E-Book, Deutsch, Band 1, 392 Seiten
Reihe: Schwarzes Blut
Vogltanz Auferstanden
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7519-1095-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 392 Seiten
Reihe: Schwarzes Blut
ISBN: 978-3-7519-1095-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Melanie Vogltanz hat Deutsche Philologie, Anglistik und LehrerInnenbildung an der Universität Wien studiert. Sie wurde 1992 in Wien geboren und hat den berühmt-berüchtigten Wiener Galgenhumor praktisch mit der Muttermilch aufgesogen. Dem klassischen Happy End sagt sie im Großteil ihrer Geschichten den Kampf an, denn auch das Leben endet selten gut. 2007 veröffentlichte sie ihr Romandebüt; weitere Veröffentlichungen im Bereich der Dunklen Phantastik folgten. 2016 wurde sie mit dem »Encouragement Award« der European Science Fiction Society ausgezeichnet. 2020 wurde ihr Roman »Schwarzmondlicht« für den Seraph in der Kategorie »Bester Independent-Titel« nominiert. Wenn sie nicht gerade eigene Geschichten zusammenspinnt, korrigiert, lektoriert und übersetzt sie für Verlage und Kollegen oder hält ihre Frettchenmusen bei Laune. Mehr Informationen auf: http://www.melanie-vogltanz.net
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I.
Für andere Gedanken war in ihrem Kopf kein Platz. Nur der Tanz der Klingen, und ihr Schwert, das als Verlängerung ihres Körpers fungierte.
Der Hieb ihres Gegners kam ihrem Gesicht so nahe, dass sie den Luftzug des Stahls an ihrer Wange spürte. Sie parierte den Schlag mit einem wuchtigen Gegenhieb, der dem anderen beinahe die Waffe aus der Hand prellte, und setzte nach. Die Klinge züngelte nach seiner Brust. Es gelang ihm gerade noch, sich mit einem hastigen Rückwärtsstolpern in Sicherheit zu bringen.
Dabei war er gezwungen, seine Deckung aufzugeben. Sofort registrierte sie die Chance. Sie fuhr vor und schlug zu. Funken sprühten, als ihr Gegner verzweifelt seine Klinge nach oben riss, doch er war zu erschöpft von dem langen, erbitterten Kampf, um die Parade aufrechtzuerhalten. Mit einem schmerzerfüllten Aufschrei ließ er die Waffe fallen und sprang zurück.
Er war ihr schutzlos ausgeliefert.
Entschlossen hob sie das Schwert zum allerletzten, entscheidenden Schlag …
»Elyssa! Elyssa, um Himmels willen, «
Das Entsetzen in der vertrauten Stimme riss sie aus ihrer Konzentration. Ihre fließenden Bewegungen stockten, sie strauchelte. Im buchstäblich letzten Moment gelang es ihr, das Schwert herumzureißen, sodass der Hieb, der ihren Gegner glatt enthauptet hätte, seine Schulter verfehlte und sich tief in den Stamm einer Esche bohrte, die das Pech gehabt hatte, an der falschen Stelle zu wachsen.
Elyssa ließ den zitternden Griff des Schwertes los. Irritiert fasste sie sich an die schweißnasse Stirn und zwang ihren nach Bewegung lechzenden Körper zum Verharren.
»Elyssa, hast du den Verstand verloren? Es hätte nicht mehr viel gefehlt und du hättest mich um einen Kopf kürzer gemacht! Was um alles in der Welt das?!« Das Gesicht ihres Cousins war kalkweiß. Auch er war in Schweiß gebadet, sein Atem ging stoßweise.
