Voltaire / Verlag | Die Prinzessin von Babylon | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 95 Seiten

Voltaire / Verlag Die Prinzessin von Babylon


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8423-3712-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 95 Seiten

ISBN: 978-3-8423-3712-1
Verlag: BoD - Books on Demand
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Wer mit Voltaire nach Babylon reist, der gerät nicht nur in eine Welt des Orientalismus und Exotismus. Er begegnet beim Lesen zugleich dem zeitgenössischen Europa von England bis zum Papst in Rom. Und in leicht durchschaubarer, lockerer Verkleidung ist eine bis heute aktuelle Reisebegleiterin allgegenwärtig: die Frage nach dem Verhältnis der europäischen Kultur und Bildung zu ihren welthistorischen Nachbarn.

Voltaire (eigentlich François-Marie Arouet, 1694 - 1778) war ein französischer Philosoph und Schriftsteller. Er ist einer der meistgelesenen und einflussreichsten Autoren der französischen und europäischen Aufklärung. In Frankreich nennt man das 18. Jahrhundert auch 'das Jahrhundert Voltaires" (le siècle de Voltaire). Viele seiner Werke erlebten in rascher Folge mehrere Auflagen und wurden häufig auch umgehend in andere europäische Sprachen übersetzt. Voltaire verfügte über hervorragende Kenntnisse der englischen und der italienischen Sprache und veröffentlichte darin auch einige Texte. Er verbrachte einen beträchtlichen Teil seines Lebens ausserhalb Frankreichs und kannte die Niederlande, England, Deutschland und die Schweiz aus eigener Erfahrung. Mit seiner Kritik an den Missständen des Absolutismus und der Feudalherrschaft sowie am weltanschaulichen Monopol der katholischen Kirche war Voltaire ein Vordenker der Aufklärung und ein wichtiger Wegbereiter der Französischen Revolution. In der Darstellung und Verteidigung dessen, was er für richtig hielt, zeigte er ein umfangreiches Wissen und Einfühlungsvermögen in die Vorstellungen seiner zeitgenössischen Leser. Sein präziser und allgemein verständlicher Stil, sein oft sarkastischer Witz und seine Kunst der Ironie gelten oft als unübertroffen.

