Volgger | Vom Schafott zum Altar | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1e, 172 Seiten

Reihe: Jägerstätter Studien

Volgger Vom Schafott zum Altar

Bestattung und Translatio des Märtyrers Franz Jägerstätter
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7065-6080-1
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Bestattung und Translatio des Märtyrers Franz Jägerstätter

E-Book, Deutsch, Band 1e, 172 Seiten

Reihe: Jägerstätter Studien

ISBN: 978-3-7065-6080-1
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses Buch beleuchtet die Geschichte und Verehrung der sterblichen Überreste Franz Jägerstätters. Es zeichnet den Weg nach von der Erstbestattung in Brandenburg 1943 über die zweite Bestattung an der Kirchenmauer in St. Radegund 1946 bis zur Einbringung der Reliquien in den neuen Altar der Pfarrkirche im Jahr 2016. Die Studie schildert zudem das Bemühen einiger Persönlichkeiten, die dazu beigetragen haben, dass die Bedeutung des Lebenszeugnisses von Franz Jägerstätter nicht verlorenging. Schließlich wird auch die Pfarrkirche von St. Radegund beschrieben, die den Raum für die Entscheidung des Seligen gegen das totalitäre NS-Regime und den ungerechten Krieg darstellt.

Volgger Vom Schafott zum Altar jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Einleitung
1. Religiöse und politische Bedeutungen des Erinnerns
Orte der Erinnerung haben eine besondere Aufgabe und Wirkung. Der neugeschaffene Altar der Pfarrkirche von St. Radegund ist ein solcher Ort. Unterhalb der Altarplatte, in die Mitte des Altaraufbaus, wurde ein kreuzförmiger Glaskörper eingebettet, der die Reliquien (Brandleichenreste) des seligen Märtyrers Franz Jägerstätter birgt und seinen Märtyrertod gegenwärtig hält.2 Am 9. August 1943 wurde Franz Jägerstätter am Schafott in Brandenburg an der Havel hingerichtet; am 11. August wurde seine Leiche verbrannt. Das Todesurteil gegen Franz Jägerstätter am 6. Juli 1943 durch das Militärgericht des NS-Regimes brachte „den Verlust der Wehrwürdigkeit und der bürgerlichen Ehrenrechte“ mit sich.3 Eine Widerstandspersönlichkeit, die sich wie nicht wenige aus Gewissensgründen und religiöser Überzeugung gegen das menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus aussprach, sollte vernichtet und die Erinnerung an sie ausgelöscht werden. Der Totalitarismus der NS-Ideologie duldete keine Infragestellung und Opposition. Selbst über den Tod hinaus sollte die anonyme Bestattung der Hingerichteten die Erinnerung unterbinden. Die Anonymbestattung verunmöglichte auch die Grabkultur als eine mögliche Form der Erinnerung. Die Haltung Jägerstätters, seine Wirkung auf Menschen um ihn herum, nicht zuletzt im Gefängnis, bewirkte aber das Gegenteil. Totalitäres Denken, wie es auch vom NS-Regime unter Hitler in unüberbietbarer Weise praktiziert worden war, anerkennt in seiner Radikalität die Individualität und Würde eines Menschen nicht, nicht einmal jene der selbst totalitären Akteur/innen, es negiert die Menschenrechte, es vernichtet die Tatsache der Existenz eines Menschen. Das Leben eines Menschen ist vollkommen überflüssig, weil es jederzeit ersetzt werden kann. Das unterscheidet es vom Mörder.4 Die Verfolgungen, Verurteilungen, Hinrichtungen und die Konzentrationslager des NS-Regimes dienten in ihrer Radikalität dazu, „Menschen so zu behandeln, als ob es sie nie gegeben hätte, sie im wörtlichsten Sinne verschwinden zu lassen“.5 Dieses Ziel verfolgten die Nationalsozialisten konsequent, wenn sich Menschen, aufgrund welcher Überzeugung auch immer, ihrem System und dessen Absichten entgegenstellten oder dessen Grundlagen hinterfragten. Auch die Hinrichtung Jägerstätters entsprach dieser Absicht. Hannah Arendt hat umfassend reflektiert, wie totalitäre Regime agieren. Sie erläutert dabei drei Tode, die konsequent aufeinander folgen. Die