Vennemann Maddrax - Folge 375
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8387-5739-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Memorial Day
E-Book, Deutsch, Band 375, 64 Seiten
Reihe: Maddrax
ISBN: 978-3-8387-5739-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Schwarzen Philosophen hatten gute Gründe, den Hass Jacob Smythes auf Matthew Drax zu unterdrücken - er macht ihn unberechenbar. Doch sie haben nicht mit Smythes unbändigem Willen gerechnet, der die Programmierung durchbrochen hat. Nun ist die Übernahme Waashtons in Gefahr. Und das nicht nur, weil sich ihr Statthalter in spe zu einer eigenständigen Persönlichkeit entwickelt - sondern auch, weil Matt Drax und Aruula einen Weg gefunden haben, im Machtkampf mitzumischen. Waashton wird zu einem Pulverfass, und ein Funke genügt, um es zur Explosion zu bringen ...
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Deswegen war er hier unten, im stillgelegten Tunnel der Untergrundbahn SUBWAY 2, die die Ruine des Weißen Hauses mit dem Pentagon verband, dem neuen Zentrum der Machthaber von Waashton. Die Strecke hatte man vor zwei Jahren, nach der Machtübernahme Crows, aufgegeben und versiegelt. Für Dirty Buck fühlte es sich an, als wäre es erst gestern gewesen. Die Jellos hatten die Stadt überfallen und den Bürgern kaum eine Chance zur Gegenwehr gelassen. Crow, der sich eines Androidenkörpers in Gestalt eines legendären japanischen Generals bediente, hatte schon fast zu leichtes Spiel gehabt. Aber mit einer solch perfiden Attacke hatte damals auch niemand gerechnet. Alles, was danach kam – die Flucht aus der Stadt, die Rettungsaktion seiner Freunde, die ihn aus dem Umerziehungslager befreiten, der Tod Marisars – das alles war für ihn eins. Gefolgt von Zeiten weiterer Verfolgung und Trauer, immer in der Angst, den nächsten Tag nicht mehr zu erleben. In den letzten zwei Jahren hatte er ein unruhiges Leben geführt. Es war zu ertragen gewesen, als sie noch zu viert unterwegs gewesen waren. Aber die Zeiten hatten sich geändert, und die Zeit war es auch, die ihn zurückgelassen hatte. Von da ab kannte er nur noch ein Ziel: Diejenigen, die ihm das angetan hatten, mussten sterben. Oberirdisch war das Pentagon zu gut gesichert. Crows Elitekämpfer, die Schatten, schienen nie zu ermüden und kaum Schmerzen zu kennen, ähnelten mehr ihrem androiden Herrn als echten Menschen. Bei der Untersuchung einiger Leichen hatte man den Grund für diese Ausdauer und Resistenz entdeckt: In ihren Gehirnen steckten Mikrochips, die direkt mit ihrem Metabolismus interagierten. Mr. Black vermutete Angelica Ironside dahinter, Crows rechte Hand. Die Wissenschaftlerin hatte offenbar schon in El’ay Experimente am lebenden Objekt durchgeführt und war entsprechend unbeliebt. Aber Crow im künstlichen Körper General Fudohs, den die Jellos geradezu anbeteten, hatte sie unter seinen persönlichen Schutz gestellt. Niemand wagte es, der „Iron Lady“ zu nahe zu treten. Zusammen mit Crow verschanzte sie sich seit zwei Jahren im Pentagon. Das Gebäude glich einer Festung, aber dann hatte sich Dirty Buck an diesen unterirdischen Tunnel erinnert. Es hatte ihn viel Zeit und Mühe gekostet, die Siegel und Sperren zu überwinden, doch endlich war der Weg hinüber zum Pentagon auf der anderen Seite des Potomac Rivers frei. Der Schacht beschrieb eine leichte Rechtskurve. Buck hielt die Fackel höher, damit sie ihn nicht zu sehr blendete. Etwa drei Mannlängen über ihm zeichnete sich die