Vojnovic / Vojnovic | Tschefuren raus! | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 160, 272 Seiten

Reihe: Transfer Bibliothek

Vojnovic / Vojnovic Tschefuren raus!

oder Warum ich wieder mal zu Fuß bis in den zehnten Stock musste
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-99037-116-9
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

oder Warum ich wieder mal zu Fuß bis in den zehnten Stock musste

E-Book, Deutsch, Band 160, 272 Seiten

Reihe: Transfer Bibliothek

ISBN: 978-3-99037-116-9
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der slowenische Kultroman über wütende und entwurzelte Vorstadtjungs - abgedreht und melancholisch. Marko ist einer aus der Jugo-Bande, ein Tschefur. Als Kind bosnischer Eltern ist er in Fu?ine groß geworden, der Trabantenstadt von Ljubljana, doch ist er in Slowenien nie richtig angekommen. Im Viertel sind die Wohnungen klein, die Familien groß und der Lebensstandard niedrig. Vor dem Wohnblock sitzen ist Nationalsport. Was Marko am meisten auf den Sack geht: Er hat nicht mal einen eigenen Fußballklub! Kein Wunder, dass Marko und seine Freunde wie alle, die von südlich oder östlich des Flusses Kolpa stammen, ein Faible für das leichte Leben, für das Fluchen, Saufen und die Frauen haben. So schlagen sie die Zeit tot, zappen durch die TV-Kanäle und können die weinerlichen Geschichten von der Sehnsucht der Väter nach dem Süden nicht mehr hören.

Goran Vojnovi?, geboren 1980 in Ljubljana. Promovierte an der Theater- und Filmhochschule Ljubljana und ist einer der talentiertesten Autoren seiner Generation. Regisseur erfolgreicher Filme. Seine Bücher sind in viele Sprachen übersetzt. Bei Folio: Vaters Land (2016) und Unter dem Feigenbaum (2018).

Vojnovic / Vojnovic Tschefuren raus! jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1. Warum ich keinen eigenen Fußballklub habe

2. Warum wir uns nach dem Finale geprügelt haben
3. Warum wir wegen Radovan im Kübel gelandet sind
4. Warum ich sonntags nicht aus dem Bett komm

5. Warum wir nicht wie sonst vor dem Block sitzen
6. Warum man nach einem guten Essen ein bisschen Bewegung braucht

7. Warum keiner mehr Basket spielt

8. Warum der Kommunismus noch nicht ausgestorben ist

9. Warum die Tschefuren nicht über Sex reden

10. Warum ich das Training geschmissen habe

11. Warum wir auf der Polizeiwache gelandet sind

12. Warum die slowenische Polizei im Arsch ist

13. Warum Radovan nach Slowenien gekommen ist

14. Warum mich diese Scheißstille noch verrückt macht
15. Warum ich nicht allein sein mag

16. Warum mir Slowenien auf den Sack geht

17. Warum Nachbarn besser sind als Mitbewohner
18. Warum die Dealer alle Hunde haben

19. Warum das Kubana das größte Loch ist in Fužine

20. Warum Razzien lachhaft sind

21. Warum ich den Namen Marko gekriegt habe

22. Warum ich der alten Tschefurin meine Kappe nicht gegeben habe

23. Warum es wichtig ist, dass Damjanovic ein Tschefur ist
24. Warum ab und zu eine Razzia gut ist

25. Warum die Gastarbeiter die schlimmste Rasse sind
26. Warum Tschefuren die Musik im Auto voll aufdrehen
27. Warum Aco und ich am Pregl die Sprechanlage gecheckt haben

