soll ich das? Kann ich das überhaupt? Bin ich nicht überfordert mit dieser Frage, oder mit der Verpflichtung? Also, Sie sehen, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Sitte und Ethik sind miteinander verwoben. Aber die Ethik hat es mit einer Frage oder mit Fragen zu tun, die sich nicht leicht beantworten lassen. Seit der Antike gibt es diese Disziplin und seitdem gibt es natürlich auch den Zusammenhang mit den Sitten, die in einem Staat, in einer Gesellschaft herrschen. Ursprünglich in der griechischen Polis, in der Zeit in der zum Beispiel Platon und Aristoteles in Athen lebten, schrieben, nachdachten und lehrten. Beide hatten viele Schüler. Aristoteles war selbst Schüler von Platon. In dieser Zeit gab es eine Entwicklung, in der bereits erkennbar war, dass die Ethik eine Spezialdisziplin war, die nicht mit dem übereinstimmte, was die normalen Menschen auf dem Marktplatz unter „gut“ und „schlecht“ verstanden. Sokrates hat sich schon damals unbeliebt gemacht, indem er den Menschen – wir würden heute sagen – auf die Nerven ging, indem er sie fragte, „was bedeutet dies und jenes?“, oder „was würdet ihr denn da tun?“, „was ist denn gerecht und was ist richtig?“, oder „ist dieser oder jener mutig gewesen?“ und so fort. Man hat also damals schon angefangen diese so genannte „praktische Philosophie“, oder die „Philosophie der Praxis“, „Philosophie des Handelns“ zu entwickeln. Wir werden später noch sehen, was in jener Zeit an wichtigen Einsichten gewonnen wurde. Zurück zum Verhältnis Sitte-Ethik. In der Antike war dieses Verhältnis sehr eng. Denn was im ethischen Sinne als gut galt, sollte eigentlich auch sittlich vorbildhaft sein. Also, wenn jemand als Staatsmann, als Krieger besonders empfehlenswert war, war er sowohl im ethischen Sinne ein guter Mensch, ein gutes Beispiel ein guter Krieger, ein guter Feldherr, als auch im sittlichen Sinne. Man hat ihn also in beider Hinsicht für gut gehalten und er war in jeder Hinsicht ein Vorbild. Aber im Laufe der Jahrhunderte hat sich das Verhältnis zwischen Sitte und Ethik gelöst. Immer deutlicher trat hervor, dass die Ethik ihre spezielle Aufgabe nicht mehr in der Sprache, in dem Bewusstsein wahrnehmen konnte wie das üblicherweise bei Gesprächen auf dem Marktplatz oder unter Freunden möglich war. Es bildete sich eine spezielle Begrifflichkeit heraus. Die gab es allerdings auch schon in der Antike. Die normalen Menschen haben damals nicht so ohne weiteres zum Beispiel von Tugenden gesprochen. Aber sie wussten doch, was Tapferkeit oder Klugheit heißt. Wissen und Ethik
Die Begriffe, die dann in der Ethik die wesentliche Rolle spielten, lösten sich nach und nach aus dem alltäglichen Verständnis und Bewusstsein heraus. Sie nahmen immer mehr einen wissenschaftlichen Charakter an. Sie wurden immer mehr mit Wissen verbunden. Schon Platon hat die Ethik sehr eng mit dem Wissen verbunden. Aristoteles meinte sogar, dass für die Ethik ein ganz besonderes praktisches Wissen erforderlich sei. Auch diese großen „Köpfe“ der Ethik haben also schon sehr früh gewusst, dass Wissen und Ethik sehr eng miteinander zusammenhängen. Platon meinte sogar, dass man für die Ethik, um gut handeln zu können, sogar technisches Wissen, also Wissen, das zum Beispiel auch ein Handwerker einsetzt. Die Moderne hat diese Auseinanderentwicklung von Sitte und Ethik sehr stark forciert, weil mit der Moderne, also nach dem 15./16. Jahrhundert, vor allem aber im 18. Jahrhundert Staaten, Staatswesen entstanden, die immer mehr ethische Probleme nicht nur hatten, sondern auch erzeugten. Ethische Probleme, die deswegen Probleme waren, weil in dieser Zeit das entstand, was wir heute Individualismus nennen. Also Rechtsansprüche von einzelnen Personen, nicht mehr nur einfach von Gruppen – Priestern, Politikern, Adligen – sondern von einzelnen Menschen. In diesen Gesellschaften entstand ganz sprunghaft und rasch ein Interesse an Ethik und mit dieser Entwicklung löste sich das Vokabular und auch das Problemverständnis der Ethik immer mehr von der Sitte ab. Freiheit und Gleichheit
Die herrschenden Sitten waren im, nehmen wir einmal das 18. Jahrhundert, noch immer von der sogenannten „Feudalgesellschaft“ geprägt. Sie war eine „Schichtengesellschaft“, in der die Adligen deutlich überlegen waren gegenüber den nicht Adligen. Es gab in Europa zwar keine Sklaven mehr, aber es gab „Leibeigenschaft“, also den Bauerstand, der eigentlich nicht wirklich frei war. Es war sogar so, dass der Bauernstand in dieser Zeit unfreier war, als im 11. Jahrhundert. Warum das so war, muss uns jetzt nicht interessieren, aber es ist ein interessantes Faktum. In dieser Zeit entstand das Bewusstsein der „Freiheit“. Dieses Bewusstsein ist ein typisches ethisches Bewusstsein. Ein Bewusstsein, ohne das die Ethik im modernen Sinne gar nicht denkbar ist. Es entstanden auch andere interessante, wichtige Ideen, die der Ethik ihre Gestalt gaben. Nämlich die Gleichheitsidee, das...