Vernichtung der juristischen Persönlichkeit durch Hinrichtung oder Konzentrationslagerhaft, in der der Tod sicher folgt, ist ein erstes Ziel der totalitären Verfolgung.6 Ein nächster entscheidender Schritt ist die Ermordung der moralischen Person, wodurch Märtyrertum unmöglich gemacht wird und Trauer und Erinnerung unmittelbar verhindert werden. Sterben für etwas sollte seinen Sinn verlieren.7 Und schließlich beabsichtigt das totalitäre Regime auch die Tötung der Spontaneität, damit meint Arendt die Fähigkeit des Menschen, von sich aus etwas Neues zu beginnen, eine Facette der Individualität.8 Auch die Gewissensentscheidung, „besser als Opfer zu sterben, denn als Beamter des Sterbens zu leben“, sollte ihrer Sinnhaftigkeit beraubt werden, indem Anhänger/innen des NS-Regimes „die Entscheidung des Gewissens selbst absolut fragwürdig und zweideutig machten“.9 „Das einzige, was nach der Tötung der moralischen Person noch übrigbleibt, um zu verhindern, dass Menschen lebende Leichname sind, ist die Tatsache der individuellen Differenziertheit, der eigentümlichen Identität.“10 Noch unmittelbar vor seiner Hinrichtung bemerkt Jägerstätter: „… immer noch besser, als wenn der Wille gefesselt wäre“11, und bestätigt damit, dass „dieser Bestandteil der menschlichen Person, gerade weil er so wesentlich von Natur und willensmäßig unkontrollierbaren Mächten abhängt, am schwersten zu zerstören ist“.12 Jägerstätter, der sich mit entschiedener Gewissensüberzeugung und mit von Gott begnadeter Kraft, wie er selbst bestätigt, gegen alle Formen der Lüge wandte, machte deutlich, dass der Glaube eine Instanz ist, die Wert und Würde der Person hochhält und zu verantwortungsvollem Handeln anhält, welche Würde und Individualität des Menschen nicht zu verletzen beabsichtigt. Franz Jägerstätter begründete seine Haltung dem NS-Regime gegenüber mit seinem Glauben. „Hätte mir Gott nicht die Gnade und Kraft verliehen …“13, merkt er in einem seiner letzten Schreiben an, um deutlich zu machen, dass er diesen Weg des Widerstandes und der Verweigerung nicht einfach von sich aus gesucht hatte. Erst die in der Gottesbeziehung geschenkte Erkenntnis und Kraft ermöglichte ihm den inneren und äußeren Widerstand. Im Todesurteil des Reichskriegsgerichtes wird Jägerstätters Haltung und Aussage damit begründet, dass er gegen sein religiöses Gewissen handeln würde, wenn er für den nationalsozialistischen Staat kämpfen würde. […] Er erklärte sich jedoch bereit, als Sanitätssoldat aus christlicher Nächstenliebe Dienst zu tun. In der Hauptverhandlung wiederholte er seine Erklärungen und fügte hinzu: Er sei erst im Laufe des letzten Jahres zu der Überzeugung gelangt, dass er als gläubiger Katholik keinen Wehrdienst leisten dürfe; er könne nicht gleichzeitig Nationalsozialist und Katholik sein; das sei unmöglich. Wenn er den früheren Einberufungsbefehlen Folge geleistet habe, so habe er es getan, weil er es damals für Sünde angesehen habe, den Befehlen des Staates nicht zu gehorchen; jetzt habe Gott ihm den Gedanken gegeben, dass es keine Sünde sei, den Dienst mit der Waffe zu verweigern; es gebe Dinge, wo man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen; auf Grund des Gebotes „Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst“ dürfe er nicht mit der Waffe kämpfen. Er sei jedoch bereit, als Sanitätssoldat Dienst zu leisten.14 Der Wehrpflicht nicht nachzukommen und nicht mit der Waffe kämpfen zu wollen, wurde als Zersetzung der Wehrkraft beurteilt. Demzufolge wurde Franz Jägerstätter am 6. Juli 1943 zum Tode verurteilt. Über 50 Jahre später, am 7. Mai 1997 wurde das Feldurteil des Reichskriegsgerichts gegen Franz Jägerstätter auf Antrag seiner Töchter Rosalia Sigl, Maria Dammer und Aloisia Maier aufgehoben. Der Grund lag darin, dass dieses aus religiösen Gründen ergangen ist und lediglich dazu