E-Book, Deutsch, Band 1, 352 Seiten
Reihe: Hexenhammer
Voehl Hexenhammer 1 - Die Inquisitorin
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-95572-954-7
Verlag: Zaubermond Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 1, 352 Seiten
Reihe: Hexenhammer
ISBN: 978-3-95572-954-7
Verlag: Zaubermond Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der Baron Nicolas de Conde hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, um die Unsterblichkeit zu erlangen. Sein Versuch, Asmodi zu betrügen, scheiterte, und innerhalb einer einzigen Nacht wurden de Condes Frau Isabelle und seine Kinder im finsteren Wald von Wölfen zerrissen. Blind vor Schmerz ruft de Conde den Teufel ein weiteres Mal an. Und schließt einen weiteren Pakt. Mit einem weiteren Opfer. Ihr Name: Charlotte de Conde.
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Kapitel 2
Aufstehen. Antreten. Asmodi unser, der du wandelst auf Erden. Trocken Brot und Haferschleim.
Das Abendessen fiel heute aus, denn die Nacht des Vollmonds war angebrochen. Noch nie zuvor hatte sich Lotte so davor gefürchtet wie diesmal.
Sie hatte Schuld auf sich geladen.
Und sie war nicht die Einzige, die es wusste. Albert starrte sie noch immer während der Mahlzeiten an, noch unverblümter als zuvor. Einmal lächelte er ihr sogar scheu zu. Es war ein dankbares Lächeln. Wusste er, dass sie Vincenz den Tod gewünscht hatte?
Und auch Vincenz’ Blick erhaschte sie ein Mal. Er war voller Hass. Ahnte er, dass sie für sein Martyrium die Verantwortung trug?
Eine ahnte es ganz bestimmt: die Schwester Oberin. Auch sie schaute Lotte oft auf eine so merkwürdige Art an, mit einem Lächeln auf den Lippen, so als wüsste sie Bescheid.
Lotte lief jedes Mal rot an, und es blieb ihr nicht viel mehr, als den Kopf zu senken und zu hoffen, dass die Schwester Oberin nicht ihre allerheimlichsten Gedanken las.
Sie alle, die hier im haus zur heiligen dreieinigkeit den Glauben des HERRN erfuhren, waren spezielle Kinder. Sie alle besaßen eine Gabe. Über welche Gabe Lotte verfügte, wusste sie nicht. Sie war noch jung, die Gabe, so sagten die Schwestern, komme erst allmählich zum Vorschein, so wie eine Blume sich zunächst mühsam aus dem Erdreich nach oben graben müsse, um schließlich im Lichte zu erblühen. Doch um die Gabe zu fördern, war es erforderlich, den Schwestern jede nur mögliche Missetat zu beichten.
Die Schwester Oberin rief die Kinder in die Krypta. So standen sie um den gläsernen Schrein, in dem eine Kralle Asmodis aufbewahrt wurde. Die Gesänge und Gebete zu Ehren Asmodis dauerten Stunden. Zum Höhepunkt wurde ein schwarzer Ziegenbock geschlachtet und zerteilt. Das Blut wurde sorgsam in Kelchen aufgefangen. Nicht ein Tropfen spritzte auf den Mosaikboden, auf dem Asmodis Höllenscharen verewigt worden waren.
»Besser als Haferschleim, was?«, flüsterte Melisende und stupste Lotte an.
Lotte erwiderte nichts. Ihre Kehle war jetzt schon wie zugeschnürt, wenn sie an die Beichte dachte.
Die Schwestern gingen zu jedem Kind und drückten ihm ein Stück blutiges, warmes Fleisch in den Mund und segneten es dabei. Das Fleisch war der Leib Asmodis, und indem sie es in sich aufnahmen, wurden sie des HERRN selbst leibhaftig.
Jedem Kind setzten die Schwestern einen Kelch mit dem Blut an die Lippen, damit es davon trinken konnte. Auch das war eine Spende des HERRN, und sie alle drückten ihre Dankbarkeit mit umso hingebungsvolleren Gebeten aus.
