Volgger | Mit Südtirol am Scheideweg | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 328 Seiten

Volgger Mit Südtirol am Scheideweg

Erinnerungen des KZ-Häftlings, Journalisten und Politikers
1. Auflage 2014
ISBN: 978-88-7283-515-9
Verlag: Edition Raetia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Erinnerungen des KZ-Häftlings, Journalisten und Politikers

E-Book, Deutsch, 328 Seiten

ISBN: 978-88-7283-515-9
Verlag: Edition Raetia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Friedl Volgger (1914-1997) stand als Politiker und Journalist fast ein halbes Jahrhundert an vorderster Front im Kampf um Südtirol. In seinen Memoiren schildert er u. a. die tragische Zerrissenheit der Südtiroler Bevölkerung in den Jahren der Option, als es galt, sich im Kreuzfeuer massiver Drohungen und raffinierter Propaganda für ein Verbleiben im faschistischen Italien oder eine Aussiedlung ins nationalsozialistische Deutschland zu entscheiden, seine Haft in Dachau, das vergebliche Bemühen um einen Wiederanschluss an Österreich nach 1945 und das Ringen um eine Autonomie.

"Mit Südtirol am Scheideweg", 1984 erstmals erschienen, stieß auf große Resonanz, erlebte mehrere Auflagen und auch eine Übersetzung ins Italienische. Seit Jahren vergriffen, wird es anlässlich des 100. Geburtstages von Friedl Volgger am 4. September 2014 neu aufgelegt, ergänzt mit seinen Briefen aus Dachau und Beiträgen seiner drei Kinder sowie von Journalisten und Historikern.

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Weitere Infos & Material


Der Volgger Friedl
Es sei, wie es wolle, es war doch so schön!
"Kehren Sie nach Südtirol zurück!"
Das große Trauerspiel beginnt
Ein polizeibekanntes Gesicht
Warum der VKS die Fahne strich
"Am Erker blühet wie immer …"
Das Verbrechen verhindern
Der Szenenwechsel kam über Nacht
In den Fängen von Gestapo und SS
Nr. 66166 in Hitlers Todesmühle
Heimkehr über die Berge
Die ersten Schritte der Volkspartei
"Herr, mach uns frei!"
Das Entweder-Oder in Paris
Auf dem römischen Parkett
Von der Bozner Redaktionsstube zum Wiener Ballhausplatz
Ein schwerer Fehlgriff der Justiz
Die "Palastrevolte" in der SVP und der Tag von Sigmundskron
Ins Blickfeld der Welt gerückt
Die "Feuernacht" und ihre Folgen
An allen Fronten der Paketschlacht
Das Beste in meinem Leben
Hoffnungsvoll in die Zukunft
Anhang
Die Briefe aus Dachau
Politiker und Zeitzeuge zwischen Staatsräson
und Einmischung
Vicino alle persone / Nah am Menschen
So wie er halt war, der Friedl
Zeittafel zum Leben und Wirken von Friedl Volgger
Bildnachweis
Zum Autor