Es war nicht das erste Mal, dass Elyssa gemeinsam mit Philipp einige Übungen absolviert hatte, so verausgabt wie in diesem Duell hatten sie sich allerdings noch nie. Für einen Augenblick hatte sie alles um sich herum vergessen, ihr Verstand hatte sich in einen Winkel tief in ihrem Bewusstsein zurückgezogen und der reinen, ungezähmten Kraft ihres Körpers Platz gemacht. Wie ein Berserker hatte sie auf den um einen Kopf größeren Mann eingedroschen und ihn immer weiter in die Defensive gedrängt. Ohne dass Elyssa es bemerkt hatte, war aus dem Spiel bitterer Ernst geworden.
»Ver… verzeih«, stammelte sie. »Ich weiß auch nicht, was plötzlich in mich gefahren ist.«
»Offenbar der Teufel, wie so oft«, scherzte Philipp schal, doch durch seine unbekümmerte Maske schimmerte noch immer ein Hauch von Schrecken. Er bückte sich nach seiner Waffe, die zwischen ihnen im hohen Gras lag. Es handelte sich um eine Bauernwehr: eine armlange, schwertähnliche Fechtwaffe, die man auch als Bürgerlicher führen durfte; kürzer, leichter und erheblich schmuckloser als Elyssas Schwert.
»Habe ich dich verletzt?«
»Nur meinen Stolz«, gab Philipp zurück und schlug seine Waffe mit einem resignierten Schulterzucken in den stabilen Hanfsack ein, in dem er sie transportierte. »Obwohl es keine Schande ist, gegen dich zu verlieren. Du bist gut, Cousine.«
»Es gehört nicht viel Können dazu, einen Kaufmann im Duell zu schlagen. Es sei denn, bei der Waffe handelt es sich um einen Abakus.«
»Sehr witzig.« Philipp und zog an ihrer speckigen Schürze, die bereits ihre Mutter getragen hatte, wenn sie tagein, tagaus in der alten Kaschemme Bier und Wein ausgeschenkt hatte. »Dass die Zunft der Gastleute seit vielen Jahrhunderten begnadete Fechtkünstler hervorbringt, muss mir bisher wohl entgangen sein. Nicht zu vergessen das kriegerische Geschlecht der Frauen, das schon seit Menschengedenken uns arme, schwache Männer durch seine Unbarmherzigkeit und Stärke unterdrückt.« Feixend fasste er nach dem Saum ihres Kleides.
Elyssa schlug seine Hand beiseite. »Lass das!«, zischte sie.
»Was meinst du?« Er hielt sein Grinsen wacker aufrecht.
»Das weißt du genau. Es ist schon schlimm genug, dass wir uns heimlich hier treffen. Du weißt, dass sich das für eine Frau nicht ziemt.«
»Ich bin keine Frau«, protestierte Philipp.
Elyssa ignorierte den halbherzigen Versuch, die Stimmung zu retten. »Wenn man dich dann auch noch hier so sieht, wie du an meinen Kleidern spielst, kommen schnell Gerüchte auf, und im Handumdrehen kennt mich ganz Wien als deine Mätresse.«
Philipp schnaubte verächtlich. Das Witzereißen war ihm sichtlich vergangen. »Na und? Sollen sie doch reden!« Sein Tonfall wurde etwas sanfter. »Du bist wie eine Schwester für mich, Elyssa. Wer auch immer in unserer Beziehung etwas Verwerfliches oder Lasterhaftes sieht, ist ein Narr.« Er wollte ihr eine wirre Haarsträhne aus dem Gesicht streichen.
Elyssa fing seine Hand ab und reichte sie ihm zurück wie ein abgelehntes Geschenk. Um seine Mundwinkel zuckte es verletzt, aber er versuchte nicht noch einmal, sie zu berühren.