halbrunde Decke aus Beton ab. Der Tunnel wirkte fast aufgeräumt im Vergleich zu anderen unterirdischen Gängen oder gar der Kanalisation der Stadt. Bis vor zwei Jahren waren hier noch regelmäßig Züge zwischen dem Weißen Haus und dem Pentagon hin und her gefahren. Doch während der Kämpfe um Waashton hatte es das Weiße Haus schwer erwischt. Einige Teile des ehemaligen Präsidentensitzes waren abgebrannt, das Gebäude war unbewohnbar und aufgegeben worden. Crow hatte wohl entschieden, dass man damit auch die SUBWAY 2-Linie nicht mehr benötigte. Das war Bucks Glück – und, wenn alles glatt lief, seine Eintrittskarte ins Pentagon. Mit der freien Hand betastete er die runden, knapp unterarmlangen Stangen, die in einer der großen Taschen seines Mantels steckten. Welche Sprengkraft sie besaßen, davon zeugte die Ruine der St. Patricks Church, von der wenig mehr übrig geblieben war als die Grundmauern. Bis zu Crows Machtübernahme waren dort die Rev’rends zuhause gewesen, eine Gruppe von ultrareligiösen Kämpfern, die im Namen des HERRN durch die Lande zogen, um die Ungläubigen zurück auf den Pfad der Tugend zu treiben. In Waashton waren sie nur noch eine kleine Gemeinschaft gewesen, die sich Crow aber nicht kampflos ergeben hatte. Mit Dynamit hatten sie ihr Hauptquartier in die Luft gesprengt, die wenigen Überlebenden ihres Ordens hatten die Stadt verlassen. Yanna Hitking hatte sich ihnen angeschlossen. Die Ratzen verlassen das sinkende Boot, erinnerte sich Dirty Buck an ein altes Sprichwort. Nie kam es ihm passender vor als in diesen Zeiten. Tod und Flucht, mehr war ihnen nicht geblieben. Und er war es leid zu flüchten. Knapp zwanzig Monde war es jetzt her … jener dunkle Tag, an dem seine Odyssee begann. Trashcan Kid, Loola, Mr. Black und er waren bei Louis Stock und seiner Frau untergekommen, in einem Haus am Fuße des Appalachen-Gebirges. Nach der Zerstörung der Buckfield-Ranch war dies einer der wichtigsten Stützpunkte des noch jungen Widerstands geworden. Leider war Crow dies nicht verborgen geblieben. Im Morgengrauen hatten die Schatten angegriffen, und während Buck und dem Rest die Flucht gelang, kam für die Stocks jede Hilfe zu spät. Sie hatten ihr Hab und Gut und natürlich ihr Leben so teuer wie möglich verkauft, aber die Jello-Truppen waren zu zahlreich gewesen. Entsetzt hatten die Trashcan Kids aus der Ferne mit ansehen müssen, wie Miki Takeo sie vor ihrem Haus hingerichtet hatte. Eine demonstrative Geste, die für alle bestimmt war, die sich gegen Crow zu Wehr setzten. Und es hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Monatelang waren sie durch die Wälder geflüchtet, immer auf der Hut vor Patrouillen, keine Nacht an derselben Stelle. Crow ließ sie verfolgen, schien mit ihnen zu spielen. Manchmal hatte Buck das Gefühl, man ließe sie absichtlich entkommen, um sie zu zermürben. Dann verließen Trashcan Kid und Loola sie. Sie zogen nach Westen, in der Hoffnung, ein ruhiges Leben führen zu können und nicht zurückblicken zu müssen. Loola war schwanger. Sie wollte ihr Kind nicht unter dem Diktat eines herrschsüchtigen Androiden aufziehen, und Kid wollte ein guter Vater werden – etwas, das sein eigener Erzeuger nie gewesen war. So sehr Buck es verstand, so schmerzte es ihn doch, dass die Freunde ihn verließen. Er konnte nicht weg, nicht nach dem, was mit Marisar passiert war. Also blieben Mr. Black und er. Doch eines Morgens wachte Buck auf und das Lager neben ihm war verlassen. Der Gründer der