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E-Book

E-Book, Deutsch, 280 Seiten

Vocelka Der Bezoar

Ein Kriminalfall am Hof Rudolfs II.

E-Book, Deutsch, 280 Seiten

ISBN: 978-3-8000-9918-4
Verlag: Carl Ueberreuter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Prag am Ende des 16. Jahrhunderts: Matthias Gaiswinkler, ein junger Salinenbeamter aus Aussee, ist an den Hof Rudolfs II. gereist. Eines frühen Morgens findet er auf der Straße die Leiche eines unbekannten Mannes. Schnell steht fest: Er wurde Opfer eines Verbrechens. Vom Obersthofmeister des Kaisers mit der Lösung des Falls beauftragt, führt ihn die Spur durch die verwinkelten Gassen der Stadt bis zu den Alchemisten. Doch alle Verdächtigen hüllen sich in Schweigen.
Dann taucht ein Hinweis zu einer längst vergangenen Reise nach Konstantinopel auf: Alles hat mit dem Bezoar zu tun, einem geheimnisumwitterten, kostbaren Stein, der magische Kräfte haben soll. Bald darauf gerät auch Gaiswinkler in Gefahr und ein weiterer Mord geschieht.
In einer mitreißenden Geschichte erwecken Michaela und Karl Vocelka das historische Prag zum Leben. Die anerkannten Historiker schildern spannend, informativ und detailgetreu die Vorgänge rund um den kaiserlichen Hof und erzählen von den Menschen in einer Zeit gesellschaftlicher und politischer Umbrüche.
Klappentext
Der Kaiser nickte zustimmend. Dann wandte er sich an seine beiden Gesprächspartner, um die Unterhaltung zu beenden: "Alles, was wir an diesem Morgen hier besprochen haben, bleibt ein Geheimnis, daran erinnere ich nochmals. Es wäre wundervoll, den Bezoar samt den Schriften zu finden, doch der Weg dazu führt nicht am Mörder vorbei. Wie es scheint, ist dieser auch der Dieb des Steins. Gaiswinkler, bleib Er an der Sache dran. Wenn Unterstützung gebraucht wird, kann der Obersthofmeister über alles verfügen."
Damit wurden die zwei entlassen. Sich in einer tiefen Verbeugung nach hinten bewegend, um Seiner Majestät nicht das Hinterteil zeigen zu müssen, verließen sie den Raum.
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KAPITEL 1
Prag, im November 1594 „Welch eine Tortur!“ Christoph Praunfalk ließ sich schwer auf den Stuhl fallen und streckte die müden Beine von sich. Sofort kam einer der Diener gelaufen, um ihn von den klobigen Reisestiefeln zu befreien. Praunfalk hasste das Reisen. Das beschwerliche Reiten und auch die Fahrten in den zugigen, rumpelnden Kutschen waren allzu sehr eine Qual. Manchmal ertappte er sich bei dem Gedanken, dass die Mönche mit ihrer Stabilitas loci vielleicht nicht so unrecht hatten: Das ganze Leben an einem Ort zu verbringen, ersparte einem solche Mühen. Als frommer Protestant schüttelte er diese Gedanken aber schnell von sich ab. Auch den Wunsch, wie die Hexen fliegen zu können, der ihm während der Reise zweimal durch den Kopf gegangen war, hatte er sofort unterdrückt und schnell ein Vaterunser gesprochen. Mit solchen Dingen sollte man nicht scherzen, war doch der Teufel allgegenwärtig. Er konnte stets danach trachten, einen zu verführen und in einen erbarmungslosen Pakt zu ziehen, aus dem es kein Entrinnen gab. Selbst wenn einen die Festigkeit des Glaubens und Vertrauens in die Gnade Gottes, die Praunfalk sehr wohl besaß, gut vor diesen Anfechtungen schützte. Anfang November nach Prag an den Hof des Kaisers zu reisen, war wahrlich alles andere als ein Vergnügen gewesen. Knapp zwei Wochen hatten er und sein Begleiter Matthias Gaiswinkler für diesen Weg von Aussee aus benötigt. Bereits am steilen, schneebedeckten Pass Richtung Hallstatt, auf dem der junge Hengst, den er anstatt seiner kurz zuvor verstorbenen Lieblingsstute ritt, heftig