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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 372 Seiten

Reihe: Irrlichter

Volmer Mutter

Irrlichter
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7583-8898-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Irrlichter

E-Book, Deutsch, Band 3, 372 Seiten

Reihe: Irrlichter

ISBN: 978-3-7583-8898-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Liebe Leserin, lieber Leser, in den ersten beiden Bänden wurdest Du mit der Herausforderung unterschiedlicher Perspektiven auf ein und denselben Gegenstand konfrontiert. Wer hat Recht, was ist wahr und gibt es überhaupt so etwas wie Wahrheit, die man aus dem, was man sieht, was man liest, extrahieren kann? Dir liegt nun der dritte und letzte Band der Irrlichter-Trilogie vor. Jetzt ist es an Dir, als vierte Hauptdarstellerin/vierter Hauptdarsteller, einen Weg durch das Dickicht dreier unterschiedlicher Geschichten zu finden und Du habst die wohl schwerste Aufgabe, denn Dir stehen nur die Erlebnisse und Aussagen der anderen drei Protagonisten zu Verfügung. Manche könnten diese Subjektivität bei der Suche nach Antworten als Fluch empfinden. Denn Fragen bleiben zwangsläufig offen, wenn mehrere Antworten gegeben werden. Ich habe es dagegen stets als Geschenk verstanden, weil Du nun die Gelegenheit bekommst, Fragen ohne Fragezeichen zu beantworten, auch wenn für mich die Antworten eindeutig sind. Und ich kann Dich beruhigen: es wurde noch nie ein Buch geschrieben, in dem alle Fragen geklärt und alles aus dem Text heraus umfassend beantwortet wurde. Aus dieser letzten schlichten Tatsache ergeben sich zwei Dinge: Ersten: Du als Subjekt bist der Architekt/die Architektin einer Welt, deren Grundstein ich gelegt habe. Fühle Dich frei, zu handeln und zu wirken. Und zweitens: Geschichten enden nie. Und nun, lieber Leser/liebe Leserin, lasse ich Dich allein. Michael Volmer

Michael Volmer lebt und arbeitet in Dortmund Mehr Informationen unter: michael-volmer-autor.com
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Ayten


Die Haustür schlug zu.

Ayten stand nun allein in der kalten Nacht, eine Pistole in der einen, eine Taschenlampe in der anderen Hand. Ohne sich noch einmal umzudrehen, schritt sie über den Gehsteig, zwischen zwei parkenden Autos hindurch und auf die Straße, die nun erfüllt war vom Dröhnen der sich nähernden Fahrzeuge. Die Scheinwerfer der Raptors erleuchteten den Asphalt und die Flanken der parkenden Autos; ihr Licht flog die Straße hinauf, streifte die Laternen und blieb dann ruckartig stehen, als es eine einzelne Person auf der Straße erfasste.

Aytens Blick glitt an den Wagen entlang. Sie zählte drei Fahrzeuge, genau wie es die Männer in der Audiodatei des unbekannten Hackers besprochen hatten. Das beruhigte sie.

Sie stand da, auf der Straße, und vor ihr brummten die Motoren der nun stehenden Wagen. Nichts geschah. Aufgrund des Scheinwerferlichts und der Dunkelheit konnte sie nicht sehen, wer oder wie viele Männer in oder auf den Wagen waren, doch sie wusste, dass mehr als eine Waffe auf sie gerichtet war. Das schreckte sie nicht ab, es war ein Teil des Spiels und das Warten in einer sich herabsenkenden, fast gespenstischen Bewegungslosigkeit ebenso. Ayten war darauf vorbereitet und blieb ruhig stehen, denn sie wusste um die Menschen, die ihr halfen und sich auf sie verließen. Jetzt, in diesem Moment. Also wartete sie einfach ab. Schließlich öffnete sich die Beifahrertür des zweiten Fahrzeugs und eine Gestalt verließ den Wagen. Ayten hörte das Klackern feiner Absätze auf dem Asphalt. Dann erschien eine Silhouette im Scheinwerferlicht und blieb in der Mitte der Strahler stehen. Es war ein Mann im Anzug, die linke Hand lässig in der Hosentasche.