Das große Trauerspiel beginnt
Der Deutsche Verband, der Völkische Kampfring
Südtirols und ihre Haltung zur Option •
Propagandaschlager und Drohungen Kanonikus Gamper schien trotz der Hiobsbotschaft über das Umsiedlungsabkommen guten Mutes. Er schilderte mir die Reaktion auf den Schandvertrag von Berlin: Er löse bei jedermann in Südtirol grenzenlose Verbitterung und einhellige Ablehnung aus. Die Politik der unterdrückten Tiroler Minderheit in Italien wurde damals von zwei Organisationen getragen und bestimmt: dem Deutschen Verband und dem Völkischen Kampfring Südtirols (VKS). Im Deutschen Verband hatten sich nach dem Anschluss an Italien die christlichsoziale Partei und die Liberalen zusammengeschlossen. Natürlich wurde er von den Faschisten aufgelöst. Seine führenden Männer hielten aber trotzdem immer enge Verbindung zueinander. Als das geistige Haupt wurde Kanonikus Michael Gamper anerkannt. Ihm zur Seite standen unter anderen die letzten frei gewählten Abgeordneten Dr. Karl Tinzl und Baron Paul von Sternbach, die beiden Brüder Erich und Walther Amonn sowie der ehemalige Abgeordnete des Tiroler Landtages Josef Menz-Popp. Als besonderes Verdienst des Verbandes muss die Schaffung der deutschen Geheimschulen, des „Katakombenunterrichts“, genannt werden. Die Faschisten hatten in Südtirol den Unterricht in der deutschen Sprache verboten und unter Strafe gestellt. Kanonikus Gamper zog daraufhin mit Hilfe mutiger Lehrkräfte über das ganze Land ein dichtes Netz von Geheimschulen auf, in denen der Jugend mindestens die Grundbegriffe ihrer Muttersprache beigebracht werden konnten. Der VKS war unter der Bezeichnung „Südtiroler Heimatfront“ am 18. Juni 1933 auf der Haselburg bei Bozen gegründet worden. Die Gründer waren Robert Helm jun., Norbert Mumelter, Kurt Heinricher, Rolf Hillebrand und Wilhelm Eppacher aus Brixen. Eppacher hatte uns als Brixner Theologen für den Kampfring geworben. Erster Landesführer war Rolf Hillebrand. Er wurde noch 1933 ausgewiesen, zog nach Berlin und erhielt 1936 die Vollmacht, die Belange des Kampfringes bei allen amtlichen Stellen des Reiches zu vertreten. Er bekleidete eine führende Stellung im Amt des Reichsjugendführers. Hillebrand fiel 1943 einem Bombenangriff in Berlin zum Opfer. Wilhelm Eppacher leitete 1931 bis 1938 die Athesia Buchhandlung in Brixen und wurde 1938 wegen illegaler Betätigung für 20 Monate auf die Insel Tremiti verbannt. Robert Helm war in Brixen als Arzt tätig, rückte zur Wehrmacht ein und fiel 1945 in der Tschechoslowakei. 1934 stießen Karl Nicolussi-Leck und Michl Tutzer zum VKS und rückten dort bald in führende Ränge auf. 1935 übernahm der Bozner Schneidermeister Peter Hofer, der aus dem Katholischen Jugendbund kam, die Führung des VKS. Bei unseren ersten Unterredungen freute sich Gamper sehr darüber, dass zwischen dem Deutschen Verband und dem VKS völlige Übereinstimmung über das Vorgehen erzielt worden war: Wir optieren überhaupt nicht. Wir tun gar nichts. Wir bleiben, wo wir sind, bis sie uns holen. VKS-Führer Peter Hofer, ein großer Idealist, hatte am Ende einer Aussprache zwischen Vertretern beider Organisationen den Spruch getan: „Bevor wir umsiedeln, schicken wir unsere Kinder zur Balilla [Faschistische Jugendorganisation], ziehen wir das schwarze Faschistenhemd an und lassen alle Namen verwelschen!“ Die beiden Diktatoren mussten sich also auf schärfsten Widerstand gegen den verbrecherischen Aussiedlungsplan gefasst machen. Über die Berliner Vereinbarungen wusste man allerdings keine Einzelheiten. Die erste gemeinsame Sitzung zwischen dem Deutschen Verband und VKS hatte am 28. Juni stattgefunden. Am 6. Juli wurde der damals gefasste Beschluss erneuert. Etwa 14 Tage später ließ mich Kanonikus Gamper rufen. Diesmal fand ich ihn sehr erregt. Das war auch verständlich. Er hatte erfahren, dass die Leitung des VKS bei einer Sitzung am 22. Juli in einem Keller in Bozen-Dorf mehrheitlich beschlossen hatte, die Umsiedlung zu unterstützen. Für diese Wendung um 180 Grad innerhalb von drei Wochen seien besonders Rechtsanwalt Dr. Robert Helm, der so etwas wie ein außenpolitischer Berater des Kampfringes war, und sein Sohn Robert eingetreten. Vater Helm, ereiferte sich Gamper, sei auch kein richtiger Tiroler, sondern erst aus Triest zugereist. Während er mir berichtete, schritt er unaufhörlich auf und ab. Schließlich fasste er sich. Er setze seine Hoffnung auf Peter Hofer. Man habe ihn wohl nur überrumpelt. Wenn es zum Ernst komme, werde er zu seinem Ausspruch stehen. Aber wir mussten doch mit allen Möglichkeiten rechnen. Die gemeinsame harte Front war auf alle Fälle aufgerissen. Die faschistischen Größen in der Provinz hatten in ihren Plänen härtesten Widerstand des Volkes gegen die Umsiedlung einkalkuliert. So verloren sie keine Zeit, um die Tiroler weichzuschlagen. Der verhasste Präfekt, Giuseppe Mastromattei, fuchtelte mit Listen von Leuten herum, die auf alle Fälle verschwinden müssten; sie hätten nur die Wahl zwischen Sizilien und Deutschland. Die faschistischen Dorfgewaltigen in den Tälern luden maßgebende Bürger vor und bedeuteten ihnen ohne viel Umschweife, sie sollten sich ehestens über den Brenner absetzen, sonst blühe ihnen Sizilien. Gamper wurden laufend solche Einschüchterungen, solche Drohungen bekannt. Die allermeisten ließen sich aber nicht kleinkriegen. Ihr Zorn und ihre Entschlossenheit, unter keinen Umständen zu weichen, steigerten sich nur. So sagte Ignaz Kröss, nach dem Weltkrieg langjähriger Bürgermeister von Vöran oberhalb Meran, zum podestà, dem faschistischen Amtsbürgermeister, der ihn zum Verschwinden aufforderte, ganz ruhig: „Ja, ja, wir gehen ja schon, aber wir gehen nur als Tote.“ Und so wie Kröss dachten die meisten: Sie müssen uns vor der Haustür erschießen, lebend gehen wir nicht von Haus und Hof. Die Menschen verbissen sich geradezu in den eigenen Boden. Von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt vollzog sich hinter den Kulissen der große Stimmungsumschwung. Die VKS-Führung vergatterte ihre Mannschaft. Mit ganz wenigen Ausnahmen wurden alle auf Vordermann gebracht. Im September besuchte mich Johann Lanthaler aus Ratschings bei Sterzing, eines der ältesten Mitglieder des VKS und gleichzeitig einer meiner treuesten Gesinnungsgenossen. Er berichtete mir, der Sterzinger Kreisleiter, der Tischler Franz Kiebacher, habe ihn gebeten, alle einflussreichen Männer des Tales zu einer Besprechung etwas abseits vom Dorf zusammenzurufen. Die Versammlung habe stattgefunden. Kiebacher habe über das Berliner Abkommen gesprochen und es in Bausch und Bogen verdammt. Mehr denn je, habe er dann hinzugefügt, müsste jetzt das ganze Volk zusammenstehen. Er forderte die Anwesenden auf, sie sollten sich alle die Hände reichen und sich geloben, zusammenzuhalten, komme, was dann komme. Der Kampfring werde alles aufbieten, um das Abkommen rückgängig zu machen. Sollte es nicht möglich sein, müsste man noch mehr zusammenhalten. Alle müssten gleich tun, nur so könnte das Südtiroler Volk überleben. Später hörten wir, dass solche und ähnliche Versammlungen vom VKS auch in anderen Orten Südtirols einberufen worden waren. Der Kampfring war sich natürlich völlig bewusst, dass eine Rückgängigmachung des Berliner Abkommens überhaupt nicht mehr zur Debatte stand. Wenn man die Leute nun zum Gelöbnis aufforderte, zusammenzuhalten, komme, was da kommen mag, so bereitete man sie taktisch sehr klug nur auf den Zusammenhalt für die Stunde vor, in welcher der Kampfring zur geschlossenen Option des ganzen Volkes aufrief, in der man das Trommelfeuer der Propaganda für die Umsiedlung, für das „Heim ins Reich“ auf das verwirrte Volk losließ. Die Italiener waren mit völliger Blindheit geschlagen. Sie hatten überhaupt keine Ahnung, was sich in Südtirol anbahnte. So fuhren sie mit ihren Drohungen und Schikanen munter fort. Im Juli verfügte die Regierung mit Dekret, dass die Gasthöfe und Gasthäuser sämtliches weibliches Personal entlassen und dafür männliches Personal aus den norditalienischen Provinzen Lombardei, Ligurien und Piemont einstellen müssten. Sämtliche Touristen mussten innerhalb kürzester Zeit Südtirol verlassen. Den Besitzern von Tabaktrafiken wurde verboten, mit den Kunden Deutsch zu sprechen. So wickelte sich das Geschäft in den Trafiken zwischen Inhabern und Südtiroler Kunden meistens völlig schweigend ab. Man behalf sich mit Gesten und Zetteln. Italienisch zu sprechen, fiel niemandem ein. Eine Tabaktrafik in der Nähe der Redaktion in der Museumstraße lieferte uns jeden Tag die Zeitungen, und wir machten uns einen Spaß daraus, in das Geschäft zu gehen, dort möglichst umständlich in den Zeitungen zu blättern und zu hören, wie sich der Inhaber geschickt aus der leidlichen Affäre zog. Vor den Italienern kapitulierten die Südtiroler nicht. Das Volk hätte allen Drohungen und allen Übergriffen zum überwiegenden Großteil standgehalten, wenn nicht von der anderen Seite mit einem Schlag, nach Vorbereitungen in kleinem Kreis, plötzlich die...