bockte, wäre Praunfalk am liebsten umgekehrt. Lediglich mit gutem Zureden und der Hilfe seines Gefährten hatte er es schließlich doch geschafft, das widerwillige Ross zu bändigen. Danach waren sie bei stürmischem Wind nur schleppend vorangekommen, auf vertrautem Gelände entlang der Traun, über Gmunden und Wels bis Linz, wo sie die Donau überqueren wollten. Jene Strecke war bedeutend für den Salzhandel. Unweit ihres Pfades erblickten sie zahlreiche Boote und Flöße, die Salzkufen, kegelförmige hölzerne Fässer, auf dem Wasserweg bis Linz, der Landeshauptstadt von Österreich ob der Enns, transportierten. Sie waren mit gepresstem Salz aus dem Salzkammergut gefüllt. Das weiße Gold wurde anschließend in einem Salzstadel unterhalb des Linzer Schlosses gelagert, bis man es auf Wagen verladen konnte. Etliche Fuhrwerke nahmen damit den langen, mühsamen und nicht ungefährlichen Weg nach Böhmen und füllten die Straßen nach Norden. Für den österreichischen Herrscher war das Geschäft mit dem Salz ein konkurrenzloses, das ihm reichen Gewinn einbrachte. Praunfalk und Gaiswinkler kannten es als Beschäftigte der Salinenverwaltung nur allzu gut. In Linz waren die beiden einige Tage bei seinen Verwandten geblieben, vor allem, um sich auszuruhen. Nicht ungern hatten sie hier Rast gemacht. Es herrschte reges Leben in den Gassen, der Handel blühte in der Stadt, zwar etwas weniger als in den letzten Jahrzehnten, aber doch. Man sah Kaufleute aus Salzburg, aus den Reichsstädten wie Augsburg oder Nürnberg und aus anderen Teilen des Heiligen Römischen Reiches. Eine bunte Vielfalt an Waren, darunter auch kostbare aus Venedig, wurde auf den Märkten, die zu den vornehmsten des Landes zählten, angeboten. Mit zwei neuen, warmen Fellen sowie besserem Schuhwerk ausgestattet und reichlich frischem Proviant versorgt, hatten sie sich danach wieder auf den Weg Richtung Norden begeben. Auf dem Goldenen Steig, der Handelsroute, ritten sie über Freistadt nach Böhmen. Ohne weiteren längeren Aufenthalt, bloß mit wenigen Übernachtungen in Gasthöfen, von denen sich so mancher als wilde Spelunke herausstellte, waren sie dann schließlich über Budweis, Sobeslau, Tabor und Beneschau nach Prag gekommen. Hier saß Christoph Praunfalk nun im Palast der Familie Hoffmann von Grünbühel, die mit ihm über einige Ecken verwandt war, und spürte die Anstrengungen der langen Reise. Auch Matthias Gaiswinkler hatte es sich mittlerweile bequem gemacht, allerdings in einer etwas kleineren Stube des Prager Palais und ohne die Hilfe von Dienern. Als Sohn einer einfachen Familie war er daran gewöhnt. Noch einmal dachte er an den magischen Augenblick zurück, als sie die Hauptstadt Böhmens erstmals erblickt hatten. Er war mit dem Packpferd, das die Vorräte und die vielen für ihre Geschäfte notwendigen Schriftstücke und Amtsbücher trug, vorausgeritten, als die größer als vermutete Stadt plötzlich vor ihm aufgetaucht war, mit ihren unzähligen, sich im schwachen Sonnenlicht spiegelnden Türmen. Schon als Kind hatte er in der bescheidenen väterlichen Bibliothek Bilder von Prag gesehen, in einer alten, reich illustrierten Weltchronik, die nur sein Vater anfassen durfte. Oft war er damals, des Lesens noch nicht mächtig, heimlich zu dem Buch geschlichen, da ihn die bunten Holzschnitte fasziniert hatten. Wie diese Chronik wohl in den Besitz seines Vaters, eines Wirtes im Salinenort Aussee, gekommen war? Vielleicht hatte sie ein durchziehender Adeliger oder Kleriker mangels barer Münze für ein ausgiebiges Mahl und mehrere Gläser Wein in Zahlung gegeben? Sein Vater würde die Darstellung der Weltgeschichte sicherlich nicht zuletzt der vielen Abbildungen