E-Book, Deutsch, Band 5, 300 Seiten
Domänenkompetenz als redaktioneller Erfolgsfaktor
E-Book, Deutsch, Band 5, 300 Seiten
Reihe: Schriften zur Rettung des öffentlichen Diskurses
ISBN: 978-3-86962-659-8
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Deep Journalism ist der Gegenpol: Redaktionelle Experten-Teams gehen in die Tiefe, die Sach- und Domänenkompetenz der Redaktionen wird mit Vertikalisierung und neuen Produkten (Rebundling) gestärkt. Im vorliegenden Buch wird gezeigt, in welchen Bereichen das inzwischen erprobte Konzept, zahlungsbereite, hochspezialisierte Zielgruppen und Entscheider mit verlässlich recherchierten Newslettern in ihrer jeweiligen Domäne zu versorgen und gleichzeitig einen Teil der Erkenntnisse mithilfe der breitstreuenden Medien in den öffentlichen Diskurs einzubringen, Erfolg versprechend ist. Die Herausgeber und zahlreiche Medienexperten sowie Journalisten steuern hierfür ihre Erkenntnisse und Erfahrungen bei.
BEITRÄGE VON UND INTERVIEWS MIT …
… Sigrun Albert, Thomas Baekdal, Axel Bojanowski, Alexandra Borchardt, Stefan Braun, Christopher Buschow, Wolfgang Büchner, Rainer Esser, Benjamin Fredrich, Alfons Frese, Gerd Gigerenzer, Christoph Hardt, Doris Helmberger-Fleckl, Carl Graf Hohenthal, Stefan Hunglinger, Christoph Keese, Berthold Kohler, Irina Lock, Henriette Löwisch, Lorenz Maroldt, Annette Milz, Serafin Reiber, Stefan Reker, Andrea Römmele, Katja Schupp, Antje Sirleschtov, Markus Spillmann, Gabor Steingart, Frank Überall, Anke Vehmaier und Kurt W. Zimmermann.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Medien- und Kommunikationswissenschaften Medienwissenschaften Medienphilosophie, Medienethik, Medienrecht
- Sozialwissenschaften Medien- und Kommunikationswissenschaften Medienwissenschaften Journalismus & Presse
- Sozialwissenschaften Medien- und Kommunikationswissenschaften Medienwissenschaften Medientheorie, Medienanalyse
Weitere Infos & Material
Vorwort
Das Neue am Deep Journalism: Wie er wieder möglicher wird
Teil 1: Einführung
Stephan Russ-Mohl, Sebastian Turner: Deep Journalism und was ihn ausmacht
Teil 2: Domänenkompetenz – das Konzept
Sebastian Turner: Deep Journalism. Eine Chance für die Qualitätsmedien
Stephan Russ-Mohl: Domänenkompetenz in der Aufmerksamkeitsökonomie
Christopher Buschow: Medienwirtschaftliche Potenziale, gesellschaftliche Risiken
Alexandra Borchardt: Schluss mit dem Selbstbetrug!