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Die Prinzessin von Babylon
Der alte Belus, König von Babylon, hielt sich für den bedeutendsten Mann der Welt, denn alle seine Höflinge sagten und seine Geschichtschreiber bewiesen es ihm. Was diese seine Lächerlichkeit immerhin entschuldigen konnte, war der Umstand, daß seine Vorgänger in der Tat dreißigtausend Jahre vor ihm Babylon erbaut hatten, und er es verschönerte. Es ist bekannt, daß sein Palast und sein Park sich einige persische Meilen vor Babylon zwischen dem Euphrat und dem Tigris ausdehnten, welche beiden Flüsse diese verzauberten Ufer bespülten. Sein mächtiges, dreitausend Schritte langes Haus ragte bis in die Wolken hinauf. Das flache Dach war von einem fünfzig Fuß hohen Marmorgeländer umgeben und trug die Riesenbildsäulen aller Könige und aller großen Männer des Reiches. Das Dach selber, welches aus zwei mit dicken Bleiplatten belegten Backsteinschichten bestand, war zwölf Fuß hoch mit Erde bedeckt, und in diese Erde hatte man Oliven-, Orangen-, Zitronen-, Palmen-, Gewürz-, Kokosnuß- und Zimtwälder gepflanzt, welche keinen Sonnenstrahl auf die schattigen Wege herabfallen ließen. Die durch Pumpen in hundert hohlen Säulen emporgehobenen Wasser des Euphrat füllten in diesen Gärten mächtige Marmorbecken und bildeten dann, durch andere Kanäle wieder herabfallend, unten im Park sechstausend Fuß lange Wasserfälle und hunderttausend Springbrunnen, deren Höhe sich kaum wahrnehmen ließ; darauf flössen sie zurück in den Euphrat, dem sie entstiegen waren. Die Gärten der Semiramis, welche um einige Jahrhunderte später Asien in Erstaunen versetzten, waren nur eine schwächliche Nachahmung dieser alten Wunder, denn zu Zeiten der Semiramis begann ein großer allgemeiner Niedergang sowohl unter den Männern wie unter den Weibern. Was in Babylon jedoch am wunderbarsten war, was alles übrige in Schatten stellte, das war die einzige, Formosante geheißene Tochter des Königs. Nach ihren Bildnissen und Statuen hat im Verlauf der Jahrhunderte Praxiteles seine Aphrodite und jenes andere Standbild gemeißelt, welches man die Venus mit den schönen Hinterbacken nannte. Oh Himmel, welch ein Unterschied aber zwischen dem Urbild und seinen Nachbildungen! So war Belus auf seine Tochter denn auch stolzer als auf sein Königreich. Sie zählte achtzehn Jahre, und ein Gatte tat ihr not, der ihrer würdig war. Wo aber ihn finden? Ein altes Orakel hatte bestimmt, Formosante dürfe nur demjenigen angehören, der Nimrods Bogen zu spannen vermöchte. Nimrod, der gewaltige Jäger vor dem Herrn, hatte einen sieben babylonische Fuß hohen Bogen aus einem Ebenholze hinterlassen, das härter war als das Eisen aus dem Berge Kaukasus, welches in den Schmieden von Derbent verarbeitet wird, und kein Sterblicher seit Nimrod hatte diesen wunderbaren Bogen zu spannen vermocht. Ferner war noch gesagt worden, daß der Arm, so diesen Bogen gespannt, auch den furchtbarsten und gefährlichsten Löwen töten sollte, der je im Zirkus von Babylon losgelassen. Das war noch nicht alles: der Bogenspanner und Löwentöter sollte auch alle seine Nebenbuhler zu Boden ringen, vor allem aber mußte er viel Verstand haben, der Herrlichste von allen Menschen und der Tugendhafteste sein, und das seltenste Ding besitzen, das es auf der ganzen Erde gab. Es traten drei Könige auf, welche um Formosanten zu streiten wagten: der Pharao Ägyptens, der Schah von Indien und der große Khan der Skythen. Belus bestimmte den Tag des Kampfes und als Ort die weite, von den vereinigten Wassern des Euphrat und Tigris begrenzte Ecke am äußersten Ende seines Parkes. Rings um den Kampfplatz errichtete man ein marmornes Amphitheater, das fünfhunderttausend Zuschauer fassen konnte. Dem Amphitheater gegenüber war der Thron des Königs, der, vom gesamten Hofe geleitet, mit Formosanten erscheinen wollte, und zur Rechten und Linken zwischen diesem Thron und dem Amphitheater waren noch andere Throne und Sitze für die drei Könige und alle anderen Herrscher aufgestellt, welche etwa Lust verspüren sollten, dieser erhabenen Zeremonie beizuwohnen. Als Erster kam der König von Ägypten auf dem Stier Apis an und hielt in der Hand das Sistrum der Isis. Zweitausend Priester, deren Linnengewänder weißer waren denn Schnee, zweitausend Eunuchen, zweitausend Magier und zweitausend Krieger folgten ihm. Bald darauf erschien der König der Indier in einem von zwölf Elefanten gezogenen Wagen. Sein Gefolge war noch zahlreicher und glänzender als das des Pharaos von Ägypten. Der König der Skythen kam als Letzter. Er hatte nur auserwählte, mit Bogen und Pfeilen bewaffnete Krieger um sich. Sein Reittier war ein prachtvoller Tiger, den er selber gezähmt, und der ebenso groß war, wie die schönsten persischen Pferde. Der majestätisch prangende Leib dieses Monarchen stellte die seiner Nebenbuhler in Schatten: seine nackten, so nervigen wie weißen Arme schienen den Bogen