Versöhnung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 12025, 112 Seiten

Reihe: Theologisch-praktische Quartalschrift

Versöhnung

Theologisch-praktische Quartalschrift 1/2025

E-Book, Deutsch, Band 12025, 112 Seiten

Reihe: Theologisch-praktische Quartalschrift

ISBN: 978-3-7917-6266-1
Verlag: Pustet, F
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zu den größten Bedrohungen des Zusammenlebens gehören Streit, Verletzungen und Feindschaft: Unversöhnt sind sie Keimzellen immer neuer Konflikte. Heft 1/2025 fragt nach Bedeutungen von Versöhnung im Kontext christlicher Theologie und zeigt im interdisziplinären Zuschnitt, wie entscheidend Bereitschaft und Fähigkeit zur Versöhnung in psychischer, sozialer und pädagogischer Hinsicht sind. Die Liebesmacht Gottes scheint dabei als eine zentrale Quelle menschlichen Vergebens und Verzeihens auf – und als Schlüssel für ein gelingendes Miteinander.
Versöhnung jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Monika Renz Heilwerden über Versöhnung, Vergebung und neue Gotteserfahrung
Religionspsychologische und therapeutische Aspekte
Versöhnung und Vergebung sind Beziehungsgeschehen, die Beziehungen zu sich selbst, zum Anderen und zum Ewigen Du umfassen. Ausgehend von ihren Erfahrungen als Musik- und Psychotherapeutin legt Monika Renz dar, dass Versöhnung und Vergebung auf diesen drei Ebenen Wirkung entfaltet. Ihre therapeutisch-spirituelle Arbeit mit Schwerkranken und Sterbenden verweist über die Versöhnung und Vergebung hinaus auf die Bedeutung des „Heilwerdens von Grund auf“, das in der Gotteserfahrung wurzelt. (Redaktion) Was ist mit Versöhnung, was mit Vergebung gemeint?
Nichts greift so tief wie Vergebung und Versöhnung Fast über Nacht ist Versöhnung zu einem Wort der Stunde geworden – Israel, Ukraine, Afrika, aber auch Versöhnung mit der Natur, Versöhnung innerhalb der Kirchen … Und gleichzeitig machen wir Tag um Tag die Erfahrung, wie schwer – eigentlich unmöglich – es ist, sich nur schon im Alltag ernsthaft auf Vergebung und Versöhnung einzulassen. „Ich bin doch im Recht“; „Ich habe doch das Recht auf dieses oder jenes“, womit gleichzeitig der Andere zum Sündenbock gemacht wird. Vor allem aber haben wir unsere eingespielten Verhaltensmuster des Verdrängens oder Vertagens und werden darin noch bestärkt von einem Zeitgeist egozentrischer Selbstverwirklichung. Häufig stellen sich Menschen erst in einer Lebenskrise, im Zusammenhang mit einer großen Veränderung, etwa einer Scheidung, einer Kündigung, beim Eintritt in eine neue Lebensphase oder dergleichen, ernsthaft die Frage, wo eine Versöhnung oder eine Vergebung anstehe. Sie möchten damit offen werden auf eine neue Zukunft hin. Und selbst dann wird das Thema oft nicht ernsthaft genug angegangen. „Du musst halt loslassen“, wird uns auf die Schnelle geraten. Oder man bringt ein „Tut mir leid“ über die Lippen und meint, das Thema sei damit erledigt, was aber so in bedrohlich schwerer Krankheit oder im Sterben oft nicht geht. Das war und ist für mich der Ort, wo ich in meiner psychotherapeutischen und spirituellen Arbeit mit schwerkranken und sterbenden Patient:innen an einem Schweizer Zentrumsspital viel zum Thema Versöhnung und Vergebung lernte und immer noch lerne. Versöhnung ist ein Beziehungsgeschehen zwischen zwei Parteien mit zweierlei Wegen, mit – wenn man so will – Opfer- und Täteranteilen. Etymologisch betrachtet, kommt das Wort Versöhnung vom mittelhochdeutschen versüenen, das zum Stammwort Sühne gehört. Es geht um die Wiederherstellung friedlicher Ordnungsverhältnisse. Versöhnung betont Reue, Sühne und das Moment der Wandlung. Vergebung verweist schon vom Wort her auf eine Gabe; sie kann einseitig sein und sich leise, innerseelisch abspielen. Vergebung ist das bedingungslose Ja und befähigt zugleich dazu. Sie überfordert von Grund auf, weshalb man sich zur Vergebung oft richtiggehend durchringen und entscheiden muss – immer und immer wieder. Und zugleich geht es darum, sich auch selbst Mal um Mal von der Gabe, der Gnade – einer inneren Quelle oder einer von außen kommenden Hilfe, vom sogenannten Dritten – beschenken zu lassen. Was kommt zuerst – Versöhnung oder Vergebung? Streng genommen wäre Versöhnung jener Läuterungsprozess im Täter, in der Täterin, der bewirkt, dass das Opfer vergeben kann. Doch im Alltag lassen sich Opfer- und Täterposition oft nicht eindeutig trennen und es verhält sich meist umgekehrt: Zuerst werden Verletzungen in Großmut – nach viel Seelenarbeit, im Beisein einer Drittperson als Zeuge oder unter Anrufung von Gott, dem Göttlichen – vergeben, und dann kann das Gegenüber (vielleicht zeitverzögert, unter Umständen erst nach dem Tod des Opfers) seine Schuld näher anschauen. Der:die Vergebende wird aber durch sein:ihr Vergeben jetzt schon frei – erlöst – und muss doch gleichzeitig (im Falle von