Erneut wurde es still, die Silhouette bewegte sich nicht mehr, sie schien Ayten zu taxieren und zu beobachten. Doch sie blieb weiterhin ruhig stehen und wartete, während sich ihre Blicke dorthin richteten, wo die Augen der Gestalt vor ihr sein mussten. Dann sprach die Silhouette. Ayten hatte geahnt, wer da vor ihr stand, nein, eigentlich war es klar. Und doch zuckte sie zwar nicht zusammen, aber für einen kurzen Moment blinzelte sie. Es war die Stimme des Mannes, der Orhan verhört hatte.

„Ah, die Schwester des Schwagers.“

Aytens Stimme war so kalt wie die Nachtluft, sie blieb ruhig und zitterte nicht, doch als sie die Stimme des Mannes direkt vor sich gehört hatte, hatte sie plötzlich die Waffe in ihrer Hand gespürt.

Nein, nicht jetzt.

„Könnten Sie bitte die Scheinwerfer ausmachen? Sie blenden mich.“

„Natürlich.“ Die Scheinwerfer gingen fast augenblicklich aus, nur noch eine Art Standlicht brannte. Es war dunkel, doch hell genug, um den Mann nun deutlich erkennen zu können. Er sah genauso aus, wie in dem Video. Der gleiche Anzug, die gleiche, glatte Haut, die gleiche Frisur. Und die gleichen starren Augen in einem grinsenden Gesicht. Hinter ihm sah Ayten nun die Männer auf den Trucks. Sie trugen Kampfanzüge, Tücher vor den Gesichtern und sie alle hatten Gewehre vor sich.

„Weshalb stehen Sie auf der Straße mit einer Waffe in der Hand? Wollen Sie gestehen? Uns provozieren? Oder angreifen?“

„Ich alleine? Mit einer Pistole? Was glauben Sie, wen Sie vor sich haben? Nein, ich möchte mit Ihnen verhandeln.“

„Eine Waffe in der Hand ist nicht gerade eine gute Voraussetzung für Verhandlungen, finden Sie nicht?“ Der Mann lächelte mit einem Mal noch mehr, während seine Augen fast vollständig erstarrten. Man könnte vor ihm Angst haben, wenn man ein schwacher Geist war. So, wie sie früher, doch jetzt nahm sie die gewollte Wirkung wahr, die einfach an ihr verpuffte.

„Drei Wagen voller bewaffneter Männer ebenso wenig.“

„Bin ich denn gekommen, um zu verhandeln? Das ist mir neu.“

„Warum sind Sie ausgestiegen? Ja, der Gedanke liegt nah, dass Sie eine Verhandlung zumindest erwartet haben.“

„Das stimmt. Und jetzt stehen wir hier. Eine Pistole und drei Wagen voller Gewehre. Warum sollte ich mit Ihnen verhandeln? Sie sind eine Verbrecherin. Die Waffe in Ihrer Hand beweist es. Was hindert uns daran, Sie zu verhaften und uns dann zu nehmen, weswegen wir gekommen sind?“ Er legte den Kopf schief und wartete einen Moment. „Sie werden es mir sicher zeigen, nicht wahr?“

„Ja.“ Ayten hob ihre Taschenlampe und schaltete sie an. Der Lichtkegel glitt über die Häuserwände und in jedem der kurz angestrahlten Fenster saß oder stand mindestens eine Person, jede hatte ihr Gesicht verhüllt mit Masken, Tüchern oder Schals und jede hatte eine Waffe in der Hand, die auf die Männer in den Trucks gerichtet war. Ayten schaltete die Taschenlampe wieder aus. Sie schaute dem Mann direkt ins Gesicht und beobachtete ihn aufmerksam. Es veränderte sich um keinen Millimeter.

Doch auf den Ladeflächen der Trucks kam Bewegung. Die Männer hoben ihre Gewehre, die Läufe zuckten hierhin und dorthin, Köpfe drehten sich.

„Sagen Sie ihren Männern, bitte, sie sollen in den Trucks bleiben. Es wird auf jeden von ihnen geschossen, der sein Fahrzeug verlässt.“

„Mit Ausnahme von mir. Und ich habe genug gesehen. Ich werde jetzt wieder in meinen Wagen steigen und wir werden fahren. Unter diesen Bedingungen ist eine Verhandlung nicht möglich.“ Er drehte sich um.