Nimrods schon zu spannen. Die drei Fürsten küßten zunächst vor Belus und Formosante den Boden. Der König von Ägypten brachte der Prinzessin die beiden schönsten Krokodile des Niles, zwei Flußpferde, zwei Zebras, zwei ägyptische Ratten und zwei Mumien mit den Büchern des großen Hermes dar, welche er für die größte Seltenheit hielt, die es auf der Erde gab. Der König Indiens machte ihr hundert Elefanten zum Geschenk, von denen ein jeder einen Turm aus vergoldetem Holze trug, und zu ihren Füßen legte er den von Xaca's eigener Hand geschriebenen Veda nieder. Der König der Skythen, der weder lesen noch schreiben konnte, schenkte hundert mit Schabracken und schwarzen Fuchsfellen bedeckte Schlachtrosse. Die Prinzessin senkte vor ihren Werbern die Augen und verneigte sich mit einer ebenso bescheidenen wie edlen Anmut. Belus ließ die Monarchen auf die für sie errichteten Throne führen. »Warum habe ich nicht drei Töchter,« sprach er zu ihnen, »dann würde ich heute sechs Menschen glücklich machen können.« Darauf ließ er losen, wer sich zuerst an Nimrods Bogen versuchen sollte. Man warf die Namen der drei Bewerber in einen goldenen Helm. Der des Königs von Ägypten sprang zuerst heraus, dann der des indischen Königs. Der König der Skythen maß den Bogen und seine Mitbewerber – und bedauerte nicht, der Dritte zu sein. Während man die glänzenden Proben vorbereitete, reichten zwanzigtausend Edelknaben und zwanzigtausend junge Mädchen zwischen den Sitzreihen den Zuschauern in höchster Ordnung Erfrischungen: jedermann war der Meinung, die Götter hätten die Könige nur eingesetzt, um alle Tage Feste zu geben, vorausgesetzt, daß sie abwechslungsreich seien, ferner, daß das Leben zu kurz sei, um auf andere Weise verbracht zu werden, daß die Prozesse und Kabalen, der Krieg und das Gezänk der Priester, welche alle das menschliche Leben aufzehren, törichte und schreckliche Dinge seien, daß der Mensch nur zur Freude geboren sei, daß er das Vergnügen nicht leidenschaftlich und dauernd lieben würde, wenn er dafür nicht geschaffen wäre, daß das Wesen der menschlichen Natur darin bestände, zu genießen, und daß alles übrige Narrheit sei. Diese fürtreffliche Moral ist immer nur durch die Tatsachen Lügen gestraft worden. Als die Proben, die über Formosantens Geschick entscheiden sollten, gerade ihren Anfang zu nehmen bereit waren, zeigte sich plötzlich ein junger, auf einem Einhorn reitender Unbekannter, von einem ebenso berittenen Diener begleitet, an der Schranke, und auf seiner Faust trug er einen großen Vogel. Die Wachen waren erstaunt, eine Gestalt, die den Eindruck einer Gottheit machte, in diesem Aufzuge zu sehen. Wie man später gesagt hat, trug sie das Antlitz des Adonis auf dem Leibe des Herkules. Mit Anmut gepaarte Majestät und die schwarzen Augenbrauen und langen blonden Haare, eine in Babylon unbekannte Verbindung von Schönheiten, versetzte die Versammlung in Entzücken; das ganze Amphitheater erhob sich, um den Fremden besser sehen zu können, alle Frauen des Hofes hefteten ihre erstaunten Blicke auf ihn, und selbst Formosante, die sonst stets die Augen senkte, erhob jetzt ihre Lider und errötete. Die drei Könige erbleichten: denn alle Zuschauer, die Formosanten mit dem Unbekannten verglichen, brachen in den Ruf aus: »Auf der ganzen Welt ist nur dieser junge Mann ebenso schön wie die Prinzessin.« Die verwunderten Palastdiener fragten ihn, ob er ein König sei. Der Fremde erwiderte, er sei dieser Ehre nicht teilhaftig, dagegen von sehr weit hergekommen aus Neugier, ob es wohl Könige geben möchte, die Formosantens würdig seien. Man führte ihn in die erste Reihe des Amphitheaters, ihn, seinen Diener, seine beiden Einhorne und seinen Vogel; er verneigte sich tief vor Belus, seiner Tochter, den drei Königen und der ganzen Versammlung, und dann nahm er errötend Platz; seine beiden Einhorne lagerten sich zu seinen Füßen, sein Vogel setzte sich ihm auf die Schulter, und sein Diener, der einen kleinen Sack trug, ließ sich an seiner Seite nieder. Die Proben begannen. Man nahm den Bogen Nimrods aus seiner Goldschachtel. Der Oberhofzeremonienmeister, dem fünfzig Edelknaben folgten und zwanzig Bläser voranschritten, reichte ihn dem Könige von Ägypten, der ihn durch seine Priester segnen ließ, und nachdem er ihn auch noch auf das Haupt des Ochsen Apis gelegt hatte, zweifelte er nicht mehr daran, diesen ersten Sieg davonzutragen. Hurtig begab er sich in die Mitte der Arena, machte zunächst einen Versuch, spannte dann alle seine Kräfte an und drehte und wand sich derart, daß das Theater in Lachen ausbrach und sogar Formosante lächeln mußte. Sein Oberpriester näherte sich ihm nun: »Eure Majestät mögen«, so sprach er zu ihm, »auf diese eitle Ehre, welche nur Muskeln und Sehnen erfordert, verzichten, in allem übrigen werdet Ihr triumphieren: Ihr werdet den Löwen besiegen, da Euch das...



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