Lotte ließ ihren Blick umherschweifen. Ja, auch Angela war gekommen. Sie hatte das todkranke Mädchen seit zwei Wochen nicht mehr gesehen. Nun schien es wieder bei Kräften zu sein. Schwester Gertruds Heilkünste hatten Wunder gewirkt. Die roten Wangen sprachen Bände. Ebenso wie die Striemen an ihren Armen, die von Schwester Adelheids Gerte zeugten.
Als sie alle auf Geheiß der Schwestern ihre Gewänder ablegten und splitternackt vor dem Schrein standen, sah Lotte, dass nicht nur Angelas Arme von Schwester Adelheids Austreibungen gezeichnet waren. Beide Schwestern hatten auf ihre Art die Krankheit aus Angela getilgt.
Die Schwestern begleiteten die Kinder zum Teufelshügel unweit des Klosters, um dem Mond so nah wie möglich zu sein.
Sie alle waren aufgeregt und gespannt, die Jungen waren besonders vorlaut, aber heute wurde manche Verfehlung geflissentlich übersehen, selbst unerlaubt das Wort zu ergreifen, wurde nicht wie sonst auf der Stelle bestraft.
Auch Lotte spürte die verlockende Berührung des Mondes. Die feinen Härchen auf ihrer Haut stellten sich auf, als sein Licht auf sie fiel. Gleichzeitig fühlte sie eine unerfüllte Sehnsucht, die der Mondschein in ihr entfesselte, wie ein leises, aber dringliches Flüstern, dass da eine noch viel tiefere Wahrheit war als jene, die die Schwestern im haus zur heiligen dreieinigkeit verkündeten.
Für ein paar Momente vergaß Lotte sogar die Furcht vor der Beichte. In der aufgekratzten Stimmung fühlte sie sich stark genug, der Schwester Oberin ihre Sünden zu gestehen und eine jede Strafe zu ertragen. Strafen waren etwas Vergängliches, doch der Mond und die Gefühle, die er in ihr hervorrief, waren ewig.
Sie alle spürten seine prickelnde Macht. Einige der Kinder wälzten sich wie junge Hunde auf dem schneebedeckten Boden, andere tanzten und jauchzten, bis die Schwester Oberin sie endlich zur Ordnung rief.
»Wir alle müssen nun Asmodi, unserem Herrn, Zeugnis ablegen von unseren Verfehlungen.«
Mit diesen Worten begann zunächst die Befragung der Schwestern durch die Schwester Oberin. Wie immer waren sie rein und hatten keinerlei Schuld auf sich geladen.
Einige der Kinder beichteten hernach, unreine Gedanken gehegt zu haben, wie die Arbeit niederzulegen oder während des Unterrichts wegzuhören.
Ein Junge bekannte, den Schwestern die üppigen Speisen geneidet zu haben, ein anderer sprach davon, dass er im Traum den Wunsch verspürt habe, einen Menschen zu töten.
Sie alle kamen mit milden Strafen davon. Schwester Adelheid verpasste ihnen einige Schläge, und ein paar von ihnen mussten zwei Tage lang ohne Brot oder Haferschleim auskommen. Einem anderen Kind wurde eine glühende Nadel in die Zunge gestochen, weil es sich während der Morgenandacht beim Gebet versprochen hatte …
»Damit du nie wieder die Worte des HERRN vergisst«, sprach die Schwester Oberin. Sie strich mit der Hand ein Mal über die Opfernadel, die sogleich gleißend hell erglühte, und stieß sie in die ausgestreckte Zunge des Mädchens und segnete es mit den Worten: »Im Namen des HERRN, des Allmächtigen und Gewaltigen, dessen Kraft alles Körperliche und Geistige übertrifft, dass ihr keine Erdenmacht verglichen werden kann, nach dem Worte: Es ist keine Macht auf Erden, wie sie größer nicht existiert. Nema.«
»Nema«, antworte ihr der Chor der Kinder und Schwestern.
Als Nächstes ließ die Schwester Oberin Angela vortreten. Sie kniete nieder, den Kopf gesenkt.