28. Warum Radovan schweigt wie ein Grab

29. Warum wir immer den Idioten machen

30. Warum die Moderatorin im Trainingsanzug ganz anders ist

31. Warum wir das Spiel nicht zu Ende geschaut haben

32. Warum Adi zum Junkie wird

33. Warum mir auf einmal die Stille zusagt

34. Warum Tschefuren immer in der letzten Bank sitzen

35. Warum die kleinen Tschefurinnen die größten Monster sind

36. Warum die Tschefuren an die Ljubljanica schiffen gehen

37. Warum keiner auch nur lausige fünf Prozent auf dich gibt

38. Warum die Tschefuren ständig einen auf lustig machen
39. Warum wir den Sperrmüll abgefackelt haben

40. Warum ich wieder mal zu Fuß bis in den zehnten Stock musste

41. Warum Radovan plötzlich wieder Schnaps trinkt
42. Warum Ranka und ich uns an Vela erinnerten

43. Warum bei den Tschefuren nichts geheim bleibt

44. Warum Bosnien total im Arsch ist

45. Warum Bosnien nichts für Tschefuren ist

46. Warum ich am Bahnhof hängen geblieben bin

Jahre später: Warum die Tschefuren in Quarantäne sind

Anmerkungen


1. Warum ich keinen eigenen Fußballklub habe
Ich habe keinen eigenen Fußballklub! Das geht mir von allem am meisten auf den Sack. Würde ich in Belgrad wohnen, wäre ich Fan von Roter Stern und wäre Zvezdaš. Ein Delija von der Wiege bis zur Bahre! Würde ich in Sarajevo wohnen, wäre ich ein Maniak, ein Fan von Željeznicar. Aber hier ist alles verfotzt. Für Olimpija kannst du nicht sein, wenn du für Slovan spielst, so wie ich. Für Slovan kannst du nicht sein, denn das ist tschechisch. Das ist ein Fotzenrauch von einem Klub. Soll ich vielleicht ein Red Tigar werden? Ja, hallo! Was denn noch? Slovan spielt in der nullten Liga. Und das Stadion hat tausend Stehplätze. Olimpija ist ein Klub von Papa- und Mamasöhnchen. Dort spielen nur die Weicheier aus Murgle. Ist ja nicht so, dass ich nicht für Olimpija mitschreie. Aber ein Green Dragon wäre ich für kein Geld auf der Welt. Ich weiß nicht, warum. Ist einfach uncool. Vergiss es. Vielleicht ist das eigentliche Problem, dass ich ein Tschefur bin. Aber gerade weil ich ein Tschefur bin, macht mich das ziemlich fertig, dass ich keinen eigenen Klub habe. Das liegt mir im Blut. Das Bedürfnis nach einem Fußballklub, für den ich mit jedem fighten würde, der einen Scheiß über ihn sagt. Meine Mitschüler, die Slowenen, scheint das überhaupt nicht zu jucken, dass sie keinen Klub haben. Denen geht das am Arsch vorbei! Aber mich zerreißt das innerlich so, dass ich am liebsten jemanden durchwalken würde. Diese Scheißtradition gibt es hier einfach nicht. Wenn du in Barcelona auf die Welt kommst, kaufen dir deine Alten einen Dress von Ronaldinho, eine Mitgliedskarte vom Klub und nehmen dich sonntags mit ins Camp Nou zum Derby gegen Real, und dann gehst du dein ganzes Leben zu den Spielen. Und wenn du heiratest, gehst du mit deiner Frau zu den Spielen, und dann mit den Kindern und dann mit den Enkeln und so weiter. Und Barca ist für dich ein Heiligtum. Wenn jemand nur Real sagt oder Ronaldo, dann schmierst du ihm eine. Keine unnötigen Fragen. Šamari geri! Wenn du im Dress von Eto’o in die Schule kommst, bist du echt der Zampano. Wenn du den Dress von Raúl anziehst, kriegst du eins auf die Nuss. Nicht so wie in Slowenien, wo du schon der Chef bist, wenn du im Dress von Cime zur Schule kommst. Und mitten auf dem Prešerec kannst du im Dress von Maribor rumlaufen, und dir wird keiner die Schnauze polieren. Mein Vater, Radovan Ðordic, ist Zvezda-Fan. War ich