Vogt / Trenton / Dath | Das Science Fiction Jahr 2024 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 592 Seiten

Reihe: DAS SCIENCE FICTION JAHR

Vogt / Trenton / Dath Das Science Fiction Jahr 2024

E-Book, Deutsch, 592 Seiten

Reihe: DAS SCIENCE FICTION JAHR

ISBN: 978-3-98857-082-6
Verlag: Hirnkost
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ob ernsthafte Bedrohung oder Chance für die Menschheit – künstliche Intelligenz ist ein immer wiederkehrendes Thema in der Science Fiction, von Klassikern wie E. M. Forsters Die Maschine steht still, Asimovs Roboter-Romane über die NEUROMANCER-Reihe von William Gibson bis hin zu zeitgenössischen Werken wie Pantopia von Theresa Hannig oder Martha Wells' MURDERBOT-Reihe.

Inzwischen ist KI jedoch nicht allein Thema in Romanen – KI ist jetzt: ChatGPT, Dall-E, DeepL und Midjourney etc. sind in aller Munde, Meta trainiert mit User:innen-Daten die hauseigene KI und all das beeinflusst unsere Arbeits- und Informationswelt, insbesondere die der Kunstschaffenden. Es ist nur folgerichtig, dem Thema KI einen Schwerpunkt im Science Fiction Jahr zu widmen.

Gleichzeitig zeigt ein Blick auf die deutschsprachige SF neue Entwicklungen, denen sich DAS SF-JAHR genauer widmen will: Eine neue Generation von Schreibenden macht auf sich und ihre Themen aufmerksam, gibt bekannten Themen der Science Fiction neue Twists und verbindet so in ihren Texten über bekannte Grenzen hinaus neue Dramaturgien und Schreibweisen.