Markus Spillmann: Grenzen der Domänenkompetenz. Lemmingeffekte in der Kriegsberichtserstattung
Teil 3: Das Konzept auf dem Prüfstand
Domänenkompetenz in der journalistischen Arbeit
Berthold Kohler: Die FAZ–Domänenkompetenz von Anfang an
Rainer Esser: Domänenkompetenz auf vier Plattformen
Christoph Keese: Wahrheit, nichts als die Wahrheit
Lorenz Maroldt: Warum wir Verticals brauchen
Alfons Frese: Domänenkompetenz aus Sicht eines Betriebsrats
Carl Graf Hohenthal: Im Hamsterrad der Clickbaits und Narrative
Gerd Gigerenzer im Interview: Wider die mentale Pandemie der Zahlenblindheit
Thomas Baekdal: Vertrauen versus Traffic
Start-ups und Impulse
Gabor Steingart: Unbedarftheit in Wirtschaftsfragen
Benjamin Fredrich: Wie Katapult sich der Abwärtsspirale der Printmedien entgegenstellt
Antje Sirleschtov: Vom Aufstieg der unersetzlichen Experten-Journalisten
Annette Milz: Rückbesinnung auf Kernelemente des Qualitätsjournalismus
Wolfgang Büchner: Mehr Investitionen wagen. Journalistische Qualität dürfen wir uns nicht ersparen
Relevanz für spezifische journalistische Felder
Sigrun Albert (Mitarbeit: Anja Pasquay): Von Fehlentwicklungen in Amerika lernen
Anke Vehmeier im Interview: Domänenkompetenz im Lokalen
Frank Überall: Erodierende Domänenkompetenz
Axel Bojanowski: Rivalisierende Gewissheiten. Domänenkompetenz im Klimadiskurs
Katja Schupp: Vom Alpha-Tier zum Team-Player. Teamarbeit und Domänenkompetenz im Bewegtbild-Journalismus
Stefan Braun: Politik und Medien–ein Verhältnis in Schieflage
Blick nach Österreich und in die Schweiz
Doris Helmberger-Fleckl: Tiefenbohrung in Österreich. Die Furche als Beispiel
Kurt W. Zimmermann: Tücken des Outsourcings. Eine Schweizer Domäne verschwindet
Domänenkompetenz beim Nachwuchs
Henriette Löwisch im Interview: Gefragt sind: Vermittlungs- und Sachkompetenz. Ein Blick auf den Nachwuchs
Stefan Hunglinger: Journalismus auf einem Stand- und einem Spielbein
Serafin Reiber: Tiefer wühlen
Andrea Römmele: Die Kompetenzkrise der Medien beginnt im Medienmanagement
Relevanz für die PR
Stefan Reker: Den Trampelpfad des Mainstreams verlassen
Irina Lock: Domänenkompetenz in Public Relations. Gefragt sind Branchenkenntnis und journalistische Praxis
Christoph Hardt: Die Simulation von Journalismus? Domänenkompetenz in der Unternehmenskommunikation
Teil 4: FAQ
Stephan Russ-Mohl, Sebastian Turner: Frequently Asked Questions: 'Wenn Deep Journalism nach Tiefenbronn kommt.'
Autoren, Interviewpartner und Herausgeber
STEPHAN RUSS-MOHL / SEBASTIAN TURNER Deep Journalism und was ihn ausmacht
Über Domänenkompetenz, Vertikalisierung und Rebundling
Die Hiobsbotschaften zur Entwicklung der Nachrichtenmedien und des Journalismus reißen nicht ab. In den USA sind die Redaktionen in den letzten Jahren dramatisch geschrumpft. Auf lokaler und regionaler Ebene bricht das Ökosystem des Journalismus weg, das in Amerika einmal nicht zuletzt aus beeindruckenden Regional- und zahllosen Lokalzeitungen bestand. Mancherorts fällt inzwischen der Journalismus als ›vierte Gewalt‹ und Kontrollinstanz der Mächtigen nahezu komplett aus. Aber auch bei uns häufen sich die schlechten Nachrichten: Mit Entlassungswellen und Frühpensionierungen gehen jeweils heftige Verluste an journalistischer Kompetenz und redaktionellem ›Gedächtnis‹ einher. Da lohnt es sich – und dies ist Sinn und Zweck des vorliegenden Buches –, auf Ideen und Modelle zu schauen, welche die Spirale des Niedergangs umkehren könnten: Mit mehr journalistischer Qualität ein besseres Geschäft zu machen – das ist die Herausforderung. Die Erfolgsbeispiele in diesem Buch reichen von Berlin über Hamburg bis Greifswald, und weitere Vorbilder gibt es in Washington und Brüssel. Sie verbindet: An erster Stelle steht der Anspruch, in einer Domäne