auch, als ich klein war und mir immer wieder Radovans Kassetten mit den Spielen angesehen habe, als sie Weltmeister waren. Stojanovic, Radinovic, Najdovski, Šabanadovic, Belodedic, Jugovic, Prosinecki, Savicevic, Binic, Mihajlovic, Pancev. Ich hab sie gegen Milan gesehen, als es eins null für Zvezda stand und das Spiel wegen Nebel abgebrochen werden muss- te und sie im Wiederholungsspiel im Elfmeterschießen ausgeschieden sind. Ich hab sie gegen Köln gesehen, als sich Stojanovic verletzt hat und der Ersatztorwart Milojevic in der zweiten Halbzeit drei Tore kassiert hat. Aber dann haben sie alle der Reihe nach auseinandergenommen und haben den Europapokal geholt. Ranka, was meine Mutter ist, hat mir erzählt, dass bei uns zu Hause das reinste Tollhaus war, die ganze Hütte war voll. Vaters Kollegen, jeder ein alter Tschefur. Die haben so für Zvezda mitgefiebert, dass sie während des Spiels ganz ruhig dagesessen und auch mal was Kluges von sich gegeben haben, aber dann plötzlich explodiert sind: „Gib aaab! Nein, neeeein. Du egoistisches Arschloch! Ich fick dir die Mutter, du blöder Affe! Mach bloß, dass du vom Platz kommst! Warum hat dich dein Vater nicht gegen die Wand gespritzt!“ Und dann philosophieren sie wieder gemeinsam bis zur nächsten Zvezda-Chance. Mein Vater ist ja Bosnier, nur dass er in erster Linie Serbe ist und seit Geburt Fan von Roter Stern und dass er als Fan zu den Spielen nach Belgrad und Sarajevo gefahren ist. Aber ich kann kein Delija sein. Ich weiß nicht, weshalb. Das ist alles arschkompliziert. Ich bin zwar Zvezda-Fan, aber dass das mein Klub wäre, macht für mich überhaupt keinen Sinn. Das macht es für die Belgrader. Wenn du ein Kerl bist, bist du für den Klub deiner Stadt. Aber Ljubljana ist eben eine komische Stadt. Vielleicht ist es ja deshalb, weil ich ein Tschefur bin. Wäre ich so ein kleiner Slowene, würde ich für Olimpija sein und höchstwahrscheinlich zum Eishockey gehen. Und mein Vater Janez würde ruhig dasitzen und mir erklären, wie Olimpija in den Siebzigern Staatsmeister im Basket wurde und wie die Fußballer in den Achtzigern gegen Roter Stern, gegen den Weltmeister, unentschieden gespielt haben und wie sie dann gegen Milan angetreten sind und wie in dem Spiel Marco van Basten zum letzten Mal gespielt und Olimpija nur drei zu null verloren hat. Denn das ist es. Wenn du erst einmal für einen Klub bist, der Weltmeister gewesen ist, dann kannst du nicht umschalten und dich für unentschiedene Partien, ehrenvolle Niederlagen, Vorrunden der Champions League, den Slowenischen Pokal und Kantersiege über NK Beltinci begeistern. Also wirklich, das geht nicht. Ich habe ja für die Basketballer von Olimpija mitgefiebert, als sie beim Final Four in Rom waren und Panathinaikos mit Dominique Wilkins und Kinder mit Predrag Danilovic auseinandergenommen haben. Aber dann haben sie der Reihe nach gegen Krka und Laško verloren, und da ist mir doch die Kinnlade runtergefallen. Hier gibt es keine angeborene Tradition. Ich habe etwas von einem Tschefur in mir. Entweder bist du ein Champion oder du gehst Bleistifte spitzen, wie Radovan immer sagt. Meine Kumpel sind Fans von Zvezda. Dejan ist Fan. Aco auch. Nur, deren Alte sind aus Serbien. Serbianzen. Wir Bosnier sehen die Sache etwas anders. Radovan gehen die Tschetniks auf die Eier, Arkan und Ceca und Gurovic mit der Tätowierung von Draža Mihailovic, und dass sie Zvezda zu einem Klub gemacht haben, der genauso wie Olimpija in der