Tóth | Die brennende Braut | Buch | 978-3-9503906-4-3 | sack.de

Buch, Deutsch, 290 Seiten, GB, Format (B × H): 139 mm x 211 mm, Gewicht: 488 g

Tóth

Die brennende Braut

Buch, Deutsch, 290 Seiten, GB, Format (B × H): 139 mm x 211 mm, Gewicht: 488 g

ISBN: 978-3-9503906-4-3
Verlag: Nischen Verlag


Was sucht eine Leiche in einer Ausstellung? Wohin fahren die Gastarbeiter aus Siebenbürgen in ihrem Kleinbus? Was geschah mit der Frau, der der Kopf in einem Supermarkt plötzlich heruntergefallen war?

Die Erzählungen Krisztina Tóths sind Momentaufnahmen, Spiegelscherben aus dem Ungarn der vergangenen Jahrzehnte. Die Lebenslügen hin und her geworfener kleiner Leute und ihre täglichen Übungen im Überleben. Ausgelieferte Jugendliche und Kinder, Obdachlose und Arme, sich abplagende Mittelschicht und lebensüberdrüssige Celebs. Uns allen scheinbar bekannte, banale Situationen. Die Akteure leben zwar an verschiedenen Orten und ihre Möglichkeiten und Wünsche weichen stark voneinander ab, aber eines haben sie gemeinsam: Sie stehen vor Augenblicken der Schicksalswende. Beinahe alle aber schieben die Entscheidung hinaus.

Die unbeteiligt wirkende Erzählerin beobachtet diese Vorgänge aber leidenschaftlich und überaus empfindsam, als lese sie die Welt mit ihren eigenen Wunden. Sie schildert das vielfältige zwischenmenschliche Beziehungsgeflecht und während sie von schweren Schicksalen und zuweilen grotesken Szenen erzählt, blitzt überraschend ihr sublimer und sarkastischer Humor auf.
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Die junge Frau hatte schon seit anderthalb Stunden mit der Tasche in der Tür gewartet, als der Mann endlich eintraf. Er entschuldigte sich, weil er weder angerufen noch eine SMS geschickt hatte, seine Frau sei ihm bis zuletzt nicht von der Seite gewichen, sogar die Holzkohle im Papiersack hätten sie gemeinsam im „Praktiker“ gekauft. Er habe sie kaum davon abbringen können, ihn zu begleiten, die Kinder seien nämlich bis Montag bei der Oma.

„Holzkohle?“, fragte die Frau schon im Stiegenhaus.

Der Mann erklärte, die Holzkohle sei notwendig gewesen, weil er zu Hause vorgelogen habe, bei einem Kollegen im Gartenviertel zu einer Gartenparty eingeladen zu sein. Daraufhin hätte seine Frau beinahe begonnen, Kartoffelsalat mit Mayonnaise zu machen, ihre Spezialität, bis er in seiner Qual vorbrachte, ach, nein, das sei wirklich nicht notwendig, er habe lediglich versprochen, Holzkohle zum Grillen beizusteuern.

Sie warfen die Tasche der jungen Frau in den Kofferraum, da lag tatsächlich der große Papiersack.

Es war nicht leicht, aus der Innenstadt hinauszukommen, aber danach ging alles glatt. Während der Fahrt begrapschte der Mann den Oberschenkel der jungen Frau, und sie sinnierte, wann sie zuletzt Kartoffelsalat mit Mayonnaise gegessen habe. Lange her. Er ist voller Kalorien.

Ihr Blick hatte sich gerade im Nichts verloren, auf der Straße, als der Mann plötzlich unverhofft das Lenkrad herumriss und neben dem Jägerzaun eines Gastgartens anhielt. Er ließ das Fenster herunter, während er mit der Rechten die Kurzwahltaste an seinem Telefon betätigte. Er blickte sie an und hob den Zeigefinger zum Mund, um anzudeuten, sie möge jetzt brav still sein.

Im Gastgarten versammelte sich gerade eine größere Gesellschaft. Männer und Frauen um die vierzig rangierten mit den Eisenstühlen, schlugen einander auf den Rücken und lärmten. Vielleicht war das ein Maturatreffen.

„Ich bin eben angekommen, aber ich muss schnell wieder aufhören, weil wir die Tische umstellen“, sagte der Mann ins Telefon.

Dann legte er tatsächlich auf, schaltete den Blinker ein und kurvte mit einem ebenso schnellen Manöver wieder auf die Straße zurück. Sie fuhren weiter. Nach einigen Minuten Stille sagte er:

„‘Tschuldige, ich dachte nur, die würden ein gutes Hintergrundgeräusch liefern. Es wäre schade gewesen, das zu verpassen.“

Nach einigen weiteren Minuten des Schweigens sagte die junge Frau:

„Wusstest du schon, dass die Japaner bereits Telefone mit integriertem Hintergrundgeräusch herstellen? Autobahn, Meeresrauschen, Kindergeschrei, sowas.“

Der Mann wusste das nicht, er schüttelte nur den Kopf und blinzelte in den Rückspiegel, er überholte. Sie schwiegen wieder, bis zur Pension.


Tóth, Krisztina
Krisztina Tóth, geboren 1967, publiziert seit 1989, zuerst Gedichte und seit 2006 auch Prosabände. Sie war Bildhauerin, lehrt Kreatives Schreiben und übersetzt französische Poesie ins Ungarische. Ihr erstes deutschsprachiges Buch "Strichcode" (2012, Berlin Verlag) wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2013 erschien im Nischen Verlag ihr Erzählband "Pixel", 2015 ihr Roman "Aquarium". Für "Aquarium" war die Autorin gemeinsam mit ihrem Übersetzer György Buda für den Internationalen Literaturpreis Berlin nominiert.


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