diente, das nationalsozialistische Regime zu unterstützen und aufrechtzuerhalten. Das Landgericht Berlin hält fest, dass „die Entscheidung, aus Gewissensgründen keinen Wehrdienst mit der Waffe zu leisten, zu respektieren ist“.15 Damit sollte das nationalsozialistische Unrecht wiedergutgemacht werden, denn das Todesurteil ist in den Augen der Nachfolgegesellschaft Unrecht und eine rechtswidrige vorsätzliche Tötung, nach österreichischem Recht Mord (vgl. § 75 StGB).16 Damit wird deutlich und bestätigt, dass die Haltung Jägerstätters richtig und konsequent war. Jägerstätter hatte erkannt, dass die „neue Religion“, wie sie von Adolf Hitler bereits in seiner ersten Rede als Reichskanzler 1933 proklamiert worden war, den katholischen Glauben an Gott nicht respektierte. Deutlich gilt es anzumerken, dass alle Soldaten, die in diesem ungerechten Krieg gefallen sind und ihr Leben auf das Spiel gesetzt haben, aber auch alle weiteren zwangsweise zum Soldaten- und Staatsdienst Einberufenen dem menschenverachtenden Machthunger und Größenwahn sowie dem verbrecherischen Krieg und der Vernichtungsmaschinerie zur Verfügung stehen mussten. Franz Jägerstätter, Bauer und Mesner aus St. Radegund, hatte dafür eine klare Sichtweise und entschied sich, gegen den Strom zu schwimmen. Er setzte damit ein prophetisches Zeichen. Eine Nachfolgegesellschaft gestaltet für Opfer totalitärer Systeme kulturelle und politische Erinnerungsmomente, die vom Denk- bzw. Mahnmal über künstlerisch-kulturelle oder wissenschaftliche Veranstaltungen bzw. philosophisch-ethische Reflexionen bis hin zu politischen Mahnereignissen reichen. Alle Initiativen insgesamt können unter dem Begriff Erinnerungskultur bzw. -arbeit zusammengefasst werden. Abb. 2: „Einsame Entscheidung“, Bild 5 aus dem Jägerstätter-Zyklus von Ernst Degasperi Der in Meran/Südtirol geborene und in Wien beheimatete Künstler Ernst Degasperi charakterisierte die NS-Ideologie und Vernichtungsmaschinerie als die „Pervertierung der Gewalt zur Moral“.17 Demgegenüber hat Jägerstätter durch seine moralische Haltung deutlich gemacht, dass die menschen- und glaubensfeindliche Gewalt der Nazis nicht zu rechtfertigen ist, und hat sich der Pervertierung entgegengestellt. Degasperi verstand sein künstlerisches Schaffen als Friedensarbeit. Sein Jägerstätter-Zyklus bringt die Haltung Jägerstätters gegen den Strom seiner Zeit in bewegender Weise zum Ausdruck. Abb. 3: „Gegen den Strom“, Bild 6 aus dem Jägerstätter-Zyklus von Ernst Degasperi Der Papst, die höchste Autorität der Kirche, sprach Franz Jägerstätter 2007 selig, womit er einen bleibenden Platz im Martyrologium der katholischen Kirche hat. Seine Lebenshingabe wird mit einer neuen Wertigkeit versehen, die von Menschlichkeit und Gottesbezug geprägt ist. Die Kirche pflegt den Brauch, Märtyrer/innen unter einem Altar zu bestatten, so wie ursprünglich über den Gräbern von Märtyrer/innen Kirchen und Altäre erbaut wurden. Das ist eine besondere Form der Erinnerungskultur. Jägerstätters Bestattung unter dem Altar, die ihm als Märtyrer zukommt, stiftet ein bleibendes...


Ewald Volgger OT, Dr. theol., geboren 1961 in Bruneck/Südtirol, ist Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Katholischen Privat-Universität Linz und der PTH Brixen. Seit der verantwortlichen Einbindung zur Vorbereitung der feierlichen Seligsprechung von Franz Jägerstätter beschäftigt sich der Autor insbesondere mit liturgischen Fragen der Jägerstätter-Verehrung. Er war an der Neugestaltung der Pfarrkirche in St. Radegund zur Einbringung der Reliquien in den neuen Altar beteiligt und betreute die wissenschaftliche Authentifizierung von Urne und Reliquien des Seligen. Er ist Mitglied des Jägerstätter-Beirates der Diözese Linz und betrieb die Gründung des Jägerstätter-Institutes.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.