wegen genommen haben, obwohl er stolz war, lesen zu können. Die Lutherbibel und mehrere protestantische Erbauungsbücher zeigten, wie so manche Flugschrift, durch ihre deutlichen Benützungsspuren, dass er jene Kunst nicht nur beherrschte, sondern auch ausübte. Doch nicht nur diese Illustrationen aus seiner Kindheit, auch Erzählungen von der Kaiserstadt Prag, in der Seine Majestät Rudolf der Ander seines Namens seit einigen Jahren residierte, hatten Matthias Gaiswinklers Vorstellung von der Stadt geprägt. Wunderliche Dinge berichtete man von der kaiserlichen Burg auf dem Hügel Hradschin. Künstler und Gelehrte wurden von ihr angeblich angezogen wie von einem Magneten, zugleich war von seltsamen Gegenständen, die der Kaiser sammelte, und geheimnisvollen Experimenten seiner Alchemisten die Rede. Gaiswinkler fand Prag seit jeher wunderbar, noch viel schöner als die Städte Padua und Venedig, die er kannte. In Padua hatte er sogar studiert, vor fünf Jahren, auf seiner Reise nach Italien als Begleitung von Niklas Herzheimer. Dem jungen Adeligen war er aus seiner ursprünglichen Rolle als Spielgefährte so sehr Vertrauter und Freund geworden, dass ihn dessen Vater mit auf die Kavalierstour nach Italien schickte. Gemeinsam mit einem ehemaligen Theologiestudenten, mit dem sie Latein übten – einer verkrachten Existenz –, waren sie losgezogen. Sie hatten die Schätze Venedigs bestaunt und danach ein Jahr lang in Padua verbracht, dort juristische Vorlesungen an der Universität besucht und mit den vielen anderen Studierenden fruchtbare Diskussionen und durchzechte Nächte erlebt. So lange, bis Niklas Herzheimer plötzlich und unerwartet bei einem Besuch in Venedig starb. Betrübt und enttäuscht hatte Gaiswinkler, dem daraufhin kein Geld mehr zur Verfügung stand, die Heimreise antreten müssen – zurück nach Aussee, wo jeder jeden kannte und alles, was man tat, sich fast zeitgleich unter den Bewohnern verbreitete. Im Unterschied zu Padua, das einem eine gewisse Anonymität garantierte. Seine Träume vom Vollenden des Studiums und von einem größeren beruflichen Aufstieg waren dahin gewesen. Die angeeignete Bildung befähigte ihn jedoch, zumindest in der Salinenverwaltung eine Anstellung anzutreten, bei der er den schönen Titel eines Salzamtsgegenschreibers führte. In der Funktion oblag ihm die Aufgabe, die komplizierte Verrechnung des Salzamtes zu kontrollieren. Diese Beschäftigung hatte ihn auch mit dem fast gleichaltrigen Christoph Praunfalk, seines Zeichens Hallamtsverweser zu Aussee, zusammengeführt, mit dem ihn – ähnlich wie mit Niklas – bald eine freundschaftliche Beziehung verband. Eine Freundschaft, bei der allerdings nicht nur in Gesellschaft, sondern auch im privaten Rahmen der Standesunterschied deutlich sichtbar wurde. Wie eben jetzt, als er sich mühsam selbst aus seinen Stiefeln schälen musste, während sein adeliger Gefährte im Palais des Grafen Heinrich Hoffmann von Grünbühel die Diener bestimmt nur so tanzen ließ. Dennoch, Gaiswinkler fühlte sich wohl, nach der langen, ermüdenden Reise in zeitweise eisiger Kälte wieder in einem geheizten Raum zu sein. Vor ihm standen ein Teller mit Blutwurst und Brot sowie ein Krug Bier. Das späte Nachtmahl hatte ihm eine junge Magd gebracht, die Deutsch mit einem – wie er fand – lustigen Akzent sprach. Sie hieß Božena und war sehr nett anzusehen. Ihre langen blonden Zöpfe umrahmten als dick geflochtener Haarkranz ihr Gesicht, in dem sich bezaubernde Grübchen zeigten, wenn sie lächelte. Er spürte zunehmend die Müdigkeit, und so leerte er schnell den Teller als auch in wenigen Zügen den Krug mit dem herb und hopfig schmeckenden Getränk. Angenehm...