Running Men war unauffindbar gewesen. Buck hatte Tage damit zugebracht, seine Fährte zu verfolgen, aber er verlor sie schließlich. Von da an gab es nur noch ihn. Buck hatte versucht, andere alte Bekannte zu finden. Percival Roots. Joseph Rainmaker. Er war nach Waashton zurückgekehrt und hatte die alten Verstecke und Treffpunkte aufgesucht. Aber niemand war mehr dort. Entweder waren sie im Kampf gefallen oder hatten sich außerhalb der Stadt in Sicherheit gebracht – wo, das wusste niemand. Buck war allein. Seine Verzweiflung, die explosiven Nobelstangen, die er in der Ruine der Rev’rends gefunden hatte, und der unterirdische Zugang zum Pentagon waren also die letzte Möglichkeit, etwas Sinnvolles mit seinem Leben anzufangen. Buck machte sich nichts vor – ihm war klar, dass die ehemalige U-Bahn-Linie auf der Seite des Pentagons irgendwie gesichert sein würde. Aber damit würde er sich befassen, wenn es so weit war. Entschlossen schlich Buck weiter. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren, seit er den Tunnel betreten hatte. Das leise Geräusch von Wassertropfen, die von der Decke in Pfützen fielen, brach sich vielfach an den halbrunden Tunnelwänden. Seine Schritte im Kiesbett der Gleise und sein unruhiger Atem waren die einzigen anderen Laute, die er wahrnahm. Buck schüttelte unwillig den Kopf. Er fühlte sich, als hätte man ihn in Decken gepackt. Das Gehen fiel ihm zunehmend schwerer und er war müde. Der Druck auf seinen Ohren nahm zu und er spürte die Last des Erdreichs über sich. Er war nicht so weit, es eine Panikattacke zu nennen, aber dass hier unten seine Sinne so eingeschränkt wurden, belastete ihn zusätzlich. Die ganze Grübelei, die Traurigkeit … Er schloss die Augen und stellte sich Marisars Gesicht vor. Vielmehr versuchte er es, aber es wollte ihm einfach nicht gelingen, ihr fröhlich lachendes Antlitz vor sein inneres Auge zu bekommen. Stattdessen erinnerte er sich an ihre schmerzverzerrte Fratze, als sie direkt vor ihm gestorben war. Tränen verschleierten Bucks Sicht, als er die Lider wieder hob. Weiter!, ermahnte er sich. Tu ihnen weh, wenn du kannst! Er beschleunigte seine Schritte, erreichte eine lang gezogene Tunnelpassage, in der die Gleise sich schließlich aufspalteten und in zwei parallel verlaufenden Strecken weiterliefen. Ich bin bald da, erkannte Buck. Er rannte jetzt fast, den Blick fest nach vorne gerichtet. Die Fackel in seiner Hand blakte protestierend im Zugwind. Als plötzlich alles weiß wurde, schien es Buck, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Mit einem Aufschrei ließ er die Fackel fallen und riss die Hände vor die Augen. Das Licht blendete ihn schmerzhaft und er wäre beinahe vornüber gestürzt. Im letzten Moment fing er sich und kam keuchend zum Stehen. Noch hielt Buck die Augen geschlossen, aber selbst durch die Lider hindurch erkannte er die grellen Scheinwerfer, die auf ihn gerichtet waren. Noch bevor er es wagte zu blinzeln, begann die Sirene zu heulen. Aus verborgenen Lautsprechern erklang eine neutrale Stimme, die ähnlich blechern und künstlich klang wie die Takeos: „Achtung, Sperrzone! Verlassen Sie umgehend dieses Areal! Bei Zuwiderhandlungen wird scharf geschossen! Achtung, Sperrzone! Verlassen Sie umgehend …“ Das Areal war also gesichert. Keine Überraschung für Dirty Buck. Unschlüssig stand er mitten im Tunnel zwischen den Schienen und überlegte, was er nun tun sollte. Ein paar Sekunden später hatten sich seine Augen an die veränderten...