»Was hast du dem HERRN zu beichten?«
Angela hob den Kopf und sagte: »Ich habe zugelassen, dass die Krankheit in meinen Körper kriecht. Er, dessen Name verflucht ist, hat sie mir geschickt.«
Die Schwester Oberin strich ihr über den Kopf. »Du bist noch unreif und auf dem Wege, mein Kind. Ein Dämon entbehrt aller körperlichen Eigenschaften, deshalb empfindet er weder Schmerz noch Krankheit, wenn er den Weg zur höchsten Vollkommenheit beschritten hat. Du wirst die Exerzitien nun strenger befolgen. Schwester Adelheid wird dich durch ein Tal der Schmerzen führen, doch am Ende wirst du Seligkeit erlangen.«
Angela lächelte ergeben, und Schwester Adelheid bekräftigte: »Sie ist bereits auf gutem Wege, Schwester Oberin.« Um ihre Worte zu untermauern, versetzte sie Angela einen besonders schmerzhaften Hieb mit der Gerte.
Angela lächelte noch immer.
Vincenz trat vor. Er war nicht mehr der Haudrauf, der er vormals gewesen war. Er warf sich vor der Schwester Oberin in den Schnee und sah sie hündisch ergeben an.
»Was hast du zu beichten?«, fragte sie lächelnd.
Gutturale Laute entrangen sich seiner Kehle.
»Ich verstehe dich sehr gut«, sagte die Schwester Oberin. »Du befürchtest, dass nicht nur dein Körper versehrt wurde, sondern auch dein Geist. Der, dessen Namen so unrein ist wie der Kot eines Hundes, vermag auf mancherlei Weise Einfluss auf uns zu gewinnen. Ist er erst in deinen Leib gefahren, so ist es ein Leichtes, auch deinen Verstand zu vergiften.«
Sie sah Schwester Gertrud an, die sogleich bestätigend nickte: »Ich sehe die Anzeichen bei ihm. Er ist der normalen Sprache nicht mehr mächtig. Es könnte sein, dass der, dessen Namen unrein ist, bereits in seinem Kopfe wütet.«
»Wir werden den Keim des Bösen mit der Nadel aus ihm vertreiben«, entschied sie. »Aber nicht heute, ich muss mich nun noch mit einer besonderen Sünderin befassen.« Lotte klopfe das Herz bis zum Hals, als die Schwester Oberin sich ihr zuwandte. »Nun, was hast du dem HERRN zu sagen?«
»Ich … ich …« Lottes Kehle war wie zugeschnürt, obschon sie selbst nicht wusste, warum. War die Beichte nicht etwas Befreiendes? War Strafe nicht etwas, das einen näher und näher zu Asmodi, dem HERRN, führte, wie die Schwester Oberin stets betonte? Warum aber konnte sie dann nicht sprechen?
»Nun, sind deine Sünden so zahlreich, dass du nicht weißt, wo du beginnen sollst?«
»Ich habe nichts zu beichten, Ehrwürdige Mutter«, log sie und wusste doch, dass sie ihre Gedanken diesmal nicht vor der Schwester Oberin verbergen konnte.
»Aber Kind, du weißt sehr wohl, dass die Lüge zwar eine Tugend ist, doch der Pfad zu ihr ist die Wahrheit. Hier, vor mir und dem HERRN, musst du Wahrheit sprechen, um die Vollkommenheit der Lüge zu erlangen.«
Es waren Worte, wie Lotte sie sehr wohl kannte, wenngleich sie sie nicht in vollem Umfang verstand. Und wieder versuchte sie, ihre Verfehlungen laut herauszuschreien, doch erneut kam nicht eine Silbe über ihre Lippen. Etwas – oder JEMAND – hinderte sie daran. War gar derjenige, dessen Name so unrein war wie der Kot eines Hundes, auch in sie gefahren?
»Deine Gedanken sagen mir, dass du mehrmals schwer gefehlt hast!«, fuhr die Schwester Oberin in strengem Ton fort. »Dein Trotz wird dich teuer zu stehen kommen. Noch bin ich mir nicht sicher, ob er aus dir selbst kommt oder die Beharrung einer Austreibung bedarf. Bis dahin werde ich dich einer zeitlichen Bestrafung unterziehen. Kommst du zur Einsicht, so wird diese sehr kurz sein. Wenn nicht …«
Sie kam nicht zur...