»Denk nicht an die anderen«, erwiderte sie. »Denk an mich. Denk an Großvater. Willst du seinen Ruf zerstören? Das wäre ein schlechter Dank, nach allem, was er für uns getan hat, findest du nicht?«
Philipp wirkte nun eindeutig verstimmt. »Mach dich nicht lächerlich. Wir kommen seit fast zehn Jahren hierher, und bislang hat uns nie jemand entdeckt. Warum sollte sich das jetzt ändern?«
»Weil Dinge sich nun mal ändern«, erwiderte Elyssa, und sie konnte nicht verhindern, dass sich ein bitterer Unterton in ihre Stimme mischte. »Ebenso wie wir. Wir sind keine Kinder mehr, Philipp. Als wir jung waren, waren die geheimen Duelle ein Jux, aber mittlerweile sind wir da rausgewachsen. Heute steht weit mehr auf dem Spiel.«
»Was soll das werden, Elyssa?« Philipps Finger tanzten um den Griff seiner Bauernwehr. »Willst du mich wegwerfen wie ein Spielzeug, dessen du überdrüssig geworden bist? Bin ich dir langweilig geworden? Oder zu schwach? Ich bin keine Herausforderung mehr für dich, nicht wahr? Dass du mich überflügelt hast, das hat sich schon vor langer Zeit abgezeichnet, aber das spielt doch keine Rolle. Ich schätze unsere gemeinsame Zeit hier, selbst wenn du mich dabei nur quer über die Lichtung prügelst.« Er senkte die Stimme: »Du etwa nicht?«
»Du kannst das nicht verstehen!« Gegen ihren Willen erhob sie ihre Stimme. »Du hast mit fünfzehn diese Kaufmannstochter geheiratet, nachdem du bei ihrem Vater deine Bilderbuch-Lehre abgeschlossen hattest! Wenn du nach Hause kommst, dann wartet dein braves Frauchen mit Eintopf auf dich, und deine Kinder himmeln dich an, als wärst du Siegfried persönlich. Zu Recht, schließlich kannst du ihre kleinen Bäuche füllen. Dein Leben ist einfach perfekt!«
Er lachte erstaunt auf. »Das glaubst du? Du denkst, mein Leben sei perfekt?«
»Aber natürlich! Und während du dich hier mit deiner kleinen Cousine amüsierst, riskiere ich das letzte bisschen Respekt, das man mir noch entgegenbringt. Denkst du etwa, ich tue das hier zu meiner Zerstreuung?« Sie deutete vielsagend auf das Schwert, das sie mit voller Wucht in den Baumstamm gerammt hatte. »Im Gegensatz zu dir nehme ich das Fechten ernst. Ich möchte lernen, ich möchte werden, begreifst du das? Die Zeit mit dem Schwert in der Hand ist die einzige Zeit in meinem Leben, in der ich mich nicht falsch und … und deplatziert und ungenügend fühle! Aber das kannst du natürlich nicht verstehen.«
Philipp hob die Hände, als wollte er einen Fausthieb abwehren. Seine Mimik war von Zornesfalten zerfurcht. »Was ich heraushöre«, sagte er, »ist blanker Neid. Es ist nicht meine Schuld, dass du noch immer unverheiratet bist. Du sagst, ich soll an Großvater denken. Aber wenn jemand Großvater Schande bereitet hat, dann ja wohl du. Und ich glaube, das weißt du auch sehr gut.«
Mehrere Herzschläge war Elyssa sprachlos. »Wie … wie kannst du es wagen, Philipp.«
»Aber es stimmt. Für dich war doch nie einer gut genug! Ich habe Großvater schon oft gesagt, dass man dich Sturkopf zu deinem Glück zwingen muss, aber er hat immer nur gelächelt und das Thema gewechselt.«
Elyssas Augen wurden schmal. »Zu meinem Glück ?«
»Hättest du es einmal versucht, dann wüsstest du, dass die Ehe nichts ist, das man scheuen muss. Sie ist , Cousine.«
»Das kannst du leicht sagen, als Mann«, erwiderte sie schneidend. »Du hast dir dein Weib ausgesucht wie eine Kuh auf dem Viehmarkt. Stämmige Hüften, von Rasse und von Wert, erstanden zu einem angemessenen Preis. Was sie von dir hält, kann dir...