Champions League erst noch in der Vorrunde antreten muss. Scheiß drauf. Dejan trägt den roten Fan-Schal um den Hals und fährt ab auf Zvezda-Spiele gegen Finnen, Ungarn, Esten und andere Schwachmatiker. Aco fährt nur auf die Kroaten ab, ich nur auf die Deutschen. Das ist mir von einem Kollegen meines Vaters geblieben, der einmal von Dinamo Zagreb zu Zvezda gewechselt ist und dann erzählt hat, wie verschieden die beiden Klubs und die Leute an der Spitze sind. Wenn die Zagreber sich seelisch auf die Auslosung zur Champions League vorbereiten, machen sie sich fast in die Hose: „Jungs, das wäre super, wenn wir die Deutschen nicht schon in der ersten Runde kriegten. Dann kommen wir vielleicht in die zweite Runde. Bloß nicht die Deutschen.“ Zur selben Zeit trompeten sie bei Zvezda: „Wenn wir nur die Deutschen kriegen, dann ficken wir ihnen die Mama wie im Fünfundvierzigerjahr. Fünf Stück machen wir ihnen rein!“ Es ist ja nicht so, dass die Deutschen damals alle der Reihe nach auseinandergenommen hätten, nur sind deine Chancen natürlich größer, wenn du Eier in der Hose hast. Und darauf steh ich. Ich scheiß auf ein Spiel, in das du mit der Einstellung reingehst, dass schon eine minimale Niederlage ein Erfolg ist. Das ist keine Mentalität. Deshalb stehen wir, Aco, Dejan und ich, und manchmal kriegen wir auch Adi dazu, auf die Jugomannschaft. Wir haben unseren Gott, das ist Dejan Bodiroga! Wir schreien gemeinsam für die Basketballer, aber ich habe keine Lust, für Volleyballer, Wasserballer und sonstige Arschlöcher zu schreien. Fußball und Basket. Vielleicht noch Handball. Alles andere ist Pipifax. Fužine müsste einfach einen eigenen Fußballklub haben. Das wäre cool. Wir sind schließlich zwanzigtausend. Mit den Illegalen sogar dreißigtausend. Wobei ich die Junkies gar nicht mitzähle. FC Fužine. Das wäre echt der Hammer. Entweder du bist für einen großen Klub, der um den Weltmeistertitel kämpft, oder für einen kleinen Klub aus dem eigenen Viertel, der alle Spiele verliert und wo alles zusammen die große Show ist und zu den Spielen hundert Klugscheißer kommen und nach jedem Spiel erst mal einen abwatschen und sich dann abfüllen. Ljubljana ist irgendwas zwischen Stadt und Dorf, und die Klubs hier sind irgendwas zwischen gut und überhaupt nicht. FC Fužine wäre die Lösung. Darauf könnte man abfahren. Fužine ist mega! Es hat ja lange Zeit so ausgesehen, als würden wir einen eigenen Klub kriegen. Die Alten brachten regelmäßig, jeden Sonntag, Netze mit auf den Platz, und dann wurde gespielt. Neben dem Feld spielten die Pensionisten Schach, jemand hatte einen Kofferraum voll Bier, die Tribünen waren voll mit halbwüchsigen und erwachsenen Tschefuren, die nicht Fußball spielen können, weil sie Wasser im Knie haben oder andere Geschwülste. Vor allem aber war da nie eine Frau zu sehen und kein einziges slowenisches Wort zu hören. Nur der Postler Matej spielte mit, dafür wurde er auch von allen Slowenac gerufen, weil er als Einziger kein Tschefur war. Aus demselben Grund hieß unser Hausmeister Vlado bei ihnen TuÐman. Weil er aus Slavonski Brod war. Unwichtig,...


Goran Vojnovic, geboren 1980 in Ljubljana. Promovierte an der Theater- und Filmhochschule Ljubljana und ist einer der talentiertesten Autoren seiner Generation. Regisseur erfolgreicher Filme. Seine Bücher sind in viele Sprachen übersetzt. Bei Folio: Vaters Land (2016) und Unter dem Feigenbaum (2018).



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.