Friedl Volgger, geboren 1914 in Ridnaun bei Sterzing, gehörte ab 1938 zum engsten Mitarbeiterkreis von Kanonikus Michael Gamper, dem großen Gegenspieler
der faschistischen Machthaber in Rom und Bozen. Er stellte sich mit vollem persönlichen Einsatz gegen das von Hitler und Mussolini ausgehandelte
Abkommen zur Aussiedlung der Südtiroler Minderheit aus Italien, kam deshalb 1943 ins KZ Dachau und wirkte nach 1945 als führender Politiker der Südtiroler
Volkspartei für die Belange seiner Landsleute. Internationale Verhandlungen führten ihn nach Paris (Gruber-Degasperi-Abkommen) und zum Sitz der
UNO nach New York. Als Senator lernte er das politische Parkett Roms kennen.
Daneben war Friedl Volgger stets auch journalistisch tätig, als Redakteur der Tageszeitung "Dolomiten", für die er fünf Jahre lang verantwortlich zeichnete,
sowie als Redakteur des politischen Teils des "Volksboten".
Immer stellte er seine Lebenserfahrungen auch in den Dienst der Jugend, beispielsweise als er 1983 die Präsidentschaft des Vereins "La strada - Der Weg" zur Bekämpfung
der Drogensucht übernahm.

Friedl Volgger verstarb 1997 in Bozen.



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