Vocelka, Michaela
Mag.a Michaela Vocelka studierte Geschichte sowie Kunstgeschichte an der Universität Wien und war langjährige wissenschaftliche Leiterin des Simon-Wiesenthal- Archivs. Sie ist Autorin mehrerer Bücher und Beiträge zur Kulturgeschichte Österreichs und auch als Kuratorin tätig.

a.o. Univ. Prof. (i.R.) Dr. Karl Vocelka, Studium und Habilitation für österreichische Geschichte an der Universität Wien, langjähriger Vorstand des Instituts für Geschichte, wissenschaftlicher Ausstellungsleiter mehrerer großer Ausstellungen, Vortragender an verschiedenen amerikanischen Programmen (Stanford, Duke, Institute of European Studies etc.) Neben einigen historischen Büchern bereits bei Ueberreuter erschienen: »Der Dozent und der Tod. Ein Universitätskrimi« (2022)

Vocelka, Karl
Mag.a Michaela Vocelka studierte Geschichte sowie Kunstgeschichte an der Universität Wien und war langjährige wissenschaftliche Leiterin des Simon-Wiesenthal- Archivs. Sie ist Autorin mehrerer Bücher und Beiträge zur Kulturgeschichte Österreichs und auch als Kuratorin tätig.

a.o. Univ. Prof. (i.R.) Dr. Karl Vocelka, Studium und Habilitation für österreichische Geschichte an der Universität Wien, langjähriger Vorstand des Instituts für Geschichte, wissenschaftlicher Ausstellungsleiter mehrerer großer Ausstellungen, Vortragender an verschiedenen amerikanischen Programmen (Stanford, Duke, Institute of European Studies etc.) Neben einigen historischen Büchern bereits bei Ueberreuter erschienen: »Der Dozent und der Tod. Ein Universitätskrimi« (2022)

Mag.a Michaela Vocelka studierte Geschichte sowie Kunstgeschichte an der Universität Wien und war langjährige wissenschaftliche Leiterin des Simon-Wiesenthal- Archivs. Sie ist Autorin mehrerer Bücher und Beiträge zur Kulturgeschichte Österreichs und auch als Kuratorin tätig.
a.o. Univ. Prof. (i.R.) Dr. Karl Vocelka, Studium und Habilitation für österreichische Geschichte an der Universität Wien, langjähriger Vorstand des Instituts für Geschichte, wissenschaftlicher Ausstellungsleiter mehrerer großer Ausstellungen, Vortragender an verschiedenen amerikanischen Programmen (Stanford, Duke, Institute of European Studies etc.)


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