Gewalt oder sonstigen schlimmsten Verletzungen) mit vielen Folgeerscheinungen weiterhin leben, doch das müsste er:sie ohnehin. Mit der Vergebung lebt es sich anders. Mit den Worten von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz gesprochen, ist Vergebung jene einseitige Vorgabe, die den neuen Anfang schafft.1 Im kulturell-religiösen Kontext gesehen Nicht minder wichtig als das spontane Verstehen der Worte ist ihr tieferes Begreifen von ihrem kulturellen und religiösen Hintergrund her.2 In der abendländischen Geschichte und Religionsgeschichte sind Versöhnung und Vergebung eine uralt bewährte Praxis seelischer Befreiung, ungeachtet dessen, dass sie über Jahrhunderte auch moralisierend missbraucht wurden. Das Denken in der Kategorie von Schuld und Versöhnung/Vergebung verweist in die jüdisch-christliche Tradition. Hier gab Versöhnung den Weg vor zur Vergebung durch Gott. Die ursprüngliche Verbundenheit zwischen Gott und Mensch, welche im Laufe der Evolution und menschlichen Subjektwerdung3 irgendwann unterbrochen wurde, musste wiederhergestellt werden (siehe das englische Wort atonement – „make at one“ – im Unterschied zu reconciliation). In anderen, nichtbiblischen Religionen gibt es die Begriffe Versöhnung und Vergebung zumindest in diesem ursprünglichen kategorialen Sinne nicht, auch wenn dort die Frage nach einer Wiederherstellung der kosmischen Ordnung auf ihre Weise eine Rolle spielt. In jüngerer Zeit ist auch bei uns die Vorstellung eines vergebenden und aktiv die Versöhnung initiierenden Gottes zunehmend verdunstet. Menschen- und Gottesbilder wandelten sich, und so auch die Bedeutung von Versöhnung. Diese wurde zu einem humanistischen Anliegen. Ich denke hier etwa an die Wahrheitskommission in Südafrika oder an die Aufarbeitung der Holocaustverbrechen in Deutschland. Und sie wurde konkret in der Therapie und in der politischen und spirituell orientierten Friedensarbeit. Spirituelle Wege zur Versöhnung und verschiedene Therapiekonzepte wurden entwickelt.4 Versöhnung und Vergebung sind Kulturphänomene. Rein biologisch lassen sie sich nicht einholen, aber auch nicht einfach nur vernunftmäßig realisieren. Sie setzen eine neue Bereitschaft, offen zu werden und (tiefer) zu fühlen, und sodann eine gewisse Bewusstheit, Persönlichkeitsstärke und Willenskraft voraus. So werden Versöhnung und Vergebung zu Meilensteinen auf Wegen menschlicher Selbstwerdung und Reifung. Sie haben zu tun mit Demut, Selbsterkenntnis und Relativierung im Ego, was natürlich bei Sterbenden anders geschieht als mitten im Leben. Und doch möchte ich als langjährige Sterbebegleiterin vielen Sterbenden ein tieferes „Wollen“ von Versöhnung und Vergebung auch inmitten ihrer weitreichenden geistigen Abwesenheit zusprechen. Versöhnung: mit wem und worin?
Mit mir, mit Dir, mit dem Ewigen Unversöhntheit ist ein Beziehungsproblem. Der Arzt und Psychiater Konrad Stauss spricht in seinem Buch „Die heilende Kraft der Vergebung“5 von drei Ebenen der Versöhnung: 1) in der Beziehung zu sich selbst; 2) in der Beziehung zum Anderen; 3) in der Beziehung zum Ewigen Du. Er betont, dass die drei Dimensionen untrennbar miteinander verbunden seien. Und dass die Beschädigung einer Dimension immer auch die Beschädigung der anderen Dimensionen zur Folge habe. Beispielsweise wenn ein Mensch im Unfrieden mit einem andern für ihn wichtigen Menschen stehe, dann werde daraus auch eine Störung in ihm selbst. Oder: Wenn ein Mensch mit sich selbst nicht im Reinen sei, so sei er es auch nicht mit dem Schicksal, mit Gott. Immer darbe der Mensch als ein Ganzer und bis hinein in seine Seelentiefe. In meinen Worten gesprochen gibt es nur die Alternative: bezogen versus abgekapselt, es fließt oder es fließt nicht – in jedem Moment wieder neu. Die Vergebungs- und Versöhnungsarbeit hat nach Stauss die Aufgabe, die drei beschädigten Grundbeziehungen zu heilen. Ansonsten laufe der Mensch Gefahr, dem Leben und den Anderen mit grundsätzlichem Misstrauen zu begegnen.6 Was Stauss fordert, ist keine religiöse Vollkommenheit, sondern dass wir uns unseres Schattens bewusstwerden und ihn akzeptieren und, soweit es Mal um Mal geht, integrieren.7 Stauss geht vom Bild des Menschen aus, der nicht nur (darwinistisch gedacht) über Siegen und Stärker-Sein vorankommt, sondern der auch am Du geworden8 und also ein von Grund auf Bezogener ist. Versöhnung und Vergebung sind nach Stauss mehr als bloße Konfliktbereinigung, sondern Schlüssel zu einem andern – verbundenen – Daseinsmodus, einer anderen Energie, Türöffner zu einem Gefühl des Bezogen-Seins schlechthin. Auch meine Erfahrungen legen mir nahe, dass Versöhnung und Vergebung Wirkung in allen drei Ebenen zeitigen. Menschen werden neu lebendig, neu liebesfähig – rundum. Sie machen den Menschen auf Gnade hin...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.