so gut zu sein, dass dies dem Publikum etwas wert ist, sich also in Zahlungsbereitschaft bestimmter Zielgruppen niederschlägt. Wir haben dafür aus der Bildungsforschung den Begriff der Domänenkompetenz übernommen. Sie ist der Schlüssel zu Deep Journalism. Zwei medienwirtschaftliche Techniken helfen, um Deep Journalism in Erlöse zu verwandeln und damit wirtschaftlich tragfähig zu machen: Vertikalisierung und Rebundling. Vertikalisierung heißt: In den jeweiligen Domänen oder Themenfeldern wird noch mehr in die Tiefe gebohrt. Was solche Bohrungen zutage fördern, ist nicht für alle, aber für Viele Geld wert, nicht als Rohmaterial, sondern nach entsprechender Filterung, Weiterverarbeitung und Fokussierung auf das, was bestimmte Zielgruppen unbedingt wissen sollten. Hier kommt Rebundling ins Spiel – die erarbeiteten Rechercheresultate werden in neu gebündelten Produktformen angeboten, die den jeweiligen Zielgruppen bei der Informationssuche Zeit ersparen. Bei einer Großstadtzeitung können das Bezirksnewsletter sein, bei einem Wochenblatt für das akademische Milieu Magazine rund ums Studieren und bei einer populären Zeitschrift für Sozialwissenschaft sogar Bücher. Nichts davon erscheint revolutionär. Damit kann es umso leichter auch für andere Medien, die ihre Qualität halten oder sogar steigern möchten, anregend sein. Deep Journalism ist also das Ziel. Domänenkompetenz gilt es auszubauen, zum Teil auch wiederherzustellen, um dieses Ziel zu erreichen, statt weitere Streichkonzerte in den Redaktionen zu veranstalten. Vertikalisierung und Rebundling sind die Werkzeuge, um für journalistische Domänenkompetenz Zahlungsbereitschaft zu generieren. Wir haben uns für Deep Journalism als Formel entschieden, weil auf Deutsch ›Tiefenjournalismus‹ oder ›vertiefender Journalismus‹ weitaus weniger attraktiv klingt, auch wenn letztlich dasselbe damit gemeint ist: ein Journalismus, der unvoreingenommen und gründlich recherchiert, der im Sinne Max Webers dicke Bretter bohrt, der Hintergründe ausleuchtet, der Zusammenhänge herstellt und sich nicht von der Flut von PR-Zulieferungen überschwemmen lässt. Das setzt voraus, dass in der Redaktion hervorragende Sachkompetenz personell verankert ist. Themen sollten aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden – und statt die Mediennutzer zu missionieren, sollten Journalisten ihr Bestes geben, um ›treuhänderisch‹, also im wohlverstandenen Interesse ihrem Publikum zu den Informationen zu verhelfen, die dieses zur Bewältigung ihres jeweiligen Alltags braucht. Unser Schlüsselbegriff hierfür ist ›Domänenkompetenz‹, sprich: Sachkompetenz im jeweiligen Berichterstattungsfeld. Redaktionen, die weiterhin einen journalistischen Anspruch haben und nicht nur mit der Copy-and-Paste-Taste Pressemeldungen vervielfältigen, sind auf solche Domänenkompetenz angewiesen – insbesondere in den Bereichen, in denen Nachrichten anfallen, die für große Segmente des eigenen Publikums wichtig sind. Es braucht in den Redaktionen Spezialisten, die sich in ihren jeweiligen Domänen auskennen, um mit Erfolgsaussichten Fake News und auch die Aushöhlung des Journalismus durch immer versiertere Public Relations einzudämmen. Aber es gilt auch, dem Alarmismus zu begegnen, mit dem tagtäglich viele Medien nicht nur die Klickzahlen nach oben treiben, sondern immer wieder den Weltuntergang einläuten – und mit ihren Übertreibungen bewirken, dass teils ihre Glaubwürdigkeit schwindet, teils Fehlentscheidungen getroffen werden. Möglichst sollten in Redaktionen mehr als nur eine Person wichtige Themen regelmäßig bearbeiten und die zuständigen Redakteure Zeit und Ressourcen haben, um an Issues auch dranzubleiben. Wenn das so ist: Gibt es Möglichkeiten, die Domänenkompetenz der Redaktionen