E-Book, Deutsch, 274 Seiten
Reihe: Haufe Fachbuch
Ulbricht / Brajovic / Duhme Praxishandbuch KI und Recht
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-648-17702-0
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Rechtliche Aspekte beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz – inkl. der neuen KI-Verordnung der EU. Lösungen für grundlegende AI-Rechtsfragen: ob Datenschutz, Haftung oder Urheberrecht.
E-Book, Deutsch, 274 Seiten
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-17702-0
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Carsten Ulbricht ist Rechtsanwalt bei der Stuttgarter Kanzlei Menold Bezler mit den Schwerpunkten Internet- und IT-Recht sowie Datenschutz. Er berät nationale und internationale Mandanten in allen Rechtsfragen des E- und Mobile Commerce, Big Data sowie zu allen Themen im Bereich Social Media. Seine Schwerpunkte liegen dabei auf der rechtlichen Prüfung internetbasierter Geschäftsmodelle, der Digitalisierung von Prozessen und Produkten und datenschutzrechtlichen Themen. Neben seiner Referententätigkeit betreibt er den Blog rechtzweinull.de mit Themen zu Internet, Social Media & Recht.
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1.2 Die wichtigsten Begriffe im Zusammenhang mit KI
Nachfolgend werden für das allgemeine KI-Verständnis die wichtigsten Begriffe in diesem Themenfeld erläutert.
1.2.1 Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz ist ein Überbegriff, der eine große Menge an Methoden und Konzepten beinhaltet, für die es in den Naturwissenschaften und der Informatik bislang keine einheitlich anerkannte Definition gibt. Von »der« KI lässt sich daher nicht wirklich sprechen. Auch ist die Grenze zwischen »schon KI« und »noch (herkömmlicher) Software« umstritten und nicht einfach zu ziehen. Als die Europäische Union den Vorsatz fasste, ein Gesetz zur Regulierung von KI (siehe hierzu Kap. 5) zu schaffen, stand sie daher vor der Hürde, dass sie nicht auf eine bestehende Definition zurückgreifen konnte, sondern gezwungen war, eine eigene zu schaffen. In einem ersten Entwurfsvorschlag2 schlug die EU-Kommission vor, KI anhand von bestimmten Algorithmen und mathematischen Prozessen zu beschreiben, was jedoch zu heftiger Kritik führte. So sah die EU-Kommission ein Programm, das sich »statistischer Methoden« bediente, bereits als KI an.3 Unter statistische Methoden können jedoch auch einfache Berechnungen fallen, die von einer Vielzahl herkömmlicher Softwareprogramme ausgeführt werden. Für den finalen Gesetzestext wurde sich letztendlich stark an der Definition der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) orientiert, die (aus dem Englischen übersetzt) lautet: »Ein KI-System ist ein maschinengestütztes System, das für explizite oder implizite Ziele aus den empfangenen Eingaben ableitet, wie es Ergebnisse, wie Vorhersagen, Inhalte, Empfehlungen oder Entscheidungen, erzeugen kann, die physische oder virtuelle Umgebungen beeinflussen können. Verschiedene KI-Systeme unterscheiden sich in ihrem Grad an Autonomie und Anpassungsfähigkeit nach dem Einsatz.«4
Trotz der bestehenden Differenzen in Bezug auf eine KI-Definition, besteht weitgehende Einigkeit darin, dass es sich bei KI um Computersysteme handelt, die menschenähnliche Intelligenz nachahmen. Eine Definition auf der Website des Europäischen Parlaments beschreibt KI daher als »die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren«.5 Die Schwierigkeit liegt jedoch auch bei einem solchen KI-Verständnis zumindest in der Klärung, was überhaupt unter »Menschenähnlichkeit« zu verstehen ist oder was man unter den Begriff der »Intelligenz« fassen möchte. Während man bei ChatGPT durchaus von einem »intelligenten« System mit »menschlicher« Sprachfähigkeit sprechen dürfte, werfen andere Programme diesbezüglich Abgrenzungsfragen auf: Ist ein Schachcomputer bereits eine KI? Oder der Netflix-Algorithmus, der seinen Nutzern intelligente Filmvorschläge macht? Oder eine automatische Gesichtserkennung zum Entsperren des Smartphones? Was »schon« oder »noch nicht« KI ist, bleibt daher zum Teil der eigenen Interpretation überlassen und hat in der Praxis eine geradezu inflationäre Verwendung des Begriffs – nicht zuletzt auch zu Marketingzwecken – zur Folge. Fest steht allerdings, dass heutige KI-Systeme weit davon entfernt sind, »intelligent« nach menschlichen Maßstäben zu sein. Intelligenz erfordert tiefes Modellwissen über die Zusammenhänge der Welt und die Möglichkeit, diese Modelle geeignet zu verknüpfen, um eine Aufgabe zu lösen – eine Fähigkeit, die KI-Systemen derzeit noch fehlt.
1.2.2 Maschinelles Lernen
Das maschinelle Lernen (kurz auch als »ML« bezeichnet) stellt in der KI-Forschung eine Schlüsselkomponente dar, die es einer KI ermöglicht, aus Daten zu lernen und intelligente Entscheidungen zu treffen, ohne dass sie explizit hierauf programmiert werden muss. Vereinfacht ausgedrückt liegt dem maschinellen Lernen der Gedanke zugrunde, einem KI-System beizubringen, wie es »denken« muss. Zu den prominenten auf der Methode des maschinellen Lernens basierenden Beispielen zählen Entwicklungen wie ChatGPT oder Midjourney, die in jüngerer Vergangenheit große mediale Aufmerksamkeit erlangt haben.