„Doch.“ Aytens Stimme war laut und so eindringlich, dass der Mann tatsächlich stehen blieb. Sie sprach weiter, ihre Stimme wurde leiser, doch die Stärke blieb. „Und das wissen Sie genau. Denken Sie, ich gehe unvorbereitet und ohne Schutz in diese Verhandlung? Jetzt kommen Sie bitte zurück und sprechen Sie mit mir. Lassen wir die psychologischen Spielereien.“

Der Mann drehte sich um und kam wieder zurück. Sein Lächeln war schwächer geworden. „Gut. Sie wollen reden. Jetzt bin ich deswegen hier. Also reden wir.“

„Haben Sie die Waffen gesehen, die die Menschen in den Fenstern tragen? Orhan hatte Recht, obwohl er nichts davon wusste. Wir haben sie genommen und es sind vor allem die von Ihnen gesuchten Waffen, die Sie jetzt daran hindern, mich zu verhaften. Und wir werden sie nicht abgeben, denn wir benötigen sie, um uns zu verteidigen. Wir haben mit dieser Nacht, als den Soldaten der Hintern versohlt wurde, nichts zu tun.“

„Das weiß ich.“

Ayten war nicht überrascht. Nicht mehr. „Ich kann Sie gut verstehen. Sie wissen nicht, wer der Angreifer war und um ihn in Ruhe suchen zu können, stellen Sie die Öffentlichkeit ruhig, indem Sie ihr etwas geben.“ Sie schaute den Mann an. Er musste nichts sagen, sie wusste, dass sie Recht hatte. Und er wusste es auch. „Das heißt, Orhan kommt bald wieder frei?“

„Einbruch, Diebstahl und Handel mit illegalen Waffen. Ich glaube nicht.“

„Ich habe es befürchtet und ich werde Sie nicht daran hindern können, denn er ist sicher nicht mehr in Ihrem Zuständigkeitsbereich und deshalb außerhalb jeder Verhandlungsbasis. Aber reden wir über uns. Wir werden die Waffen behalten und ich möchte Sie bitten, das zu akzeptieren.“

Zum ersten Mal war der Mann sichtlich überrascht. Offensichtlich hatte er mit dieser Wendung nicht gerechnet. „Warum sollte ich das akzeptieren? Warum sollte ich Ihnen die Möglichkeit eröffnen, sich selbst als Machtfaktor in diesem Teil der Stadt zu etablieren?“ Er machte eine Pause. „Das ist unlogisch.“

Ayten ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Hätte er sofort zugestimmt, wäre sie es gewesen, die ihre Verblüffung nicht hätte verbergen können. „Wie geht es mit der Verbrechensbekämpfung in der Stadt voran? Sind Sie zufrieden?“

„Zufrieden darf man nie sein und ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das beantworte. Aber betrachtet man die Umstände, unter denen wir operieren müssen, dann würde ich sagen: ja.“

Ayten lächelte. „Wir tun jetzt einfach mal so, als hätten Sie nicht so plump gelogen und dann vergessen wir, was Sie gerade gesagt haben.

Hier ist das, was wir wollen:

Ich garantieren Ihnen einen Bereich in der Stadt, um den Sie sich nicht mehr kümmern müssen, der friedlich ist, geordnet und gesetzestreu und in dem Verbrecher und Gesetzbrecher genauso verfolgt und ausgeliefert werden, wie anderswo. Je kleiner das Gebiet ist, in dem Sie auf Verbrecherjagd gehen müssen, desto mehr Zeit haben Sie, sich um das zu kümmern, wofür Sie eigentlich gekommen sind.

Das heißt, Sie lassen uns in Ruhe, Sie setzen keinen Fuß mehr in diese Straße und wir garantieren Ihnen die ruhigste und friedlichste Straße in der ganzen Stadt.“

„Und wenn ich ablehne und es zu einem Kampf kommt?“

„Dann werden wir uns wehren und Sie sehen ja gerade, wie sehr wir das können. Es wird Krieg geben mit vielen Toten auf unserer Seite aber auch auf Ihrer. Unsere Verbindungen reichen sehr weit in diesem Teil der Stadt und wenn Sie ablehnen, werden wir den Kampf aus der Straße hinaustragen. Sollten Sie heute einen Krieg beginnen, werden Sie keinen sicheren Fuß mehr in die Nordstadt setzen können. Heckenschützen,...



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