zu stärken? In welchen Bereichen ist das Konzept erfolgversprechend, beispielsweise zahlungsbereite, hochspezialisierte Zielgruppen und Entscheider mit verlässlich recherchierten Newslettern in ihrer jeweiligen Domäne zu versorgen und dabei einen Teil der Erkenntnisse mithilfe der breitstreuenden Medien in den öffentlichen Diskurs einzubringen? Klärungsbedürftig erscheint uns auch, ob und inwieweit Domänenkompetenz für Journalisten und Journalistinnen bei ihrer Karriereplanung individuell wichtig ist und welche Rolle sie bei Personalentscheidungen der Chefredaktionen spielt. Ist Domänenkompetenz eine Karrierefalle (im Hinblick auf eine Festanstellung) oder ein Honorarkiller (für Freelancer)? Ist Domänenkompetenz ein Berufsmerkmal, das angestrebt wird? Wie sehen erfahrene ›Veteranen‹ des Journalismus die Entwicklung von Domänenkompetenz im Rückblick? Sodann gilt es, zu differenzieren und weitere Erfolgsmodelle zu identifizieren: Welche Beispiele gibt es bei der Presse? Wie ist es bei ARD und ZDF um die öffentlich-rechtliche Domänenkompetenz bestellt? Wie lässt sich in vernachlässigten Feldern Domänenkompetenz entwickeln? Welche Rolle spielen Kommunikationsabteilungen, wenn sie kompetente Journalisten aufnehmen und damit auch aus Redaktionen abziehen? Welche Folgen hat es, wenn sich Domänenkompetenz in die PR verlagert? Fragen über Fragen, denen die Einzelbeiträge in diesem Reader nachspüren. Zur Exploration haben wir sehr bewusst ein breites Spektrum von Autorinnen und Autoren gewonnen, seien das Journalisten, Medienmanager oder Wissenschaftler. Das garantiert unterschiedliche Sichtweisen, führt gelegentlich zu Widersprüchen, ergibt aber doch insgesamt ein Bild, das den apokalyptischen Visionen vom Niedergang des Journalismus und der Demokratie einen Hoffnungsschimmer am Horizont entgegensetzt. Wer sich nicht in nostalgischer Schönfärberei verlieren möchte, wird konzedieren, dass Deep Journalism und damit Domänenkompetenz schon immer ein Programm für Minderheiten und für Bildungseliten gewesen ist und das wohl auch bleiben wird. Domänenkompetenz ist damit kein Patentrezept zur Lösung aller Probleme des Journalismus. Aber sie ist – um den Philosophen Odo Marquardt zu zitieren – nicht zuletzt »Inkompetenzkompensationskompetenz«. Das Bandwurmwort hätte Mark Twain Freude bereitet. Aber: Gibt es eine größere, eine vornehmere, eine herausforderndere Aufgabe für den Journalismus, als Inkompetenz zu kompensieren? Die Einzelbeiträge
Die beiden Herausgeber eröffnen den Diskurs: SEBASTIAN TURNER stellt nicht nur sein Konzept von Deep Journalism und Domänenkompetenz vor, sondern skizziert auch seine bisherigen Erfahrungen bei der Umsetzung, zunächst beim Turnaround des Tagesspiegels, dessen Herausgeber und Teilhaber er viele Jahre war, dann im eigenen Medien-Start-up Table.Media, das inzwischen zehn Professional Briefings herausgibt, die auf zahlungsbereite Zielgruppen ausgerichtet sind. Dabei profitieren von der Arbeit dieser domänenkompetenten Redaktionen immer wieder auch große, breitstreuende Nachrichtenmedien. STEPHAN RUSS-MOHL bettet in seinem Beitrag das Konzept der Domänenkompetenz in den größeren Kontext der Aufmerksamkeitsökonomie ein. Er arbeitet heraus, für welche Art von Nachrichten bei bestimmten Zielgruppen Zahlungsbereitschaft besteht – und wo nicht. Und er beschäftigt sich mit der Frage, wie sich sinkende Aufmerksamkeitsspannen, aber auch Aufmerksamkeitsschwankungen und -zyklen sowie die von Redaktionen in Echtzeit messbare Aufmerksamkeit, die Mediennutzer journalistischen Beiträgen widmen, auf die Domänenkompetenz auswirken. Wir haben sodann einen Medienforscher, eine Grenzgängerin zwischen Wissenschaft und Journalismus sowie einen erfahrenen Praktiker gebeten,...