In der 39. Ausgabe des Almanachs, den Wolfgang Jeschke 1986 ins Leben rief, dürfen außerdem nicht fehlen: der Rückblick auf die Entwicklungen in Literatur, Film, Serien, Comics und Games. Abgerundet wird das Jahrbuch durch Rezensionen sowie einen Überblick über die wichtigsten Genrepreise, Nachrufe, in denen wir besonders den Filmemacher Rainer Erler würdigen, sowie einer umfangreichen Bibliographie der Science-Fiction-Bücher, die 2023 auf Deutsch erschienen sind.
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Dietmar Dath
Es schreibt und spricht. Hat’s ein Gesicht? Über Sprache, Text und Denken als Problemdreieck in der Science Fiction Eins: Bedienung und Bewusstsein Der im April 2024 veröffentlichte SF-Roman Welcome to Boy.net von Lyda Morehouse ist alles andere als eine schwerfällige oder weitschweifige Abhandlung über die Bedeutung der Auslegung von Texten für Wissenschaft, Technik und Literatur. Im munteren Fortgang der erzählten Handlung (es geht um zwei Weltraum-Kopfgeldjägerinnen, die einander lieben und alles zerlegen, was sich dieser Liebe in den Weg stellt) übersieht man deshalb leicht, dass Morehouse in dem Buch einen ehrgeizig weitreichenden Vorschlag dazu untergebracht hat, die zur Zeit des Erscheinens des Romans an vielen gesellschaftlichen Fronten sehr lebhaft geführte Diskussion über künstliche Intelligenz von einem entscheidenden Punkt her neu aufzuziehen. Die Stelle, an der dieses Thema explizit wird, beginnt mit einer literarischen Anspielung: Eine Maschine namens Margie, die in einem Restaurant die Kundschaft bedient, äußert ihr Missfallen darüber, dass ihr »Gehirn von der Größe eines Planeten« verschwendet sei an diesen Kellnerjob. Hawk, Co-Heldin des Romans, erkennt das indirekte Zitat, das, wie sie weiß, aus einem »English humor classic about a galactic hitchhiker« stammt, nämlich aus dem Hauptwerk des SF-Satirikers Douglas Adams, der aus einem Hörspielprojekt entsprungenen Pentalogie THE HITCH HIKER’S GUIDE TO THE GALAXY, deren fünf Bände zwischen 1979 und 1992 erschienen. In Adams’ lustiger Welt gibt es den Roboter Marvin, den seine chronische Unterforderung in depressive Monologe treibt, in denen unter anderem der Vergleich des avancierten künstlichen Gehirns mit einem Planeten vorkommt, nämlich mit der Gesamtgedankenfülle der Wesen, die so einen Planeten bevölkern könnten. Margies Marvin-Mini-Rollenspiel weckt Hawks Argwohn: Soll das etwa heißen, die Serviererin behauptet, sie besäße echte künstliche Intelligenz, also ein Bewusstsein von sich selbst? Das kann nicht sein, denkt Hawk, denn die Technik und die Wissenschaft ihrer Epoche, in der die irdische Politik sich auf einen Großteil des Sonnensystems ausgeweitet hat, haben bislang nichts Intelligenteres zuwege gebracht als ein paar quasi-autonome Puppen, deren Beliebteste sexuellen Gebrauchswert bieten (sie heißen Ken, Barbie oder Bowie). »They faked emotions and seemed real to most people«, meint Hawk abfällig, biologischen Leuten werden von synthetischen also Emotionen nur vorgespielt, per Kommunikation und sonstigem Verhalten, und das reicht den Leuten, die diese Geschöpfe benutzen. Zwei: Alan Turings tückische Idee und deren Überwindung Die etwas selbstgefällige Haltung, die Hawk da einnimmt, ist unterfüttert von technikpolitisch-zeitgeschichtlichen Vorannahmen, zu denen Morehouse uns mitteilt, dass eine dazu befugte Körperschaft sie in der Welt ihres Romans als geltendes Recht kodifiziert hat. Eine »Lunar Conference«, also eine große Tagung auf dem Mond, von deren Beschlüssen offenbar alle, die es angeht, alles wissen, hat nämlich eine Definition von »true intelligence«, also »echter Intelligenz« aufgerichtet, die den Zweck hat, das berühmte Gedankenexperiment des sogenannten »Imitationsspiels« zu überwinden, mit dem heute, also in der realen Ära, in der Lyda Morehouses Texte geschrieben, gedruckt und online gestellt werden, noch weithin gearbeitet wird, wo immer Menschen zu verstehen versuchen, was die Sprach-, Symbol- und Kalkülnutzung von beispielsweise Deep-Learning-Algorithmen von menschlichen Verstandes- und Kommunikationsgebrauchsweisen einerseits unterscheidet und sie andererseits mit den Hervorbringungen unserer Gehirne vergleichbar macht oder anderweitig verbindet. Jenes Imitationsspiel hat der Erfinder der abstrakten Begrifflichkeit universeller Rechenmaschinen, der Engländer Alan Turing, 1950 ersonnen. Er wollte die Frage »Können Maschinen denken?« so weit präzisieren, dass sie für konkrete Maschinen beantwortbar wird. Der Dreh geht so: Wenn im Laufe eines Kommunikationsgeschehens zwischen einem Menschen A und einem abgeschirmten Gegenüber B, das weder eindeutig als Mensch noch als Maschine zu erkennen ist, der Mensch A nicht herausfinden kann, ob das Gegenüber B Mensch oder Maschine ist, dann darf man von B, sofern es sich dabei tatsächlich um eine Maschine handelt, fortan behaupten, dieses Wesen könne denken. Die heikelste Implikation des Spiels ist der Satz: Wer so gut lügt, wie wir das können, der denkt auch sonst wie unsereins. Turings Einfall ist lupenreine SF – ach was, von wegen Lupe, er ist rastertunnelmikroskopreine SF: kompakter, straffer, dichter kann man das Problem nicht erzählbar machen. Kolleginnen wie Kollegen aus dem