1.2.2.1 Training
Der Prozess des Lernens im maschinellen Lernen wird als Training bezeichnet. Während des Trainings wird die KI mit einer Fülle von Trainingsdaten konfrontiert, die als Grundlage für ihr Lernen dienen. Diese Daten können z.?B. Bilder, Texte oder andere Arten von Informationen sein, je nachdem, welche Art von Aufgabe sie lernen soll. Die »fertig trainierte« KI wird dann als »KI-Modell« bezeichnet. Insgesamt unterscheidet man drei verschiedene Arten des Lernens:
1.2.2.1.1 Überwachtes Lernen (Supervised Learning)
Beim überwachten Lernen, auch Supervised Learning genannt, wird die KI anhand von Daten trainiert, die bereits mit korrekten Antworten (»Labels«) versehen sind (d.?h., die Daten sind annotiert). Diese Art des Lernens ähnelt der Unterweisung durch einen Lehrer, der erklärt, wie bestimmte Aufgaben zu lösen sind. Für die Trainingsdaten bedeutet das, dass sie mit entsprechenden Labels versehen sein müssen, die das gewünschte Ergebnis angeben. Ein KI-Modell, das beispielsweise Hunde und Katzen unterscheiden soll, benötigt somit Trainingsbilder, die ebenfalls die Information enthalten, ob auf dem Bild ein Hund oder eine Katze zu sehen ist.
1.2.2.1.2 Unüberwachtes Lernen (Unsupervised Learning)
Beim unüberwachten Lernen, auch Unsupervised Learning genannt, erhält das KI-Modell keine expliziten Handlungsanweisungen zu den Daten – die Trainingsdaten sind also nicht mit Labels versehen, die Auskunft darüber geben, welches Ergebnis zu welchem Datum gehört. Die Aufgabe der KI besteht darin, selbstständig Strukturen, Muster oder Gruppierungen in den Daten zu entdecken und hieraus zu lernen. Anknüpfend an das obige Beispiel würde die KI bei diesem Lernprozess einen Datensatz mit Bildern von Hunden und Katzen erhalten, ohne zu wissen, welches Bild einen Hund und welches eine Katze zeigt. Die KI muss sodann selbst anhand von Mustern – z.?B. der Gesichtsform, den Ohren, der Größe usw. – zu einem eigenen Ergebnis gelangen.
1.2.2.1.3 Bestärkendes Lernen (Reinforcement Learning)
Das bestärkende Lernen, auch Reinforcement Learning genannt, folgt dem Prinzip von »Trial and Error« und umfasst somit ein Lernen ohne Handlungsanweisungen, dafür aber mit einem Belohnungssystem. Dem KI-System wird ein bestimmtes Ziel vorgegeben, jedoch ohne konkrete Anleitung, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Ein klassisches Anwendungsfeld für Reinforcement Learning ist die Robotik: Ein Roboter kann beispielsweise die Aufgabe erhalten, einen Gegenstand aus einer Kiste zu entnehmen und an einem vorgegebenen Ort abzulegen. Anstatt dem Roboter den genauen Vorgehensprozess vorzugeben – Öffnen der Hand, Zugreifen, Herausnehmen usw. –, lernt der Roboter durch eigene Versuche und erhält eine Belohnung für jedes Mal, wenn er das Ziel erreicht.
1.2.2.2 Generalisierung
Das Ziel beim Training einer KI im Rahmen des maschinellen Lernens ist die Entwicklung eines Modells, das »generalisieren« kann. Das bedeutet, dass das Modell allgemeingültige Regeln und Muster ableiten kann und in der Lage ist, auch mit unbekannten Daten zu arbeiten. Wenn also die KI im Rahmen ihres Trainings mit 500 Bildern von Hunden und Katzen trainiert wurde, soll sie als fertig trainiertes Modell nicht nur diese 500 Bilder aus ihrem Trainingsprozess richtig zuordnen können, sondern auch gänzlich unbekannte Hunde- und Katzenbilder. Um zu überprüfen, ob die Fähigkeit zur Generalisierung vorliegt, wird das KI-Modell mit einem separaten Testdatensatz, der aus für die KI unbekannten Daten besteht, überprüft. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, die Leistungs- und Generalisierungsfähigkeit des finalen KI-Modells objektiv zu beurteilen.
1.2.2.3 Over- und Underfitting
Im Rahmen des Trainingsprozesses kann es unerwünschterweise passieren, dass das KI-System seine Trainingsdaten »auswendig« lernt, anstatt wie gewünscht allgemeine Muster zu erkennen. Man spricht vom sogenannten »Overfitting«. Das System kann in diesem Fall zwar auf seinen Trainingsdaten sehr gute Leistungen erzielen, neue Daten aber nur schlecht korrekt zuordnen. Die KI, die mit 500 Bildern von Hunden und Katzen trainiert wurde, kann dann alle diese Bilder nahezu fehlerlos der Kategorie »Hund« oder »Katze« zuordnen, macht aber bei neuen Hunde- und Katzenbildern außerhalb dieser 500 Daten viele Fehler.
Das gewissermaßen gegenteilige Problem entsteht, wenn das KI-System nicht leistungsfähig genug ist, um die bestehenden Zusammenhänge und Regeln aus seinen Trainingsdaten zu erfassen (sogenanntes »Underfitting«). In diesem Fall wäre das KI-System nicht einmal in der Lage, Regeln aus seinen 500 Trainingsbildern abzuleiten und hier überhaupt Hunde oder Katzen zu erkennen.
1.2.2.4 Entscheidungsbäume und Regelbasierte Systeme
Entscheidungsbäume zählen zu den einfachsten und am weitesten verbreiteten Algorithmen des maschinellen Lernens. Sie extrahieren eine Sammlung von Entscheidungsregeln aus einem vorhandenen Datensatz, welche dann verwendet werden können, um Aussagen über neue, unbekannte Daten zu treffen. Die...