Genre haben die Idee nur allzugern aufgegriffen, teils allerdings, um sie von innen her zu zerstören; man sollte hier an Philip K. Dicks Androidenszenarien denken oder an Ian McDonalds ebenso schlaue wie böse Feststellung, dass jede Maschine, die klug genug ist, den Turing-Test zu bestehen, damit auch klug genug sein dürfte, ihn nicht zu bestehen und die Menschen lieber über ihre Intelligenz zu täuschen, was den Test im Grunde wertlos macht. Hierher sortiert man also auch Lyda Morehouses tiefe, in Welcome to Boy.net verarbeitete Einsicht, dass es unerfreulicherweise zum evolutionär-historischen Gepäck unserer Gattung gehört, ihre Umgebung projektiv zu beleben (Animismus!) und sogar zu vermenschlichen: Kaum malt jemand ein Menschengesicht auf einen Fetisch, schon meinen wir, einen Atemhauch zu spüren, der von dem Ding ausgeht. Es gibt arme Seelen, die mit Sexpuppen zusammenleben oder ein mit menschlichen Zügen versehenes Kissen für eine anders nicht aufzutreibende Gefährtin oder einen anders nicht erlangbaren Gefährten halten wollen. Wir sind, sagt Morehouse, zu schwach für die Disziplin, die nötig ist, der Versuchung zur Selbsttäuschung zu widerstehen, die der Turing-Test jeder Person A nahelegt. Deshalb ist die fiktive Mondkonferenz bei der Frage »Können Maschinen denken?« zu einem anderen Kriterium als dem von Turing entwickelten gelangt: »the only thing they would consider a true intelligence was a program that could resist revision – a program that not only said that it wanted to exist, but which could actively fight for itself. If you could get down into the code, change a few specs and end up with a different personality, then that personality was never ›real‹. The Lunar Conference codified the idea that the only true human act was resistance.« Wenn du in den Code, in den Programmtext, eindringen kannst und ein paar Spezifika ändern (bei den derzeit breit diskutierten Chatbots wären das etwa die Wahrscheinlichkeits-Leitgrößen beim Generieren von Ausgaben auf Prompts hin, die man in dem Begriff »Temperatur« bündelt, oder die Gewichte, also die Stärken der Verbindungen zwischen den Rechenzellen der künstlichen neuronalen Netze), und wenn der Code sich dann nach diesen Eingriffen anders benimmt als vorher, dann »fühlt« er sich nicht plötzlich anders, weil er sich nämlich nie irgendwie »gefühlt« hat, es war alles Eingabe-Ausgabe-Probabilistik, niemand zu Hause. So proklamiert das die Mondkonferenz, woraus für Hawk dann der Dünkel gegenüber der Kellnerin Margie folgt, auch wenn diese Maschine einen pfiffigen Witz unter Rückgriff auf eine Datenbank reißt, in der irgendetwas von Douglas Adams und seiner Schöpfung Marvin zu finden ist. Nein, findet Hawk, in archaisierendem Englisch mit gravitätischer Grammatik, »one sarcastic and seemingly response did not an artificial intelligence make.« Soll sagen: eine einzelne smarte Sprachhandlung macht so wenig eine echte Künstliche Intelligenz wie eine Schwalbe einen Sommer. Drei: Schreiben, Lesen, Wissen, Wollen Computerprogramme sind Texte. Code wird geschrieben und gelesen (in zunehmendem Maß freilich ist beides Metapher, denn es sind in letzter Zeit an diesen Vorgängen keineswegs immer Menschen beteiligt), Code wird übersetzt (in andere Sprachen für Rechner, in Ausführungsbestimmungen und so fort), Code wird manchmal gedeutet. Die Eingriffe, die bei Morehouse klären sollen, ob Code denkt, werden in unseren Tagen, in der Realität der Mitte der Zwanzigerjahre des 21. Jahrhunderts christlich-abendländischer Zeitrechnung, gerade zu mancherlei diagnostischen Zwecken entwickelt und rasch weitergetrieben, weil wir sonst nicht nur im Unklaren darüber bleiben, ob die von uns geschaffenen Systeme irgendetwas verstehen können, sondern bald selbst kaum noch verstehen, was diese Systeme tun. Da entsteht eine neue Forschungsdisziplin namens »Explainable Artificial Intelligence«, erklärbare künstliche Intelligenz, auch als »erklärbares Maschinenlernen« geläufig, abgekürzt XAI. Dieser blutjunge Wissenschaftszweig befasst sich etwa mit den Wegen, auf denen eine Eingabe in den hintereinandergeschalteten Schichten von Rechenzellen, aus denen die augenblicklich erfolgreichsten KI-Vorrichtungen, die Deep-Learning-Systeme, bestehen, zu einer Ausgabe wird. Das geschieht bekanntlich, indem die Verbindungen zwischen den Zellen beim Identifizieren von Mustern in Daten verstärkt oder geschwächt werden. Der Vorgang ist im Einzelnen aber oft opak, also der Kontrolle entzogen, und vollzieht sich in Verlaufsformen, deren Komplexität meist...


Während Hardy Kettlitz bereits Anfang der Neunziger als Herausgeber (u. a. ALIEN CONTACT und SF PERSONALITY) auftrat, seither ein fester Bestandteil der SF-Szene ist und der SF verbundene Buchprojekte als Verleger des Memoranda Verlags verwirklicht, gelangte Melanie Wylutzki durch Terry Pratchetts Scheibenwelt in phantastische Welten und konnte bei unterschiedlichen Phantastik-Verlagen in Lektorat und Programmarbeit tiefer in die SF eintauchen. Seit einigen Jahren arbeiten Melanie Wylutzki (*1986) und Hardy Kettlitz (1966) im Hintergrund an den Ausgaben von DAS SCIENCE FICTION JAHR. Seit 2019 geben sie den Almanach gemeinsam heraus.


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